Warum eigentlich nicht umgekehrt? Aber egal. Angefixt durch die gestrigen Wandererfolge, wollten wir heute in nichts hintenanstehen und suchten uns eine Route, die ähnliche schöne Wasserfall-Erlebnisse bieten konnte. Nicht weit von Asheville, so war auf unserer Blue Ridge Parkway-Karte vermerkt, sollten sich die Douglas Falls befinden.
Aber bevor wir zum Wandern kamen, ging es natürlich erst zum Frühstück. Dieses ist nicht im Hotelpreis von 99 Dollar inbegriffen, kann aber im angeschlossenen Restaurant eingenommen werden. Gestern hatten wir gefüllte Eierkuchen mit Erdberren. Was hier natürlich nicht so lapidar bezeichnet wurde und in der Bezeichnung fand sich auch die Information wieder, dass die Eierkuchen (sprich Crêpes) mit Käse gefüllt werden.
Eine sehr gute Wahl, denn heute stand diese Option nicht mehr zur Verfügung. Zu den Eiergerichten, die hier zum Standardprogramm gehören, wurden Fritten gereicht oder, was wir woher noch nicht kannten, Grits. Susann fragte nach einer Erklärung, aber da unsere nette Bedienung sich leider nicht in der Lage sah, es zu beschreiben, holte sie uns eine Probe. Sprich eine Portion. Es hatte die Konsistenz von Gries und schmeckte nach Reis, Milch war wohl auch mit von der Partie. So genau wissen wir also immer noch nicht, was es ist, ich habe es aber zu meinen Rühreiern bestellt, da mir der Gedanke an Pommes vor neun Uhr irgendwie ungehörig vorkam.
Ich hätte es auch sein lassen können. Es wurde auch mit Salz nicht viel besser. Susanns Geschmacksnerven wurden wohl eher getroffen, denn sie mischte sich das Zeug unter ihre frischen Erdbeeren. Da sie sich nicht für Eier entschieden hatte, sondern der Meinung war, man würde mit Biskuits besser fahren, bestellte sie sich selbige, achtete aber wohl nicht auf das »and Gravy«. »Ich dachte, das wären nur andere Biskuits«, die man schön mit Erdbeer-Konfitüre versehen könnte. Stattdessen, Kundige lachen sich wahrscheinlich jetzt schon einen Ast ab, waren die Biskuits in einer Tunke versenkt worden, die sich als Bratensoße, Pfeffer-Bratensoße herausstellte.
Wenn wir schon vom Essen reden, hier noch ein paar Worte zum heutigen Abendessen, das uns von der reizenden Bedienung kredenzt wurde, die sich heute morgen mit uns schon abzumühen hatte, und wahrscheinlich nur dachte: »Ah, da kommen die Grits! Mal sehen, was sie heute abend für komische Fragen stellen.« Aber nein, wir waren heute abend ganz zahm und bestellten, was wir dachten zu kennen. Susann hatte den Hirsch (allerdings ohne das Cous Cous-Pilz-Ragout, aber trotzdem noch ein Höhepunkt), ich hatte den am Montag nicht vorhanden halben Duckling. Mit meinem Englisch ist es ja noch nicht so weit her, und so glaubte ich den Ausführungen meiner Frau, dass es sich dabei wohl um die halbe Enten-Brust handeln würde. Reichlich genug allemal. Dazu sei nur soviel zu sagen, dass ich eine halbe Ente niemals schaffen konnte.
Hier geht es oft ganz unkompliziert: Auf unserer Rechnung waren die Drinks nicht zu finden, worauf wir hinwiesen. Egal, meinte die Bedienung. Auch fein!
Es heißt ja immer, dass Kinderlose nicht den Mund allzu weit aufreißen sollten, wenn es um die Kinder anderer geht. Das würde ich auch sofort unterschreiben. Trotzdem will ich aber loswerden, dass ich zutiefst beunruhigt war, dass ich ein Kind hier am Tisch beobachten musste (es saß mir gegenüber), welches die ganze Zeit mit seiner portablen Video-Spielkonsole beschäftigt war. Damit meine ich auch die Zeit während des Essens und des Nachtischs. Daran hätte ich früher nicht einmal als Kind gedacht, und so geht es mir heute noch. Habe ich eine Schönigkeit, dann lasse ich alles stehen und liegen. Hier scheint mir irgendetwas schief zu laufen.
