Wir waren gerade mit dem Essen fertig, da schickte sich George an, seine Mahlzeit einzunehmen. Er hatte sich für etwas Frisches entschieden, nur wusste er noch nicht genau, wie er es zubereiten wollte. Meist entscheidet er sich für blutig, ungekocht und ohne Soße – draußen gibt. Daran haben wir uns eigentlich gewöhnt, nur die Zubereitungszeit ließ etwas zu wünschen übrig. Der versteckten Aufforderung Susanns »Das kann ich nicht mit anschauen« folgte ich, und schickte mich an, dass Leben der Maus zu retten. Es sollte mich längere Zeit auf Trab halten.
Es fing recht vielversprechend an. Ich ging auf George zu, der immer noch einen gehörigen Respekt vor uns hatte und klatschte zweimal in die Hände. Dies Maus war kurz vergessen. Die Gelegenheit nutzte ich, griff die kleine schwarze Maus am Schwanz und warf sie in ein Gebüsch. Neben mir hörte ich nur *hops* und der Kater war im Gebüsch verschwunden. Nach drei, vier Sekunden Geraschel hörte man es Fiepsen, und das war nicht die Katze, denn die hatte das Maul voll und trabte davon. Schaffte die Maus direkt zu Luna, die in einer anderen Ecke saß. Gemeinsam schauten sie sich die Maus an.
Zweiter Versuch. Ich ging auf die beiden Raubtiere zu. Während sich Luna davon wenig beeindrucken ließ, zog George erst einmal von dannen. Die Zeit hatte die Maus genutzt und sich in ein benachbartes Gebüsch verzogen. Vor dem dann Luna saß. Wir wähnten die Maus sicher, täuschten uns aber. George kam zurück und nahm wieder Witterung auf. Im Gegensatz zu Luna, die geduldig vor einer Seite des Gebüsch saß, praktizierte der Jung-Kater das Prinzip »Auf dem Busch hauen«. Keinen gute taktische Stunde hatte wohl die Maus erwischt, denn sie war der Meinung, ihre Chance läge in der Flucht. Eine Fehlentscheidung, denn kurze Zeit später befand sie sich im Maul und wurde ums Haus getragen.
Dort legte sie der Kater an einem Apfelbaum ab und legte sich auf die Lauer. Da die Maus mittlerweile zu der Einschätzung gekommen war, dass es eine gute Idee wäre, sich ruhig zu verhalten, verlegte der Kater sich darauf, durch leichte Schläge auf den Mauskörper zumindest Töne zu provozieren. Die bekam er. So eine Maus kann schon ganz schön laut sein. Aber bewegen tat sie sich nicht. Also nahm er sie wieder in den Mund und schaffte vom Grünen auf die Steinplatten, in der Hoffnung, dort besser operieren zu können. In der Tat war die Maus dort wesentlich agiler. Sie wurde von a nach b getrieben. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass die Maus eine Nahrungsergänzung für den Kater darstellen würde. Da stand aber die Katzen- und Mausliebhaberin Susann im Durchgang und meinte nur wieder: »Das kann ich nicht mit anschauen.« Keine große Hilfe, aber mit der Zeit hatte ich es geschafft, die Katzen auf Distanz zu halten und der Maus die Gelegenheit gegeben, sich in einem Grasloch zu verstecken, an das die Katzen so ohne weiteres nicht herankamen.
Nun saßen Luna, George und meine Wenigkeit um die Maus herum. Jeder beäugte den anderen sehr ausführlich. Ich nutzte die Gelegenheit, George davon zu überzeugen, dass Anfassen in der freien Natur kein Beinbruch wäre. Er ließ sich streicheln, was wir auch noch nie hatten. Der Preis wäre auch zu groß gewesen. Ermutigt von diesen positiven Zeichen übergab ich die Maus in die Obhut von Luna (ich weiß, dass ist ungefähr das Gleiche, wie einem Bären die Aufsicht über ein Honiggeschäft zu überlassen, aber hatte ich eine Wahl?), nahm den Kater auf und trug ihn Richtung Wohnung. Es war ein Drei-Phasen-Weg: Die erste Phase war schierer Unglaube beim Kater, geäußert durch ein vernehmliches Miauen. Wir waren fast um das Haus herum, da machte der Kater seinen Unwillen verschärft deutlich: Fauchen. Kurz vor Terrasse und dem endgültigen Abliefern waren meine Hände und meine Unterarme ziemlich zerkratzt und bluteten. Der Kater war auf dem Weg zu der Maus. Diesmal andersherum.
Nun kam Susann und nahm Luna, die die Maus auf ihre Weise gehütet hatte, mit in die Wohnung. Diese Aktion verlief etwas unblutiger ab. Eine Maus von ihrem Besten zu überzeugen, ist auch nicht ganz leicht. Wir wollten sie weit wegschaffen, aber das gelang uns nicht ganz. Immerhin verschwand sie in die Hecke. George musste vom Ort des Verbrechens weggelockt werden und dann kamen wir mit unserer Ablenkungstaktik »Leckerli«, die ihn letztlich in die Wohnung brachte.
Susann hatte heute neue kleine Stoffmäuse mitgebraucht und diese mit so einem speziellen Katzen-geil-mach-Spray versorgt, so dass George die nächste Zeit damit beschäftigt war, diese Mäuse-Attrappen zu jagen, die zwar nicht so lecker schmeckten, nicht fiepten, dafür aber sexy rochen, zu jagen und durch die Wohnung zu treiben.
Ich bin dabei, Wunden zu lecken.