Mittlerweile wissen wir, wie wir die Piste zu der Lodge zu nehmen haben: Konsequentes ignorieren der Geschwindigkeitsbegrenzung von 40 km/h. Fährt man die Strecke mit 57 km/h, so wird man nicht nur weniger durchgerüttelt, man hat auch eine Menge Spaß dabei und es verkürzt die Fahrzeit erheblich. Folgt man dabei einem anderen Fahrzeug, hat man allerdings das Gefühl, man fährt durch einen kleinen Sandsturm. 

So schön die Lodge auch ist, der entscheidende Nachteil ist, dass sie für das geplante und vorgeschlagene Programm falsch liegt. Als Attraktion wird die Panorama-Route genannt, es ist allerdings ziemlich ungünstig, dass man für die Anfahrt zur ersten Attraktion schon über eine Stunde braucht. Ist man kurz vor Graskop und fährt wieder zurück, so benötigt man fast zwei Stunden. Da geht doch eine Menge Zeit nur für die An- und Abfahrt drauf. Will man die Panorama-Route abfahren, wäre es auf jeden Fall sinnvoll, eine Unterkunft in oder in der Nähe von Graskop zu haben. Es ist nicht so, dass es da nichts gäbe.

Vielleicht ist es dann auch möglich, die Panorama-Route an einem Tag abzufahren. Ich hege daran aber erhebliche Zweifel. Es liegt allerdings auch daran, dass wir die Punkte nicht in der typischen Reisebus-Manier anfahren, bei der man irgendwo anlandet, zwanzig Minuten Zeit für Fotos hat und dann geht es weiter.

Eine Gruppe von Deutschen trafen wir an einem Aussichtspunkt mit dem Namen Loewfeld an, unweit der »Three Rondawels«. Von hat man Teile der Aussicht von letzteren aus einem andere Blickwinkel und bekommt noch ein paar andere, sehr tiefe Ausblicke. Unten verläuft ein Fluss und eine der Damen meinte, man könne da runterfahren und vielleicht wäre dort ein Wasserfall. Ich will mich nichts als Wasserfall-Experten darstellen, aber meiner Erfahrung nach muss ich selten nach unten fahren, wo ein Flusslauf ruhig verläuft, um einen Wasserfall zu sehen. Da sieht man einen lauschigen Gebirgsfluss, der vermutlich woanders schon mal heruntergefallen ist – aber nicht viel mehr. Ich fragte deshalb:
»Was für ein Wasserfall?«
»Hier soll es Wasserfälle geben«, bekam ich als Antwort. Oha, eine gut vorbereitete Reisegruppe.
»Ja«, meinte ich und zeigte in die passende Richtung, »wenn man in die Richtung fährt, bekommt man Wasserfälle zu sehen. Drei Stück.«
Sie schauten mich an und dann meinte eine der Dame zum Rest der Gruppe:
»Dann will er uns die Wasserfälle wohl nicht zeigen.«
Wobei »er« wohl der Guide war. Die Herrschaften bedankten sich. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Wasserfälle zu sehen bekommen haben, ist nicht sehr hoch, denn wir trafen sie nicht erneut – und wir machten die Wasserfall-Tour.

Kraxelt man noch ein wenig an den Attraktionen herum – ich komme kurz auf die Zeit-Komponente zurück – dann vergeht auch bei einem »simplen« Wasserfall wie dem Lisbon Fall schon mal eine Stunde, bevor man weiterkommt. Dafür hat man aber eine Menge schöner Fotos in der Tasche und fühlt sich glücklich. Apropos »glücklich«. Da stand ich vor dem Berlin Fall, der in meinen Augen der weniger spektakuläre Wasserfall ist, und genoss den Ausblick. Greta stand neben mir und fragte:

»Bist Du jetzt glücklich?«

In der Nähe von Wasserfällen muss ich da nicht lang überlegen, die Antwort war recht leicht:
»Ja, bin ich. Aber ich bin schon die ganze Zeit glücklich.«
Ihr Papa kam hinzu und fragte:
»Greta, und bist Du glücklich?«
Kurzes überlegen von Seiten Greta:

»Jaaaaaa.«
Wasserfälle machen halt einfach glücklich, Südafrika-Urlaube sowieso.

Nachdem Lisbon Fall waren war es schon ein Uhr und wir fuhren nach Graskop hinein, um dort eine kleine Kleinigkeit zum Mittag zu nehmen. Wir fielen in ein Pancake-Restaurant ein, welches sich nicht nur als das Original-Pancake-Restaurant bezeichnete (weil es daneben noch eines gab), sondern welches auch die »echte« Schwarzwälder-Kirsch-Torte anbot. Natürlich auch als Original. Da bekanntermaßen die Schwarzwälder-Kirsch-Torte in Südafrika erfunden wurde, bevor sie von den Deutschen geklaut wurde. In dem Restaurant waren wir umzingelt von Deutschen, aber das war man an den Attraktionen auch – das kam also nicht ganz überraschend. Die Pancakes und Wrapes waren sehr schmackhaft und ausreichend als kleines Mittagessen. Das Sandwich von Lenhard sah ein wenig lütt aus.