Nicht in meinem Beobachtungskreis, sondern in dem von Susann war ein Tisch, der ganz außen positioniert war, und an dem eine einzelne Person rauchte. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn das Restaurant nicht ein Nichtraucher-Restaurant gewesen wäre. Es regte sich keiner auf, nicht einmal ich fand, dass dies aufregenswert wäre. Vielleicht hatten die Herrschaft (es war ein einzelner Herr), es nicht mitbekommen. Man kann sich natürlich fragen, warum er sich nicht fragte, wo die Aschenbecher wären. Aber so etwas kommt vor. Noch verwunderlicher fand ich allerdings die Situation in Chicago. Ganz Touristen waren wir in der Blues Bar gewesen und in dieser Bar gab es kein Rauchverbot. Überall standen Aschenbecher. Der Raum war knüppeldicke voll. Ich hätte mir vorgestellt, dass in dieser Raum eine einzige Rauchschwade wäre, verraucht, wie man sich eine Blues-Bar vorstellt (zumindest ich hätte sie mir so vorgestellt). Aber was war? In dem ganzen Lokal sah ich nur eine einzige Person rauchen. Von Rauch keine Spur.
Bekenntnis einer alten DameBevor wir zu den Wasserfällen kamen, mussten wir noch kurz eine Tankstelle aufsuchen und Susann fand, dass der Besuch einer Pharamcy noch notwendig wäre. In der Zeit, die meine Frau in der Pharmacy verbrachte, hatte ich die Gelegenheit einige Quatsch-Fotos mit ihrer Kamera aufzunehmen und mir Gedanken über die Kriegsfreudigkeit der Amerikaner zu machen. Mit der ist es nämlich nicht mehr weit her. Die Autos hier sind entweder geschmückt mit Bekenntnissen, dass man die Truppen unterstützen würde (wie schon vor zwei Jahren), die aber zum Teil ergänzt wurden, mit der Bemerkung, man möge sie bitte deshalb heimholen. Oder ganz klaren Bekenntnissen zum Frieden, wie das Bild zeigt, dass ich am Auto einer alten Dame sah.
Apropos Bekenntnisse: Gestern sahen wir ein Auto, welches an rechten Seite der Motorhaube ordentlich eingedellt war und auch die rechte Autortür so demoliert war, dass der Mann seine Freundin dort nicht mehr hat einsteigen lassen können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich jemals wieder öffnen lassen wird. Auf der Rückseite gab es einen Aufkleber: »We still pray«. Oh ja, das ist auch nötig!
Nachdem ich die Quatsch-Fotos gemacht hatte, habe ich auch noch kurz das Auto umgeparkt, aber offenbar nicht so kompliziert, dass Susann es sofort wieder fand. Mit ihrer Beute enterte sie den Wagen und ich erfuhr, dass ich einen neuen Rasierapparat besaß. Den hatte sie mir aus der Apotheke gebracht, der letzte Ort, an dem ich Rasierapparate vermutet hätte. Nun habe ich einen Rasierapparat, den ich nur in den USA verwenden kann. Toll nicht! Wie das kam? Ich hatte heute morgen festgestellt, dass ich zwar mein Rasierzeug dabei hatte (durch die Bank elektrisch), aber das Kabel in Deutschland gelassen hatte. Nun waren die Akkus leer. Deshalb also diese Blitzaktion. Für 25 Dollar habe ich jetzt also ein Teil mit ganz viel Zubehör, dass ich höchstens hier noch einmal benutze und dann erst wieder beim nächsten USA-Besuch.
