Gestern hatten wir noch 27° Celsius und waren mit dem rechtzeitigen Auftragen von Sonnencreme beschäftigt. In der Nacht kam dann der Regen und es gab durch die umschließenden Berge verstärkten Donner. Lange hatte es nicht geregnet, aber am Morgen waren es nur noch 13°, was einem frisch vorkam. Schlimmer war jedoch, dass der Himmel bedeckt war und die Wolken tief hangen. Unser Mushroom Rock war noch zu sehen, aber die etwas höheren Berge dahinter, waren schon eingedeckt durch Schleier.
Das war nicht der Plan gewesen. Nach dem Frühstück wollten wir aufbrechen in die Drakensberge. Der Weg führte uns durch Golden Gate und kurz dahinter, sollte es es zum Drakensberg Amphitheatre gehen. Während das Wetter in Golden Gate nur ungemütlich war und die Temperaturen stetig sanken, wurde es auf dem Weg in die Drakensberge neblig und ungemütlich.
Wir fuhren eine halbe Ewigkeit durch einen Ort namens Phuthaditjhaba. Die ganze Stadt war auf den Beinen, die Bewohner in Decken gehülllt, weil es so kalt war, vereinzelt sah man Frauen, die in Bademänteln gingen. Uns kam auch ein Reiter entgegen, der sich eine Skimaske über den Kopf gezogen hatte, und ein wenig wie Zorro aussah. Auf einem anderen Wagen saß ein Mann, der sich auch eine solche Maske übergestülpt hatte und je nachdem, in welchem Film das Kopfkino gerade unterwegs war, dachte man dann an ein Entführungsopfer und in Hinblick an die langen Schlangen, die wir vor Geldautomaten sehen, an einen Banküberfall.
In der Mitte von Phuthaditjhaba gibt es das Nelson-Mandela-Einkaufszentrum. Das sorgte bei uns für ein wenig Stirnrunzeln. Schließlich ist ein Einkaufszentrum eine eher profanere Einrichtung, die nicht unbedingt den Namen des bedeutendsten Politikers, den das Land jemals gehabt hat, tragen sollte. Wir waren schon ganz gespannt, was uns dort erwarten würde.
Für uns ging es weiter zum Sintinel Hike. An der Zufahrt stand ein Häuschen mit einem Wärter. Mit einer gewissen Skepsis schauten wir in die Umgebung, unsicher, ob wir wirklich dort hoch fahren sollten, wenn man denn von der Umgebung nichts sehen würde. »Lohnt es sich, hoch zu fahren«, fragten wir den Mann. Die Antwort war eines Orakels würdig: »Andere sind auch schon hochgefahren.« Wir schauten uns an und dachten uns, dass das zwar nicht die Antwort auf unsere Frage war, aber wenn andere schon hochgefahren sind.
Es war ein wirklich schöner Weg nach oben. Ich meine damit nicht die Umgebung, denn von der sah man nicht so viel. Aber es war ein sehr kleinteilig gepflasterter Weg, so wie man bei uns Gartenwege pflastern würde. Wir waren uns einig, dass das eine wirklich aufwändige Arbeit gewesen war. Das hätte man nur noch aufwerten können, in dem man Ornamente eingearbeitet hätte. Da wir ahnten, wie schön es sein müsse, waren wir noch voller Hoffnung.
Der Weg teilte sich und die Hoffnung erlag einem Schlaganfall. Nach links führte der Weg zu einem Hotel und war weiterhin so schön. Der rechte Weg, den wir nehmen sollten, sah mehr als abenteuerlich aus. An einem schönen Tag, wäre ich ihn auch ohne zu zögern gefahren. Aber so feucht wie es war, nur noch Nebel kamen leichte Zweifel auf. Hinter Wagen 2 fuhr ein Einheimischer und der gab die Empfehlung ab, nicht weiterzufahren, denn das würde sich nicht lohnen.
Ein wenig irritiert waren wir jedoch, weil den Weg Minibusse hochfuhren. Das sind die Alltagstransportmittel der Einheimischen und die machen nicht den Einruck 4×4-fähig zu sein. Sie, und nie passte das Wort besser, huschten an uns vorbei. Wie sie es machten, ist mir rätselhaft; genauso wohin sie fuhren. Wir leiteten die Operation Rückzug ein und fuhren zurück nach Phuthaditjhaba, ein Ortsname übrigens, der mich die Erfindung der Zwischenablage preisen lässt.
