Da kann ich mich wirklich nicht beklagen: Was für eine Woche Kultur. Partizipiert von diesem Kulturrausch hat nicht nur meine Wenigkeit sondern auch Tori Amos, Jochen Malmsheimer und Steffen Möller.
Los ging es letzten Sonntag mit dem Konzertbesuch bei Tori Amos. Ich war ja vorher noch nie in der Hamburger Laeiszhalle gewesen und muss sagen, dass ich von den Hamburger Spielstätten oft mehr als positiv überrascht bin. Die Laeizhalle war letzten Sonntag verkehrstechnisch nicht so günstig zu erreichen, da man den Platz vor der Halle gesperrt hatte und aufwändige Straßensanierungsarbeiten durchführte. Was ich erwartet hatte, weiß ich nicht – aber als ich dann in den Gebäude war, an dem ich sicher schon hundertmal vorbeigefahren bin, war ich mehr als überrascht. Es war ein alter Theatersaal, ich hatte mehr an einen modernen Mehrzweck-Bau gedacht so kann man sich täuschen.
Wie schon die letzten beiden Male (was die Konzerte angeht, die ich besucht habe), konnte man Tori Amos nur gratulieren, was des Einheizers angeht. In Hamburg war es Foy Vance, von dem ich vorher noch nie gehörte hatte, aber der in der Branche wohl kein Newcomer ist und es mit zwei Stücken auf den Soundtrack einer bekannteren Fernsehserie geschafft hatte. Die Performance des Iren war eindrucksvoll, er riss den Saal mit und wurde nur ungern von der Bühne gelassen. Ich habe später in sein Album bei iTunes hineingehört und muss sagen, der Live-Auftritt war schon war etwas als seine CD, die ich mir nicht kaufen würde.
Nach dem Einheizen gab es eine kleine Pause, nachdem sich der Saal auch fast zur Gänze füllte. Der erfahrene Hamburger Konzertbesucher kalkuliert die Vorgruppe mit ein und erscheint erst gegen neun Uhr. Wir kleinen Lichter aus der Provinz indes konnten uns noch an dem anderen Auftritt erfreuen, zeigten damit aber natürlich die Abwesenheit jeglicher Metropol-Gewohnheiten.
Tori Amos kam als Diva auf die Bühne, nach auf ihrem Klaviersessel Platz und spielte auf ihren zwei Tasten-Instrumenten. Viel gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen, denn sie spielte Lieder aus dem gesamten Repertoire, so dass sich sowohl alte wie auch neue Fans wohl fühlen konnten. Begleitet wurde sie von einem Bassisten, der später auch noch andere Saiten-Instrumente übernahm, und einem Drummer. Einmal verließen die beiden Begleiter für fünfzehn Minuten die Bühne, da war Tori Amos ganz solo, danach ging die Show weiter. Routiniert, wo würde ich es nennen. Eine persönliche Ansprache an das Publikum gab es, mit Ausnahme von der Be- und Endgrüßung, nicht. Sie spielte ihre Lieder und hatte dabei sichtlich Spaß. Routiniert ist also keinesfalls abwertend gemeint, aber persönlich war dabei nichts.
In der Reihe vor uns saßen die Hardcore-Fans, und wir saßen in Reihe zwei. Die wippten mit den Köpfen, was das Zeug hielt, man war schon versucht, sich Gedanken über das in der Gehirnflüssigkeit schwappende Hirn zu machen. Dann gab es noch die Schlagzeuger mit den virtuellen Instrumenten, die sich verausgabten. Ich war die ganze Zeit am überlegen, wann denn die Zappelphilippe endlich aufspringen würden. Beim drittletzten Stück war es dann soweit – der Saal stand, wieder übrigens, denn, was ich auch nicht oft erlebt habe, Tori Amos wurde mit stehenden Ovationen begrüßt. Da sage mal jemand, die Nordlichter seien nicht herzlich.
Während der Zugabe wurde in dem kleinen Raum vor der Bühne getanzt und geklatscht, was das Zeug hielt. Es war schön, sich gut unterhalten gefühlt zu haben, Tori Amos und ihre Hardcore-Fans haben ihr Bestes gegeben.