Zur BeachtungDann ging es weiter zu den Wasserfällen. Die wir aber nicht so richtig ausgeschildert fanden. Susann meinte, wir könnten ja erst einmal diese nicht auf Wasserfälle hindeutenden Picknick-Weg benutzen. Aber auf dem Weg dorthin, fand sich plötzlich ein Schild, welches zu den Douglas Waterfalls wies. Dieses Schild (Foto links) enthielt neben dem Hinweis, dass es für Wanderer gedacht sei und nicht für Fahrräder, Motorräder und Pferde, die Information, dass der Weg für Wanderer most difficult wäre, was natürlich eine Information war, die man relativ oder absolut betrachten konnte. Da ich mich entschieden hatte, die Information relativ einzuordnen, mich aber nicht entscheiden konnte, zu was ich es in Relation setzen sollte, gleichzeitig aber nur positiv dachte, konnte ich die Information nicht meiner liebsten Mitwanderin mitteilen. Wäre auch nicht sinnvoll gewesen, denn meine Einschätzung stand völlig konträr zur Sachlage. Das Schild ist absolut gemeint. Schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass es kein gerader Weg war, der ein wenig hoch ging und dann wieder bergab. Mal um dieses Eck, dann mal um dieses. Es ging, über Stock und Stein. Über Stöcke hoch, über Stöcke runter, über Steine hoch und Steine runter. Das war nicht nur recht anstrengend, sondern auch zeitraubend. Susann mochte zwar mittlerweile ein Faible für Achterbahnen haben, ein Faible für Klettern hatte sie noch nicht entwickelt. So wurde jeder Stein, auf den sie treten musste, skeptisch begutachtet und mit den Füßen abgetastet. Trefflich stellte sie auch fest, dass man einen Weg, den man herunterlief, auch wieder hinaufsteigen müsste. Oh ja, damit hatte sie recht! Aber das war zu dem Zeitpunkt die geringste unserer Sorgen. An ein Umkehren konnten wir nicht denken, schließlich wollten wir die Wasserfälle sehen, das wäre schließlich Lohn genug. Es ging wieder auf und wieder ab.
Irgendwann kamen wir zu einer Weggabelung, an der uns die Information mitgegeben wurde, dass der Weg nur noch more difficult wäre. Jetzt, mit ein wenig zeitlichem Abstand, kann ich die Einteilung durchaus nachvollziehen. »Es wird einfacher, hurra!« wollten wir rufen. Nur war es halt noch schwierig genug.
Dann sahen wir Wasserfälle, aber das konnten nicht die sein, die auf der Karte gemeint waren. Es war ein Plätschern. Zwei Stunden waren vergangen, wir bestanden nur noch aus Stöhnen und Schweiß. Da wir nicht wussten, wo wir genau waren und keine Informationen besaßen, wann denn die Wasserfälle auftauchen würden, entschlossen wir uns, zu kapitulieren. Wir marschierten den Weg zurück.
Auf dem Hinweg war uns eine Frau begegnet, die mit ihren zwei Hunden und einem Rucksack unterwegs war. Man könnte denken, die Hunde dienten ihrem Schutz, aber es war eher andersherum. Der eine Hund schnupperte zwar an meiner Hand, machte dann aber einen großen Bogen um uns. Die Frau fragte mich, ob ich aus Deutschland käme, ich hätte einen deutschen Akzent (Susann war noch ein wenig weiter fort), was sich nicht verleugnen ließ. Sie meinte, sie hätte in der Army in Heidelberg gedient und ordnete uns nach der Information, dass wir aus der Nähe von Hamburg kämen, als Norddeutsche ein. Sie begegnete uns ganz zum Anfang, und wir hatten sie nicht gefragt, ob es noch weit zu den Wasserfällen wäre. Ein Fehler! Der andere Wanderer begegnete uns erst auf dem Rückweg, als wir erschöpft auf einem Stein saßen, und wir uns mit der Kapitulation schon abgefunden hatten. Aber man stelle sich vor: Man ist vier Stunden unterwegs und begegnet nur zwei Leuten.
Ganz wie dem Geschwisterpaar des Titels ging es uns nicht, aber ein wenig schon.
Als wir uns später die Situation auf der Karte vergegenwärtigten, mussten wir auch feststellen, dass die Douglas Falls mehr im Landesinneren lagen, ganz anders als die Wasserfälle, die wir gestern bewandert hatten.
Der Vollmond scheint auf mich herab. Heute gab es einen Riesling aus North Carolina. Mir war er zu süß, da war der Riesling aus Michigan schon angenehmer. Susann hat er aber geschmeckt. Die Geräusche, die man jetzt hier noch hört, sind keine Geräusche, die von den Balkons kommen. Die Leute sind in den Räumen und schauen Fernsehen, was man ganz genau hört. So stört das Tastaturgeklapper hier keinen. Es ist so dunkel, trotz Mond, dass man die Berge nicht einmal mehr erahnen kann. In der Ferne gibt es ein paar Lichter, wahrscheinlich Asheville. Morgen, so hatten wir überlegt, werden wir mal in den Great Smoky Nationalpark fahren. Ob daraus was geworden ist, dazu später mehr.
Zum Schluss noch ein Klassiker aus dem Munde Susanns, den man immer mal wieder zu hören bekommt: »Ich will mein Arbeitszimmer aufräumen und umgestalten.« Der Satz fiel allerdings nicht während der Wanderung.