Henrik wollte unbedingt mal in das Nelson-Mandela-Einkaufszentrum, was wir ohne Probleme fanden. Ein endloser Strom von Fahrzeugen, zum Großteil Minibusse, ergoss sich über den Parkplatz. Die meisten setzten wohl nur jemanden ab und fuhren dann weiter, denn so groß war der Parkplatz nicht. Es hatte eine U-Form und es reihte sich ein Laden an den anderen. Schön war es nicht.
Wir fanden unseren Parkplatz, machten uns auf den Weg, als vor uns ein Minibus hielt und der Fahrer auf uns einredete. Englisch war es nicht. Es klang euphorisch, der Grund blieb schleierhaft. Aber wollte unbedingt jemanden die Hand geben, also begrüßte ich ihn und gab ihm noch mit auf den Weg, dass wir aus Deutschland wären. Entweder hielt er uns im Anschluss für total bescheuert oder wir haben ihm ein wenig den Tag verschönert.
Der größte Teil der Gruppe bekam von Henrik einen Toiletten-Aufenthalt spendiert. Da ich bei öffentlichen Toiletten schon in Deutschland sehr skeptisch bin und mich gut zurückhalten kann, kann ich nicht aus erster Hand berichten, wie es gewesen war. Aber nachdem, was mir zu Ohren kam, konnte man die Kabinen nicht abschließen oder sie wurden von den temporären Mietern nicht verschlossen, so dass man mit dem Eintreten erkannte, dass da noch jemand saß. Eine ziemlich entzückende Vorstellung.
Draußen gab es aber auch allerhand zu sehen in der Zeit, zum Bespiel einen offenen Pritschenwagen der forensischen Pathologie von Freestate. An diesem Tag gab es jede Menge Kopfkino für uns und das alles gratis.
Natürlich kauften wir auch eine Kleinigkeit ein. Ich stellte dabei fest, dass die Menschen immer freundlich sind. Sie schauen einen manchmal ein wenig scheu an, wenn man sie dann anlächelt, kommt aber in den allermeisten Fälle ein strahlendes Lächeln oder Nicken zurück. Mit einem Camcorder eckt man natürlich auch häufig an, so hatte ich alsbald einen Security-Menschen neben mir, der aber nicht sagte, dass ich Filmen möchte, sondern sich erst erkundigte, wie es mir denn ginge und was ich denn so machen würde, bevor er damit herausrückte, dass Aufnahmen nicht erlaubt wären. Ich frage mich immer, was so schlimm ist, in Supermärkten zu filmen und warum sie es nicht mögen. Schließlich drehe ich keinen Dokumentarfilm darüber, das kleine Frauen nicht an die Keks-Tüten kommen, die sie gern haben möchten (da konnte ich noch aushelfen), sondern finde es viel interessanter, dass in nicht erreichbarer Höhe über dem Obststand eine ganze Reihe von Kinder-Plastik-Motorrädern stand. Das musste der absolut letzte Schrei in Freestate sein. Aber der Wunsch des Security-Menschen war mir natürlich Befehl, schließlich standen wir auch schon an der Kasse.
Wir verließen Phuthaditjhaba und fuhren erst in Richtung Harrismith, später nach Bergville. Es gibt auf dem Weg dahin einen sehr großen Stausee und die Möglichkeit, an einem Aussichtspunkt diesen zu begutachten. Bei schönem Wetter gibt es sicher tolle Fotos, heute hatten wir dann nur nette Fotos damit machen können. Bemerkenswerter war jedoch, dass sich ein Mann auf dem Platz niedergelassen hatte, der kleine bemalte Steinfiguren verkaufte. Greta wünschte sich ein kleines Zebra und sorgte damit dafür, dass der Mann an diesem Tag zumindest ein wenig Umsatz verbuchte. Es ist schwer vorstellbar, dass bei dem Wetter und an diesem gewöhnlichen Wochentag, das Geschäft wirklich brummen würde.
