Irgendwer musste genascht haben. Wir waren es nicht. Aber irgendwer hat genascht. Es gab einen Beweis. Eine Bande von Ameisen war, als wir von unserer Orientierungstour zurückkamen, damit beschäftigt, ein Stückchen Banane aus dem Zimmer zu verschleppen. Eine Nachhut kümmerte sich um den Bereich, wo die Banane wohl fallengelassen wurde und musste enttäuscht feststellen, dass es da nichts zu holen gab. Die Schokolade auf dem Tischchen, die wir heute im Auto als Wegzerrung hatten, hatte die Ameisenbande noch nicht entdeckt. Nun galt es eine Entscheidung zu treffen. Entweder überlässt man die karamellgefüllte Schokolade den Ameisen oder man betätigt sich als Spielverderber. Lange brauchten wir nicht für’s überlegen. Wenn die Ameisen schon Banane hatten, warum sollten sie auch noch Schokolade bekommen.
Rätselhaft bleibt, wo sie damit hinwollten. Aber vielleicht haben sie einen geheimen Zugang und nutzen ihn als Ein- und Ausgang aus dem Zelt. Es ist wohl das einzige Mal in diesem Urlaub, dass wir in einem Zelt untergebracht sind und es ist ganz nett. Wir haben drei Räume: Ein Wohn- und Schlafzimmer, ein Waschzimmer mit separierter Toilette und außen könne wir duschen. Wirklich eine schöne, runde Sache.
Wir sind mittlerweile an unserer fünften Station angekommen – Kosi Bay.
Wer den gestrigen Bericht gelesen hat, dem ist nicht entgangen, dass ich wenig beizutragen habe zu den Ereignissen des letzten Tages. Mit Ausnahme meiner Wenigkeit waren alle auf Safari gewesen. Um fünf Uhr sind sie aufgebrochen und haben sich den ganzen Tag in einem Nationalpark herumgetrieben, der sich Hluhluwe Imfolozi Park nennt. Ich ahnte schon am Nachmittag, dass es den Herrschaften ganz gut gefallen haben muss, schließlich kamen und kamen sie nicht zurück. Erst nach Einbruch der Dunkelheit waren sie wieder da und berichteten von ihren Erlebnissen: Alles hätten sie gesehen, erzählten sie. »Alles?« fragte ich.
»Ja, alles.«
»Auch Löwen.«
»Nein, die nicht.«
So viel Glück kann man ja auch nicht haben.
»Aber Leoparden?«
»Nein, die auch nicht. Also alles, außer die Großkatzen.«
»Schakale? Hyänen?«
»Die auch nicht.«
»Aber Elefanten und Giraffen.«
Da freue ich mich schon auf die Bilder, zumal die Giraffe sich auch trinken produziert haben soll. Das ist sicher eine spannender Anblick.
Das Restaurant, was wir uns ausgesucht hatten, war nicht mehr drin. Da hätte man noch spazieren gehen müssen und Flusspferde wolle doch niemand wirklich sehen, es wäre ja auch viel zu dunkel. So spazierten wir «in die Stadt«, was so viel heißt, wie zur Haupt-Restaurant-Straße von St. Lucia. Dort landeten wir im »Ocean Basket«, dem Bruder-Restaurant vom »Braza«, in dem wir schon waren und von dem wir sehr begeistert waren. Das Essen war top in dem Restaurant, mit der Schnelligkeit war es nicht ganz so prickelnd. Es war eine müde Truppe, mit der kaum etwas anzufangen war. Den meisten Esprit zeigte noch Henrik und das will schon was heißen.
Die gute Nachricht war: Nun, das die Reisekollegen an das frühe Aufstehen gewöhnt waren, sollte man sie nicht aus dem Takt bringen. Heute morgen ging es gleich wieder los: Um zwanzig nach fünf Uhr brachen wir auf, um zum Whale Watching zu laufen. Pünktlich waren wir bei der Anlaufstelle, gaben die Kontaktperson bekannt, die informiert werden sollte, falls wir ertranken oder von einem Wal oder Hai gefressen würden und dann ging es mit dem Traktor zum Strand.
