Das ging gut los: Die Frau Mama war heute Morgen nur kurz eine Rauchen, was ja ungesund ist, kam zurück und der Fahrstuhl war nicht kooperativ. Die Tür ging ordnungsgemäß zu und dann ging das Licht aus. Keine sehr angenehme Situation, denn im Dunkeln die richtigen Tasten zu drücken ist immer eine Herausforderung. Irgendwie hat sie die Tür aufbekommen, und damit ging auch das Licht wieder an. Das war noch vor dem Frühstück.
Auf dem Weg von der Rezeption unserer Okonjima-Unterkunft zum Auto zurück spielte ich den Hans-Guck-in-die-Luft und übersah einen Stein. Nicht ein Steinchen, sondern eher die Richtung Felschen. Es tut ja nicht nur weh, weil eine natürlich Bewegung ungewöhnlich abgebremst wurde – es tut zusätzlich noch einmal weh, weil man so idiotisch war und etwas offensichtliches übersehen hat. An der besagten Stelle am Schienenbein werde ich die nächsten Tage einige interessante Farbspiele beobachten dürfen.
Vielleicht nicht ganz so schmerzhaft, dafür aber viel spektakulärer kann sich das Schwesterchen in zukünftigen Afrika-Geschichten aufstellen: Sie hat neben ihrem Bungalow einen Bewohner namens Erna, welches ein umgängliches Warzenschwein ist. Wir haben sie für dieses Warzenschwein ein wenig beneidet, denn wir haben nur Erdmännchen, die uns ins Schlafzimmer schauen können. Erna ist aber vielleicht gar nicht Erna, sondern eher Ernie und als solcher auch in gewisse Revierstreitigkeiten involviert. Als ein fremdes Warzenschwein Erna/Ernie entdeckte war es der Meinung, diese Streitigkeit austragen zu müssen und bei dieser war das Schwesterchen im Weg, so dass es einen fetten Rempler kassierte. Keine echte Fleischwunde, allerdings konstatierte das Schwesterchen: „Hätte ich eine lange Hose angehabt, dann wäre die jetzt dreckig.“
Nichtsdestotrotz war es ein wunderschöner Tag. Ich hatte gestern das Licht ausgemacht und bin sofort eingeschlafen. Heute Morgen erwachte ich, da die Klima-Anlage die Zimmertemperatur soweit herunter gekühlt hatte, dass ich es als frisch empfand. Mein Verlangen, mich zu bedecken, wurde mir durch das einnehmende Wesen der besten aller Ehefrauen verwehrt, die sich ebenfalls bis dato nicht bedeckt hatte, aber auf der kompletten Decke lag. Nachdem dies geklärt war, war ich allerdings auch schon wach. Das war so gegen Viertel nach Fünf.
Irgendwann döste ich noch einmal ein und so gegen sieben Uhr begannen wir den Tag, wie die anderen Reisegenossen auch. Wassertemperatur und -qualität waren perfekt, es gab später keine Beschwerden. Um acht Uhr war Frühstück angesagt und da muss sich das Hilton nicht verstecken. Das war alles oberlecker und schön angerichtet. Eier konnte man sich wie Saft frisch zubereiten lassen. Ein gelungener Start in den Tag.
Nicht zu vergessen – es war der 20.! Die Frau Mama feierte ihren 75. Geburtstag und wir gratulierten ihr natürlich prompt zu ihrem Ehrentage und behandelten sie den ganzen Tag furchtbar nett.
Wir waren selbst ganz überrascht, aber wir kamen ohne Schaden aus dem Parkhaus heraus und machten uns auf den Weg nach Okonjima. Die ersten hundert Kilometer waren wir noch ein wenig schüchtern und richteten uns nach den Geschwindigkeitslimits. Das Resultat war, dass wir in einem Baustellenbereich, jeweils eine Spur in jede Richtung, von einem Sattelschlepper überholt wurden. Das ist schon eine Schmach. Aber wir hatten nur wenige Kilometer zuvor eine Stelle passiert, an der per Radar die Geschwindigkeit gemessen wurde. Da durfte man mal annehmen, dass die Limits nicht jedem in dem Land egal sind.
In Okonjima angekommen, eigentlich noch in der Zeit, fuhren wir aber plötzlich Piste und das noch für über zehn Kilometer und die fuhren wir nicht nur in der angemessenen Geschwindigkeit, nein, es gab schon so viel zu sehen, dass wir ständig anhielten und Fotos schießen mussten. Sogar von Giraffen, die wir gar nicht erwartet hatten, wurden wir begrüsst.
Die Begrüßung in der Lodge war herzlich, aber ein wenig reserviert. Es war irritierend, dass man an der Hauptpforte wusste, dass wir kommen – aber an der Reservierung unseres Camps nicht. Wenn ein Angestellter mit Deinen Reiseunterlagen, Deinem Pass und gewissen Fragezeichen im Gesicht abzieht, um „eine Klärung herbeizuführen“, so trägt das nicht unbedingt zur eigenen Beruhigung bei. Da hilft es auch nicht, wenn er immer wieder erklärt, dass es ja kein Problem gäbe und alles in Ordnung wäre. Wenn es eine Zeit braucht, man die Mietwagen-Geschichte der anderen Leute noch im Gedächtnis hat, dann wird man halt irgendwann unruhig.
