Es gibt so diese Momente.
Beim besten Willen konnte ich nicht verstehen, was die Frau von mir wollte. Vorfahren bis zu den Handtüchern, Gepäck zeigen, dann ins Büro? Welche Handtücher und warum? Bis wir das auseinander sortiert hatten, brauchte es einige Zeit und das dann auch gleich zweimal. Ich war auch ein wenig abgelenkt von ihrem goldenen Zähnen und der einzige Trost, der mir blieb war, dass es der besten alle Ehefrauen nicht viel anders ging. Wir mussten die Sätze sezieren, um dahinter zu kommen, was gefragt war: Aussteigen, Gepäck zeigen, dann auf die Tücher vor dem Auto treten, vorfahren, dann in das Büro gehen und aus Etosha auschecken. Es machte es nicht viel einfacher, dass wir mit zwei Autos unterwegs waren und die Gepäckstücke auf zwei Wagen verteilt waren. Aber das Gepäck des Herrn Papa aus unserem Auto fand Gnade, meins wollte der Inspektor dann gar nicht mehr sehen.
Oder man sieht ein Auto am Fahrbahnrand in einem Nationalpark stehen. In dieser Situation schnell weiter zu fahren und sich an der Geschwindigkeit zu erfreuen, ist wohl das Falscheste was man tun kann. Wir sahen ein Auto an einer Kreuzung im Etosha stehen. Also ging ich sanft auf die Bremse und verhielt mich zurückhaltend. Irgendwann fing der Fahrer aus dem anderen Fahrzeug an zu winken. Wir sahen nichts. Ich fuhr etwas vor und dann erblickten wir ihn: In der Abfahrt zu unserem Onkoshi-Camp lag ein Löwe. Ausgewachsen, gelassen. Er stand dann auf und trottete auf unser Auto zu. (Schnitt: Die Video-Aufnahme ist an der Stelle nicht besonders, da die Kamera-Frau mir hektisch zurief, ich solle bitte das Fenster schließen und es nur noch die Decke des Autos zu sehen.) Dann war er weg und wir waren glücklich.
Die Beste aller Ehefrauen sorgt immer wieder für Momente. So beispielsweise heute, als wir den Etosha-Park verlassen hatten und sie plötzlich meinte:
„Die Kamera ist weg.“
„Welche Kamera?“
„Die Video-Kamera…“
„Wie kann die weg sein?“
Die Beste aller Ehefrauen kramt in ihrer Handtasche und holt die verschiedensten, unglaublichen Sachen hervor, die jeden Meister des Memory-Spiels gefordert hätten. Ich kann es nicht aufzählen!
„Die haben sie aus dem Auto geklaut!“
„Wer ist SIE?“
„Bei der Kontrolle.“
„Glaube ich nicht!“
Nun bin ich ein hoffnungsloser Gutmensch, der in allen Menschen erst einmal das Gute sieht und nicht an das Böse glaubt. Das jemand so dumm ist, an einem Checkpoint in ein Auto einzubrechen und Sachen heraus zu klauen – mir fehlt dafür einfach die Fantasie. Ich senkte die Geschwindigkeit unseres Wagens, um eine Gelegenheit zu finden, zu wenden. „Kamera weg“ wäre für mich ein gewichtiger Grund, mich nicht nur für mangelnde Datensicherung zu verfluchen, sondern auch um noch einmal umzukehren. Während die Beste aller Ehefrauen noch in ihrem Moloch von Handtasche wühlte und Argumente für die Schlechtigkeit der Menschheit hervorzauberte, die ich mit Argumenten für das Gute im Menschen versuchte zu beschwichtigen, sank die Geschwindigkeit unseres Fahrzeuges so, dass auch die Nachhut dies mitbekam. Dann öffnete meine Beifahrerin das Handschuhfach und meinte: „Nehmen wir so lang die Kamera…“
Man ist in einem Öko-Luxus-Camp und freut sich auf das Frühstück. Wir haben nach einer dreistündigen Safari – die man durchaus auch als Selbstfahrer-Safari hätte absolvieren können und damit Geld gespart hätte – die Gelegenheit das Frühstücksbuffet zu stürmen. Die Auswahl ist ein wenig „begrenzt“ – wer zuletzt kommt, der mahlt halt auch nicht als erster. Aber es gibt noch frische Speisen aus Ei.
„Kostet aber extra“, sagt uns die Dame an der Theke.
„Bitte?“
„Omelette 15 Dollar? Wurst …“
Ich hatte schon aufgeführt zuzuhören. In Deutschland kommt es hin und wieder vor, dass man für so etwas bezahlen muss. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass gerade in besseren Häusern Ei-Speisen als Extra gehandhabt werden und man fühlt sich dann auch so, wie hier. Aber das ist halt Deutschland, da muss man auch oft noch für’s Internet bezahlen. Okay, wir reden über einen Euro – das kann man schon mal springen lassen. Wir nahmen wohl alle ein Omelette.
Heute Morgen nun waren wir die ersten beim Frühstück. Die Ei-Speisen waren noch nicht bereit und als wir mittendrin sind, steht die Bedienung bei uns und meint, unser Frühstück würde auch das warmes Frühstück beinhalten und sie würde sich freuen, wenn wir ein Omelette oder ähnliches nehmen würden.
Aaaarggg! Es versteht sich, dass auf der Rechnung die Eier vom Vortag auch nicht auftauchten.
Es donnerte in der Nacht wie nichts und regnete auch. Heute morgen war es sogar richtig frisch. Ich hatte keine gute Nacht, da sich der Husten immer dann zurückmeldet, wenn man liegt. Abgehustet werden kann aber nur im sitzen. Bei der Gelegenheit bekommt man einiges vom Wetter mit. Die Frau Mama: „Ich habe Dich heute Nacht gar nicht husten hören?“ Das spricht für ihren Schlaf, denn ich habe einen Mords-Muskelkater im Oberkörper.