Es war ein recht kleines Boot, das mit den zwölf Personen – einschließlich des Kapitäns – gut gefüllt war. Mehr Leute hätten schwerlich Platz gehabt. Wir kletterten in das Boot, wurden mit Regenjacke und Schwimmweste versorgt, nahmen die warnenden Worte des Kapitäns zur Kenntnis und auch die Information zur Kenntnis, dass es keine Herausforderung wäre Wale vor die Linse zu bekommen oder zu überleben, die Hauptherausforderung wäre, trocken wieder zukommen. Dann schob uns ein Traktor ins Meer und im rechten Moment düste das Boot los. »Düsen« ist das richtige Wort, denn wir stoben in »Miami Vice«-Manier über das Wasser. Der Kapitän nahm nicht jede Welle, die er sah, sondern umfuhr die Wellen, die ihm nicht gefielen und suchte sich die passenden Lücken. Es war sehr beeindruckend und für Landratten wie uns, ein Wahnsinnsritt.
Der Kapitän wusste schon, wo er Wale zu finden hatte und fuhr mit uns dahin. Dann ging das Spektakel los. Anfangs schnaubten sie, später sah man ihren Rücken. Wir sahen Wale bei ihren morgendlichen Waschungen, bei denen sie immer wieder mit dem Schwanz auf’s Wasser schlugen, sahen sie auftauchen und springen. Besonderer Höhepunkt war ein Wal, der auftauchte und sich dabei auf den Rücken drehte, ehe er wieder eintauchte. Nichts alles konnte man in Fotos fassen, nicht alles habe ich auf Film. Zwei Stunden lang Wale begucken, das würde ganz schön in die Arme geben. Aber das macht auch nichts, denn die Erinnerung an diesen Tripp, die wird bleiben. (Hoffe ich zumindest, wäre ja blöde, wenn ich mich als dementer älterer Herr an irgendwelche Software-Probleme von der Arbeit erinnere und die schönen Sachen vergessen hätte. Gott bewahre!)
Das Boot war samt kompletter Ladung schon wieder auf dem Heimweg, da tauchte noch eine Gruppe von Delphinen auf. Damit waren wir auf Wolke 7.
Auf Wolke Nummer 8 war die Beste aller Ehefrauen™ als wir wieder in der Lodge waren und es dort Frühstück gab. Wir hatten am Morgen einen Muffin mit auf den Weg bekommen, allerdings gab es noch keinen Kaffee. Den gab es erst nach dem Wal-Ausflug.
Dann hieß es St. Lucia verlassen und es ging in Richtung Kosi Bay. Es war eine entspannte, nahezu langweilige Fahrt. Das Highlight war eine tote Kuh am Straßenrand und das rege Marktleben in den Städtchen, die wir durchfuhren. Just in Time kamen wir in unserer Lodge an. Dem skeptischen Blick des Rezeptionisten konnten wir entnehmen, dass es ein Problem gab. Unsere Zimmer waren nicht gebucht. Da keiner unfehlbar ist, konnte es dafür zwei Gründe geben: Entweder hatte die Buchung nicht geklappt oder aber, wir waren nicht in der richtigen Lodge. In meinen Augen sprach schon recht viel für die zweite Annahme, weshalb ich die Unterlagen aus dem Auto holte und nach einem kleinen Check des Rezeptionisten, vernahmen wir die Worte, dass wir falsch wären. Wir müssten weiterfahren.
Zwanzig Minuten später waren wir an Ort und Stelle. Zwei Nächte verbringen wir nun in der Utshwayelo Lodge. Das Programm ist schon komplett vorgegeben, unser Entscheidungsspielraum ist wirklich klein. Nach der Orientierungstour, die darin bestand, dass man das Camp bezeigt bekam und einen ersten Ausflug in den Nationalpark machte, stand fest, dass der morgigen Tag aus einer Bootstour (Iris war schon ganz außer sich vor Freude) und einem Strandbesuch bestand. Die Orientierungstour machte aber schon Geschmack auf mehr. Zum einen durften Rüdiger und die Junioren auf der Pritsche Platz nehmen und so durch den Nationalpark fahren, zum anderen war die Landschaft, die uns gezeigt wurde, einfach fantastisch. Da will ich unbedingt noch eine Foto-Tour hin unternehmen. Der große »am Strand-Rumliegen« bin ich ja nicht.
Wir warten nun darauf, dass es neunzehn Uhr wird. Dann geht es zum Dinner. Der Hunger dafür ist schon vorhanden, nachdem es heute Mittag keine Kleinigkeit zum Lunch gab. Ich hoffe mal, dass die Portionen ein wenig größer sind. Wir wollen ja nicht, dass die Jungs uns vom Fleische fallen.