Kurz darauf gab es einen kurzen Stopp an einem Halt namens Little Switzerland. Ich hatte gar nicht realisiert, in welcher Höhe wir waren, und deshalb erstaunt, als es plötzlich einen traumhaften Blick in eine Ebene gab, die wir uns im Anschluss runter arbeiteten. Die Uhr schlug dann ein Uhr und wir kehrte in einem kleinen Kaffee ein. In einer kleinen Hütte gab es leckere Sandwiches. Da Südafrikaner offenbar dem Wort »Kleinigkeiten« eine andere Bedeutung beimessen als wir, war es eine komplette Mahlzeit. Zu der dortigen Toilette sei noch vermerkt, dass ich von einem Pissoir aus noch nie einen schöneren Ausblick gehabt hatte.
Es ging weiter und wir fuhren, fuhren, fuhren. Immer geradeaus. Kaum hatte ich die Straße gelobt, verschlechterte sich deren Zustand. Die Autobahn war natürlich tadellos. Aber die Straße danach, gab uns schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Sie war mit Schlaglöchern durchsetzt. Dann kam plötzlich ein Schild, was uns den Weg zur Antbear Lodge wies. Laut unserem Navigationssystem hätten wir noch weiterfahren sollen, aber wir gingen davon aus, dass die Besitzer der Lodge beim Aufstellen solcher Schilder involviert sind und wüssten, welches der beste Weg ist. Das war zumindest die Annahme. Es folgte eine Schotter- und Sandpiste, die sich durch den Regen nicht wirklich schön fuhr. Ein Traum war das Herunterfahren, als das ABS nur noch stotterte und wir einmal so ins Rutschen gerieten, dass wir ein wenig quer standen. Die Straße war breit genug und der Verkehr bestand aus unseren beiden Wagen, so dass nichts weiter passierte.
An einer Kreuzung zwei Kilometer vor der Lodge, machten wir uns mit dem 4×4-Fähigkeiten unseres Wagens vertraut. Wagen 2 kam hinter uns mit einiger Rutscherei zum Stehen und wir machten uns nach kurzer Absprache (Lennard: »Wir fahren schon die ganze Zeit mit Vierradantrieb.«) auf den Weg zur letzten Etappe.
Wer diese Lodge mit einem kleinen Fahrzeug anfährt und wenn das Wetter schlecht ist, dann ist das wirklich kein Spaß.
Mittlerweile hatten wir 5 Grad und es stürmte. Ein wenig Regen war auch dabei. Die Zimmer sind sehr originell eingerichtet, viele Holzarbeiten. Die Besitzer haben viel Vertrauen in die Bewohner ihrer Umgebung, ihr Personal und letztlich auch in die Gäste. Die Zimmer können nicht abgeschlossen werden. Eine Verriegelung ist möglich, aber nur von innen. Wenn ich auf meine Tür schaue, dann sehe ich einen riesigen Spalt. Offenbar haben die meisten Zimmer auch keine Heizung, dafür gibt es einen offenen Kamin und jede Menge Feuerholz. Die Kombination aus »alles ist durchlässig« und »Heizungen sind was für Weicheier« lassen erahnen, dass es recht frisch in den Zimmer ist.
Auch im Haupthaus, wo wir unser Dinner einnahmen, war es kalt. Wir zogen die Jacken nicht aus und hängten uns zusätzliche Decken um. In Rekordzeit wurde das Abendbrot – was sehr lecker war – verputzt. Dann ging es mit einer Flasche Wein in die Zimmer zurück, wo wir das Feuer im Kamin in Gang hielten. Das war einerseits sehr romantisch, wie wir so im Sessel saßen, vor dem Feuer, an den Füßen oder über die Knie noch eine Decke, und in unseren Büchern lasen. Andererseits machte das Feuer den Raum nicht warm. Stattdessen roch irgendwann alles ein wenig verraucht, was für meinen Husten nicht so besonders nett war.
Ich verkroch mich ins Bett, las ein wenig, schrieb ein wenig und der Tag neigte sich dem Ende entgegen. Für morgen ist besseres Wetter versprochen, auch wärmer – worauf wir uns sehr freuen und hoffen, es zu erleben.