Ich glaube, ich habe das Rätsel gelöst. Zu meinen Eigenheiten gehört es, dass ich Dienstleistern gern die dienstliche Telefonnummer gebe, damit ich zu Hause meine Ruhe habe. So habe ich im trauten Heim meine Ruhe vor nervigen Vertretern. Folge ist natürlich, dass sie probieren, mich in der Firma zu erreichen. Auch nicht so leicht. Besonders dann, wenn die Technik im eigenen Hause Tücken hat.
Die Leutchen rufen mit automatischen Geräten an. Offenbar wählt ein Apparat die potentiellen Interessenten an und wenn einer abnimmt, wird zu einem Telefon-Berater durchgestellt. Das ging in den letzten beiden Tagen wohl schief, und ich hörte nach einer Weile nur ein Besetzt-Zeichen. Gestern kam er dann durch, der Vertreter, und umgarnte mich. War es mir letzte Woche noch gelungen, der Marketing-Attacke innerhalb kürzester Zeit auszuweichen (»Unentschlossenheit, ich kann mich nicht am Telefon entscheiden.«), ich mich aber nicht gegen die angekündigte wiederholte Anruf-Attacke wehrte (Kraftlosigkeit), war es diese Woche schon sehr viel schwieriger. Er ahnte wohl, dass dies der zweite Versuch war, und wenn er es ungeschickt anstellen würde, auch der letzte Versuch. Ich redete mich raus, dass ich den unterstellten »Pessimismus« des angebotenen Versicherungsproduktes nicht verstehen würde und auch nicht unterstützen würde (»Deutschland braucht mehr Optimismus.«). Er fragte zurück, warum ich denn so pessimistisch sei – da merkte ich, dass er es nicht verstanden hatte und versuchte zu erklären, dass die Versicherung doch von einem sehr pessimistischen Aspekt ausgehe. Es gehe ja auch darum, die Hinterbliebenen zu schützen. Ach Gott, konnte ich nur sagen, daran wage ich gar nicht zu denken.
Das Gespräch verlief im Sande, für ihn – gut für mich. Ich fragte ihn in eine Pause hinein, ob die Anrufe automatisch vorkämen, und so lenkte ich das Gespräch in technische Bahnen. Da fühl ich mich auch viel wohler. Nun: Die Anlage sollte mal überprüft werden, denn die steten Anrufe hätte mich schon zur Annahme verleitet, ich hätte irgendwelche Verehrer, Stalker, die sich mir telefonisch nähern wollte, und wieder die angenehme Stimme hören wollte: »Hahn, alfa in Kiel, Schönen guten Tag.« Er beendete das Gespräch.