Gerade noch habe ich darüber sinniert, wie es mit der Selbstjustiz ist und was ich von dieser halte, aber ich muss gestehen, dass ich nicht umhin kam, den letzten Roman von Lee Child zu lesen. Hat man erst einmal einen gelesen, kommt man so leicht von den Geschichten nicht mehr los. Mir geht es zumindest so, dass ich zum Ende des Buches einige Augen zudrücken muss, um es zu überstehen.
Diese Geschichte ist gerade zu prädestiniert für die Art von Selbstjustiz, die Lee Child seinem Helden Jack Reacher in die Hände legt. Es beginnt mit einer Begegnung auf der Straße. Reacher glaubt einen alten Klienten wiederzuerkennen, einen Mann, von dem er sich mehr als wünschte, dass er tot sei. Warum, erfährt der Leser nicht sofort, sondern Child erzählt in einer Art Geschichte in der Geschichte nach und nach, wie es zu diesem Wunsch in Reacher kam.
Reacher, Freigeist und Globetrotter, kann nicht anders, als sich zu erkundigen, wem das Auto gehört, in dass sein Gespenst eingestiegen war. Kurz darauf bekommt er Besuch von FBI. Diese Herrschaften konnte der alte Militärpolizist Reacher 6 Meilen gegen den Wind riechen. Zumal FBI-Agenten in Romanen gewisse Angewohnheiten haben, an denen man sie auch als Leser sofort erkennt. Die förderalen Polizisten geben Reacher zu verstehen, dass auf dem Autokennzeichen in Trigger lag, der jedes Interesse an dem Fahrzeughalter an die Polizisten weitermeldete. Und nun würden sie sich fragen, was denn für ein Interesse Reacher an dem Besitzer hätte.
Reacher erzählt irgendeine Geschichte und erfährt, dass das FBI eine Agentin in den Haushalt des Halters eingeschleust hatte, da sie vermuteten, dass der Haushaltsvorstand sein Geld damit verdienen würde, dass er mit Drogen dealt. Leider sei der Kontakt zu der Agentin vor einiger Zeit abgebrochen und man würde das Schlimmste befürchten. Sie könnten Reacher nicht dazu zwingen, seine Kräfte in den Dienst des FBI zu stellen, aber nett wäre es schon.
Der Schönheitsfehler an der Operation ist folgender: Die Agentin dürfte gar nicht in dem Haushalt sein, da die Aktion nicht legitimiert worden war und nicht mit Recht und Gesetz zu vereinbaren war. Würde es ein Erfolg werden, so dachte sich die Gruppe, kräht danach kein Hahn mehr. Dies sah natürlich ganz anders aus, wenn die Operation fehlschlug. Und 50% des Fehlschlags hatte man schon erreicht, denn die Agentin wurde von den Kollegin schon als Verlust abgeschrieben. Reacher ließ sich auf eine gefährliche, gänzlich illegale Aktion des FBI ein und sollte auf sich selbst gestellt sein, falls irgendetwas schief ging. Unter den Voraussetzungen geht man doch gern unkalkulierbare Risiken ein.
Natürlich wurde alles bis ins letzte Detail geplant: Es wird ein Überfall auf den Sohn des Haushaltsvorstandes, den man verdächtigte, sein Geld mit Drogen zu verdienen, inszeniert. Reacher spielte dabei die Rolle des Retters. Er wehrt sich mit Kräften dagegen, lässt sich aber überreden, den jungen Mann zurück nach Hause zu fahren, wo er mehr oder weniger herzlich begrüßt wird. Dass er mit Waffen umgehen kann, hatte er im Laufe des Überfalls (vermeindlich) bewiesen. Da eine Operation anstand, freute man sich über die zusätzliche Kraft.
Reacher ist die folgende Zeit damit beschäftigt, den Fallstricken auszuweichen, die eine Vorgeschichte wie die seine mit sich bringt. Man merkt schnell, dass in solch krimineller Umgebung mit Vertrauen gegeizt wird und jedes Fitzelchen von Reachers Geschichte wurde von der Security des Haushaltsvorstandes auseinandergenommen.
Was ist das Resultat einer solchen Überprüfung: Man sitzt als Leser über dem Buch und blättert mit feuchten Finger Seite um Seite weiter, wohl wissend, dass es nur einen Gewinner geben kann: Jack Reacher. Eine andere Variante darf man von einem Roman Childs nicht erlauben. Wenn jemand seinen Job gut erledigt, wie in diesem Fall Child und Reacher, so ist das aber legitim und man nimmt es hin. Es gibt auch andere Schriftsteller, die nur Gewinner hinterlassen: Man denke an Dick Francis.