Typische Situation: irgendwas Neues sollte es sein. Das, was ich kannte, genügte mir nicht. Ich war bereit für neue Entdeckungen. Da konnte man die örtliche Buchhändlerin mal testen. Ganz vorsichtig war ich, ließ mich diesmal auf keinerlei Hardcover-Experimente ein und so blieb ich bei einem recht dünnen Taschenbuch hängen, dessen Autor mir nicht das Geringste sagte: Friedrich Ani. Ich wusste nicht, was ich von dem Buchrückentext halten sollte. Dort wurde zum einen gesagt, dass es ein Krimi sei, mit Mord aber nichts am Hut hätte. Dann wurde erwähnt, dass Ani von seinen Fans verehrt werden würde. Tja, und dann war da noch der Hinweis, dass Ani eine ernsthafte Alternative zu Henning Mankell wäre: ich habe nichts gegen Mankell, aber ich muss ihn nicht noch in einem deutschen Autor haben. Wenn ich Mankell lesen möchte, dann greife ich mir einen.
Die ersten Seiten waren sehr mühsam und dann, nach und nach, wurde ich von der Welt, die mir geschildert wurde, gefangen genommen. Die Geschichte die ich gelesen habe, drehte sich um Tabor Süden – Polizist in einem Münchner Vermisstenderzernt, ein Mann, der von sich sagen muss, dass er Vermisste sucht, aber nicht in der Lage ist, seinen eigenen Vater zu finden. Tabor Süden ist für mich eine zerrissene Persönlichkeit: arbeitet bei der Polizei, ist aber nicht zu Teamarbeit fähig. Es gibt viele literarische Helden, die ähnlich gestrickt sind, aber keiner kam mir so glaubwürdig vor. Tabor Süden hat eine Freundin, aber die auch mehr oder weniger in Teilzeit, weil sie sich nicht ständig ertragen können.
Mit dieser Freundin, seine Kollegin Sonja Feyerabend, war er unterwegs zu einer Anzeigenden. Die hatte der Polizei gemeldet, dass ihr Bruder vermisst würde. Die Erklärung hierfür klang etwas eigenartig: sie hätte Geburtstag und ihr Bruder hätte sich noch nicht gemeldet. Das wäre ein todsicheres Indiz dafür, dass etwas passiert sein müsste.
Der Argumentation können sich die Polizisten nicht anschließen: hierzulande kann jeder machen, was er will. Auch verschwinden. Nur im Falle von Minderjährigen macht sich die Polizei die Mühe, sofort nachzugehen. In allen anderen Fällen wartet die Polizei eine gewisse Zeit, bevor sie mit den Ermittlungen begann.
In diesem Fall war alles anders gelagert: Sonja Feyerabend sah, dass die Frau ein Alkoholproblem hatte und glaube ihr nicht. Sie wollte den Fall so schnell wie als möglich zu den Akten legen. Tabor Süden sah nicht mehr als seine Kollegin, aber er fühlte etwas und dieses Gefühl in der Magengegend sagte ihm, dass man dem Fall nachgehen sollte. Zusammen mit der Schwester machte er sich auf, die Wohnung des Vermissten Johann Farak zu besuchen. Der Vermisste war 41 Jahre alt, bezeichnete sich als Künstler. Große Erfolge feierte er nicht, betrachtete man sich das Leben des Verschwundenen, dann konnte man annehmen, dass er resigniert hat.
Die Wohnung war verlassen, die Spuren die Farak hinterlassen hatte, ließen nicht darauf schließen, wohin sich der Mann hinbegegeben hatte. Die Nachbarn konnten nicht viel Farak erzählen. Man hörte aus dem Erzählten, was sie von ihm hielten: nichts, er sei jemand gewesen (die Leute reden dann auch unwillkürlich in der Vergangenheitsform), der sich für einen Künstler hielt, aber nichts hervorbrachte. Keine schöne Einschätzung, aber eine, an die sich Tabor Süden halten musste.
Im Treppenhaus begegnete dem Hauptkommissar ein junges Mädchen, das vor der Tür von Johann Farak wartete. Sie war nicht bereit, über sich etwas zu sagen. Sie verriet nur soviel, dass sie mit Farak befreundet war. Süden ist verwirrt. Um dahinterzukommen, was Farak vertrieb, musste er sich in dessen Leben einmischen. Die Zeit nimmt sich der Polizist.
Wie eingangs erwähnt, klingt es absolut unspektakulär, wie es ist. Friedrich Ani hat mich durch seine Erzählweise fasziniert. Ich hatte das Buch ausgelesen, machte mich auf den Weg zur nächsten Buchhandlung und holte mir Nachschub. Ein Dank an die Buchhändlerin.