Die letzten Jahre hatten wir in unserer Nachbarschaft entweder nur Weide oder Weide mit Kühen. Im Oktober, der dieses Jahr wirklich ziemlich golden war, wurden plötzlich Schafe auf die Weide verfrachtet. Das gab es unserer Zeit noch nie. Und wer war nicht mit dabei? Marie.
Zwei Wochen zuvor war sie in der Nacht herausgehuscht – denn sie sollte eigentlich drin bleiben. So war es denn, und ich holte sie am nächsten Morgen wieder ins Haus. Sie erzählte mir ein wenig, wie sie die Nacht verbracht hatte. Ich verstand nur Bahnhof.
Später am Vormittag streichelte ich sie, da sie mir Zeichen gegen hatten, dass sie das wollen würde. Dabei knurrte sie. Nicht gerade typisch. Das wiederholte sich später. Das machte mich ein wenig unruhig. Dann drehte sie sich in ihrer liegenden Position etwas und ich starrte auf eine zehn- bis fünfzehn Zentimeter lange Wunde – ein langer Riss. Daran war sie leckend zugange und das Knurren bedeutete wohl, dass ihr nicht wohl damit war.
Ab zum Tierarzt. Nein, eine Narkose wäre nicht die beste Option, sie sollte nur sediert werden. Gesagt, getan. Die Ärztin reinigte die Wunde. Das tat wohl so weh, dass die Katze immer wieder aufschreckte. Das tat sie auch, obwohl wir tatkräftig mithielten, als die Wunde getackert wurde.
DAS war aber noch nicht das Schlimmste. Viel schlimmer war, der nun folgende Stubenarrest. Wir wollten nicht, dass sich die Katze in die nächste Dreckgrube wirft und die Wunde verschmutzt. Denn ganz zu war es mit dem Getackere nicht. Die ersten beiden Tagen gingen noch. Irgendwann fing Marie an, immer höher zu klettern und dabei auch alles Mögliche mit herunterzureißen. Man konnte ihr dabei zuschauen: Sie sprang irgendwo hoch. Betrachtete ein Objekt eine Zeit lang. Streckte ihr Pfötchen. Prüfte darauf, ob es sich um eine Immobilie oder eine Mobilie handelte. War Letzteres der Fall, war ihr Schicksal besiegelt: Es gab nur noch den Fall.
Nach einer Woche war es nicht mehr auszuhalten und Marie wurde aus dem Käfig in die Freiheit entlassen. Die revanchierte sich, in dem sie erst einmal zwei Tage fortblieb. Das war nicht gut für unseren Seelenfrieden.
Ihr Verhältnis zu „echten“ Käfigen ist aber noch entspannt. Als der Käfig heute offen stand, weil George seinen Anti-Tollwut-Tag hatte und wir bei solchen Gelegenheiten langfristig planen müssen, sprang Marie munter in den Käfig rein und wieder raus. Als er dann erst einmal drin saß und sein Klagelied anstimmte, hatte sich Lenny schon lang verzogen und wart erst Stunden später wieder gesehen. Marie indes fand das alles ganz lustig und tobte weiter auf dem Käfig rum.
Sie ist schon ganz anders als die Anderen.