Dienstag ging es dann zu Jochen Malmsheimer, den ich noch aus seiner gemeinsamen Zeit mit Frank Goosen und Tresenlesen schätze. Jetzt also solo. Wobei »jetzt« natürlich ein wenig komisch anmutet, ist der Herr doch schon seit Jahren solo unterwegs. Aber nun erst ist er wieder auf meinem Radar aufgetaucht. Mit ihm aufgetaucht ist übrigens auch das »Metro im Schlosshof« (früher schlicht »Metro«). Wo da nun ein Schlosshof ist, hat sich mir nicht ganz erschlossen. Anfang der Neunziger war ich mal in diesem Kino, »Kindergarten-Cop« kam damals, ja, lang, lang ist’s her. Mittlerweile ist Schwarzenegger Gouverneur und versucht in Kalifornien Feuer zu löschen, das Metro war zu und wieder auf. Nun ist’s aber wirklich schön und man bringt nicht nur Kino sondern auch Kleinkunst.
Der Saal war vielleicht zur Hälfte gefüllt, was mir ein wenig Leid tat, aber Malmsheimer spielte sein Programm »Ich bin kein Tag für eine Nacht…«. Jaaaa … toll! Mehr gibt es nicht zu sagen. Malmsheimer ist ein Sprachakrobat der höchsten Güteklasse, und es tut mir für diejenigen leid, die das Programm nur auf der CD erfahren können. Denn seine Mimik und sein Körper leiden das Programm mit. Natürlich gibt es auch eine Erklärung, für diesen merkwürdigen Titel, aber die Lösung soll jeder selbst erfahren – dafür gibt es ja CDs.
Aus dem »Metro« ging ich mit der Information, dass am Sonnabend auch noch Steffen Möller auftreten würde. Dieser war mir nun wieder ein Begriff, denn im letzten oder vorletzten Jahr hatte ich sein Buch »Viva Polonia« an einem Tag und einer Nacht auf einer Dienstreise nach Osnabrück verschlungen. Ich fand es witzig und lehrreich, und mir kam der Gedanke, dass es vielleicht keine schlechte Idee wäre, es sich noch mal nach so langer Zeit vorlesen zu lassen. Gesagt, getan. Interessiert nahmen wir zur Kenntnis, dass der Saal ausverkauft war und der Monsieur, der uns als Vertreter des Metro begrüßte (wieder das Metro, die erobern sich einen Platz in meinem Herzen), erklärte uns, dass er sich freue, dass auch die Zusatzveranstaltung in Kiel wieder ausverkauft wäre. Das kann ich mir gut vorstellen, das war sicher auch für Steffen Möller schön. Was mich nun wunderte, war, dass der Schriftsteller und Schauspieler ganz ohne Buch auf die Bühne kam und anfing zu plaudern. Moment, das war ja gar keine Lesung. Wir waren hereingelegt worden, aber auf die schönste und beste Art und Weise, die man sich vorstellen kann: Es war ja viel besser. Das Programm war als Kabarett-Programm mit anschließendem Buchverkauf angelegt.
Dabei kamen auch Sprachübungen nicht zu kurz, was aber nicht so schwierig war. Das wiederum lag weniger an dem sich gut belehrbar zeigendem deutschen Publikum, sondern an der stattlichen Anzahl von native speakern, die im Publikum saßen und mit Freude mitmachten, polnisch kommentierten und dafür mit speziellen polnischen Bemerkungen belohnt wurden. Die polnische Sprache spielte eine große Rolle in dem Programm von Möller, aber es wurde auch ausführlich auf den Weg eines Deutschen nach Polen eingegangen, auf polnische Betrachtungsweisen, Aberglauben und Humor. So blöd es klingt, aber besser als Möller kann man Völkerverständigung gar nicht betreiben. Er sprach immer davon »… und wenn Sie jetzt gleich nach Krakau unterwegs sind.«, was natürlich witzig gemeint war, aber zumindest in mir wieder Neugierde auf das Land geweckt hat.
Wer immer die Gelegenheit hat, die beiden Kabarettisten zu sehen – er sollte es tun. Auf keinen Fall sich einer Entweder-Oder-Entscheidung unterziehen. Der offizielle Besuchsbefehl gilt für beide Künstler. (Warum wird Tori Amos jetzt nicht erwähnt: Nun ja, die Dame kommt erst wieder in ein, zwei Jahren nach Europa. Jetzt ist sie erst mal weg. Die beiden Herren gehören dagegen zum fahrenden Volk und sind überall in Deutschland anzutreffen. Die Webseiten von Jochen Malmsheimer und Steffen Möller geben darüber Auskunft.)