Es gab noch eine Schnickschnack-Attacke auf die Souvenir-Läden, bei denen die Damen die gewünschte Beute machten. Dann versorgten wir uns noch mit ein wenig Geld, denn wir haben noch den Flughafen-Transfer mit Henry zu bezahlen (auch wenn die beste Ehefrau der Welt sich in erster Linie Gedanken um das Trinkgeld für Henry machte, kamen wir zu dem Schluss, dass er sich weniger über den Bonus freuen würde sondern vielmehr über die reguläre Bezahlung).

Nächstes Zeil war die God’s-Window-Schleife der Panorama-Route. Wir hielten zuerst am Pinnacle. Ich habe keine Erinnerung, dass wir das letzte Mal auch gehalten haben. Es handelt sich dabei um einen Fels, der etwas einsam herumsteht und man fragt sich, wie das gekommen ist. Die Kinder fragten sich das nicht, sondern die fragten sich, ob man den mit Steinen so weit werfen könnte, dass man diesen Fels trifft. Immerhin gab es darauf eine Antwort: Bei ausreichenden Versuchen und den entsprechenden Fähigkeiten ist es durchaus machbar. Sollte es Grüppchen gegeben haben, die dort unten um den Fels herumgewandert sind, so dürften die deutlich weniger Freude gehabt haben.

Beim Herumwandern an der Aussichtsplattform hörte ich ein Geräusch, dass mir wohlvertraut ist und welches – ich erwähnte es oben schon – Glücksgefühle auslöst. Es konnte nur ein Wasserfall sein. Er war nur von der Seite zu sehen und mehr schlecht als recht. Ich wanderte in die Richtung. Aus der Ferne sah der Zufluss wie eine bessere Pfütze aus. Schilder sprachen die Empfehlung aus, sich dem Abgrund nicht zu nähern. Hier konnte man jedoch, weiter um die Schlucht herumwandern und hatte dann von der anderen Seite einen schönen Blick sowohl auf den Wasserfall – der beim Fallen eine sehr gute Figur machte – wie auch auf den Pinnacle.

In der Schleife muss man nicht allzu weit fahren, um die nächste Attraktion zu erleben. In der Mitte liegt God’s Window. Es geht nur ein paar Schritte hoch und schon hat man aus einer kleinen Schlucht heraus den Blick in auf den Regenwald und dann in die Ferne. Als ich davon das erste Mal hörte, hatte ich mir etwas anderes darunter vorgestellt und war enttäuscht, als ich es sah. Diesmal war ich gewappnet und konnte mich daran erfreuen, das Wetter spielte diesmal allerdings auch nur bedingt mit – es war recht diesig.

An dem Haltepunkt wird neben »The God’s Window« auch »The Rain Forrest« angeboten. Die Treppen dort hoch sahen nicht sehr attraktiv aus, was keine qualitative Wertung darstellen soll, sondern mich störte ein wenig die Quantität und mein mangelndes Wissen darüber, was mich denn oben erwartet. Nachdem aber alle dort hochmarschiert waren und ich das Gottesfenster aus allen Blickwinkel betrachtet hatte, machte ich mich auch an den Aufmarsch. Die Treppen war noch das kleinere Problem und man hat von der »Zwischenetage« schon einen schönen Ausblick. Dann gab es noch einen langen, stetigen Anstieg und um es richtig spannend zu machen, hatten die Gestalter des Pfades darauf verzichtet, mit Entfernungsangaben zu arbeiten.

Eine solche bekam ich von Greta, die schon auf dem Rückweg war und mir sagte, dass es noch fünfhundert Meter wären und entschwand. Fünfhundert Meter können, wenn sie immer weiter nach oben gehen, ziemlich lang sein. Einen kurzen Moment erwog ich, das ungewisse Experiment abzubrechen. Aber was soll’s, am letzten Urlaubstag einer Herzattacke zu erliegen, nachdem man durch Gottes Fenster geschaut hat, wäre wohl auch nicht der schlechteste Tod.

Ich kann mit Freude berichten, dass ich mich diesem Zustand nicht weiter näherte. Das lag vor allem daran, dass der Anstieg stoppte und über einen hübschen Regenwald-Pfad führte. Zum anderen waren die von Greta angegebenen fünfhundert Meter nicht zutreffend. Der Ausblick war in der Tat atemberaubend und die kleinen Strapazen hatten sich gelohnt.

Auf dem Abstieg hatte ich ein kleines Palaver mit vier Schwarzen, die mich gefragt hatten, ob sich die »Übung« meiner Meinung nach gelohnt hätte. Ich antwortete ihnen, dass das durchaus der Fall gewesen wäre, ich dafür aber nicht vorbereitet gewesen wäre. Sie lachten, meinten es würde ihnen ähnlich gehen und wir fingen an, uns unsere Beschwerden aufzuzählen. War wirklich sehr lustig.

Die letzte Attraktion war dann »Wonderview«. Ich will nichts sagen, aber es war schon ein wenig frustrierend, dass man dort die nahezu gleiche Aussicht bekam wie bei der »Rain Forrest«, nur dass man dort mit dem Auto hinfahren konnte und dann ein paar Schritte nach unten ging. Die beste Ehefrau der Welt, die sich der Regenwald-Ansicht von oben verweigert hatte, kam hier also in den Genuss der Aussicht ohne große Mühen – Hauptgewinn!

Danach ging es auf den Heimweg, wir fuhren die Route ein weiteres Mal ab.