„Wann können wir ins Zimmer?“
„Wissen wir noch nicht, auch nicht ob…“
„Sind die Zimmer noch nicht fertig?“
„Vielleicht ja, aber wir wissen nicht, ob sie für uns sind…“
Denn irgendwie hatten sie es geschafft, mir eine Reservierungsbestätigung zu schicken. Aber sie hatten wohl vergessen, das auch ins System einzutragen. Die Zimmer, die wir haben wollten – das Billigste vom Billigsten in dieser Lodge -, waren anderweitig vergeben worden.
Gott sei Dank waren sie nicht komplett ausgebucht. So bekamen wir noch unsere Zimmer und schauen in schönster Manier in einen „Garten“. Erdmännchen und Warzenschweine haben wir so im Blick – und umgekehrt.
Wir starteten anderthalb Stunden nach unserer Ankunft unsere erste Aktivität: Leoparden-Tracking. Unser Guide meinte, dass wir eine fünfzigprozentige Chance hätten, einen Leoparden zu sehen und das wäre schon sehr gut. Nachdem wir vor Jahren in Südafrika überhaupt gar keinen Leoparden gesehen hatten, war ich mit der Aussicht, jetzt die Big Five zu komplettieren, recht zufrieden. Schließlich haben wir den Großteil des Urlaubs noch vor uns.
In dem Park gibt es dreißig bis fünfunddreißig Leoparden (auf 20.000 Hektar). Ein Teil von ihnen ist mit einem Radiosender ausgestattet, was es den Guides erlaubt, diesen zu folgen. Darunter kann man sich kein GPS vorstellen, der eine exakte Position ausgibt, sondern der Assistent des Guides ermittelt anhand der Stärke der Radio-Signale, wo sich ungefähr ein Tier aufhalten könnte.
Die erste Anlaufstation erwies sich auf den ersten Blick als Niete. Wir standen an der einen Seite eines leeren Flussbettes und schauten auf einen dicht beblätterten Baum, aber der Leopard tat uns nicht den Gefallen, oben auf einem Ast zu liegen und sich als offensichtliches Objekt der Begierde zu präsentieren. Es war also gar nichts zu sehen.
So wählte der Guide die Variante Nummer 2 und fuhr von anderer Stelle in das Flussbett. An dem Baum, von dem es vorher hieß „Da muss er drin sein.“, machte er halt, umrundete ihn halb und gewagt mit dem Auto, und dann entdeckte das Schwesterchen ihn. Er lag im Gestrüpp unter dem Baum. Keine gute Voraussetzung für Fotos, da zu viele Äste davor waren. Und dann saß ich noch auf der falschen Seite. Susann hatte mit ihrer Kamera besseren Zugang und konnte den Leoparden, der uns nur mässig interessant fand, ausgiebig filmen. Ich bin mal auf die Videos gespannt.
Es ging aber noch weiter, denn danach entdeckte der Assistent des Guides ein weiteres Signal: Nichts wie hin! Hier handele es sich um ein Weibchen und es zeigte sich kurz und lebhaft, in dem es auf einen Baum kletterte. Der Ausblick behagte ihr aber nicht, weshalb es das Weite suchte.
Aber wir hatten nun schon zwei Leoparden gesehen. Da merkte die Führungselite, dass es noch ein Signal in der Nähe gab. Über Stock und Stein ging es zu einer Stelle, die ebenfalls an einem ausgetrockneten Flussbett lag. Zu unserer großen Freude hatten wir es hier nicht nur mit einem Leoparden zu tun, sondern auch mit seinem Jungen (wobei sechs Monate war das Töchterchen wohl schon alt). Nun gab es wirklich richtig gute Fotos. Allerdings trotteten die beiden Leoparden in eine Richtung davon, die durch eine Barriere aus Ästen uns versperrt war. Das weckte erst recht den Ehrgeiz unserer Guides, die zurückfuhren und dann von der anderen Seite in das Flussbett fuhren. Die beiden Leoparden kamen uns entgegen. Die Mutter legte sich an die Seite ins Gras und döste, das Kleine spazierte an der Seite des Wagens entlang und packte sich in dessen Schatten. Nun war die Frage, wer wen beobachtete. Wir wollten nur gute Fotos, aber die kleine trachtete vielleicht auch nach einer Mahlzeit.
Auf dem Rückweg gab es noch Zebras und Affen und bei einem Bier oder anderen Kaltgetränken, einen Blick über den gesamten Park bei der untergehenden Sonne. Einigkeit bestand darüber, dass das mal ein verdammt ereignisreicher, manchmal schmerzhafter und trotzdem schöner Tag war.