Der Stollen musste noch aufgeschnitten werden. In Onkoshi gab es kein Besteck auf dem Zimmer. Gestern zum Abendbrot – es gab Buffet – nahm Herr Papa seinen selbstgebackenen Stollen mit. Mission: Aufschneiden. Wir orderten das größte Messer, dass sie in der Küche hatten und sie kamen mit einem riesigen Fleischmesser. Ich weiß gar nicht, ob wir eine Aufnahme davon haben. Wir konnten den Stollen aufschneiden, aber gegessen wurde keiner mehr – denn wir waren sowas von satt. Aber wir offerierten kleine Stückchen noch dem Personal, die wirklich angetan von dem Stollen gewesen sind. Oder halt von der Tatsache, dass ihnen von Gästen mal etwas anderes angeboten wird, als nur Trinkgeld.
Auf der Safari, die wir gestern machten, sahen wir nur die Standards: Giraffen, Zebras, Antilopen und Gnus. Es wäre eine ziemlich „öde“ Veranstaltung geworden, die uns nur zu früherem Aufstehen gezwungen hätte, wenn nicht kurz vor dem Camp noch ein Nashorn vor die Linse gesprungen wäre. Das hatte sich in Sumpfloch zur Hälfte eingeweicht und fühlte sich nun von unserer Ankunft gestört. So, wie es vor unserem Wagen herumtänzelte, wusste man nicht so recht, ob es uns nicht vielleicht angreifen möchte. Es entschied sich für Flucht. Ich kann den Ärger verstehen, nichts macht mich mehr fertig, als wenn ich in der Badewanne liege und es klingelt an der Tür. Da muss ich schon ein dringendes Päckchen erwarten, dass ich mich erweiche und aufstehe.
Heute hatten wir mit die längste Strecke zu fahren: Von Etosha nach Rundu. Das haben wir aber gut absolviert. Mein Verständnis von Stadt ist ein komplett anderes als hier vorhandene Städte. Ich denke da – sehr konservativ – an Marktplatz, Apotheke, Blumenladen, eine Reihe anderer Geschäfte wie Bäckereien und Fleischer, Restaurants, vielleicht noch ein wenig Industrie und Gewerbe – und die Möglichkeit, zu wohnen. Das spielt hier überhaupt gar keine Rolle. Die Städte bestehen aus (ein paar) Geschäften (Supermärkten, Telefonläden, Banken) und separiert davon von Wohngelegenheiten. Nicht vorgesehen ist das Konzept des Shoppen und Genießen. In eine Stadt hineinzufahren, um mal kurz ein Lunch einzunehmen und dieser Lunch soll nicht auf KFC-Niveau sein – da hat man verloren.
Schon bei der Buchung des Hotels hatte man uns mitgeteilt, dass es lauter werden könnte. Im Juli war das. Ich hatte da an ein Volksfest gedacht. Das, was sich mir heute bot, war etwas komplett anders. Unweit von unserer Herberge hatte man Zelte aufgebaut und dort gibt es zu Trinken und zu Essen (gegrilltes). Die Beste aller Ehefrauen hatte den Gefahrenlevel eines Besuchs beim Hotelpersonal abgefragt und diesen dann auf „Dunkelrot“ gesetzt. Ich durfte mal im Hellen vorbei schauen. Musik wummerte, die Leute fuhren mit ihren Autos auf das Gelände, Kinder plantschten im Wasser, Autos wurden verglichen. Und was für Autos! Die würden so manchen Deutschen erblassen lassen.
Das Abendessen war ein mittleres Fiasko. Mir ist klar, dass ein afrikanisches Hühnchen nichts mit einem europäischen Hühnchen zu tun hat. In der Tat ist es sehr erstaunlich, wie wenig zart es ist und wenig Fleisch es besitzt. Dafür ist das afrikanische Hühnchen aber auch ein wenig mehr Bio. Die Frau Mama ließ ihr Hühnchen zurückgehen und enttäuschte die Köchin damit sichtlich. Ich vermute mal, dass die Köchin überhaupt gar keine Vorstellung hat, was mit ihrem Essen nicht in Ordnung sein könnte.
Beim Essen lernten wir nicht nur das gesammelte Küchenpersonal kennen, sondern auch zwei Katzen, die sich gleich neben mich setzten und anfingen zu betteln. Das können die gut. Wenn man ein Hühnchen mit wenig Fleisch hat, kann man es sich allerdings nicht erlauben, sehr großzügig zu sein. Während die Katzen, sobald sie merkten, dass es nichts mehr gab, trollten, waren die Hotelhunde sehr viel treuer.
Sie begleiteten uns auch später zur Party – ich ging mit dem Schwesterchen noch einmal ohne technisches Equipment und nennenswerte Geldbeträge – hinunter und wir wurden nicht abgewiesen. Weder weil wir nicht mit einem Auto kamen, noch weil wir zu alt waren oder die falsche Hautfarbe hatten. Man nahm uns so hin. Spektakulär war die Veranstaltung, die immer noch vor sich hin wummert, nicht. Erwähnenswert ist nur, dass uns die beiden Hotel-Hunde begleiteten. Irgendwann verlor ich sie aus den Augen. Ich kann nur sagen, dass einer von den Hunden nach einer halben Stunde wieder mit uns auf dem Hotel-Gelände gewesen war. Für den zweiten Hund hoffe ich das Beste.
Wir standen am Ufer des Flusses, in dem am Nachmittag Kinder geplanscht haben und Männer biertrinkend lagen, schauten rüber nach Angola. Von Krokodilen keine Spur. Von Angolanern auf der anderen Seite auch nicht.