Völlig unspektakulär war die Anreise. Alles hat so geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Keine Staus, keine Verspätungen, keine vermissten Koffer. Besser ging es nicht.
Gern hätte ich noch eine Kritik über die Mahlzeit an Bord der BA geschrieben. Jedoch geben die Tüte Kartoffelchips und die 100ml Flüssigkeit keine solide Basis für eine Bewertung her. Ungerecht will ich nicht sein.
Das Aufregendste an der Anreise dürfte noch gewesen sein, dass ich es schaffte, die Oyster Card, die wir für die Nahverkehrsfahrten nutzen, zwischen Einlass und Hinsetzen in der U-Bahn zu verlegen, und ich dann zehn Minuten damit beschäftigt war, sie in meinem Moloch von Tasche wiederzufinden.
Auf der ToDo-Liste stand eigentlich auch, die Benutzung eines typischen Londoner Taxis. Der Weg vom Bahnhof zum Boot hätte sich dafür angeboten, um diesen Punkt abzuhaken. Zum Einen dachten wir aber wohl, dass es ja nur zehn Minuten zu Fuß sind und zum anderen wahrscheinlich auch, dass sich der Taxifahrer über die zu kurze Strecke geärgert hätte. Ich habe nun aber mitbekommen, dass es hier in der Umgebung fast nur Einbahnstraßen gibt. Das hätte seinen Verdienst gewiss erhöht und er wäre uns nicht so böse gewesen.
So sahen wir schon ein wenig was von der Umgebung. Zum Beispiel den ersten Pub, den wir gleich mal aufsuchen wollten. Ein paar Cafés, unter anderem auch das, wo wir heute frühstücken werden. Schlussendlich auch unser Boot, auf dem Meg schon auf uns wartete.
Sie hieß uns, unser Gepäck an Bord abzustellen. Um den korrekten Terminus zu benutzen – „am Heck“. In ihrem Blick war ein wenig Sorge: „So viel Gepäck!“ „Ja, wir sind noch fast drei Wochen hier.“ Da braucht man ein wenig was.
Dann ging es unter Deck. Ist schmal, denkt man sich dann. Sieht man von außen nicht, da man die Sachen, die so herumstehen, nicht berücksichtigt. Aber wir gingen durch die Kombüse, das „Wohnzimmer“, die erste Schlafgelegenheit, den Sanitärbereich und das Luxus-Schlafzimmer zum Bug, wo eine Art Wintergarten untergebracht war.
Susanne stürmte vorweg und okkupierte das Luxus-Schlafzimmer mit den Worten „Das ist meins.“, womit uns der andere Schlafbereich blieb, in Form von Doppelstockbetten. Ich kann gar nicht sagen, wann ich zuletzt in einem geschlafen habe. Vermutlich im Rahmen der Wehrertüchtigung in den achtziger Jahren während der Ausbildung. Nun ist „Luxus-Schlafzimmer“ eine böse Übertreibung, denn das Zimmer besteht nur aus einem Doppelbett und ich will auch nicht verschweigen, dass Susanne gleich hinterher schob: „Oder wollt ihr?“ Aber ich sah einen Vorteil in dem Doppelstockbett – es würde keinen Wettstreit mit der besten Ehefrau aller Zeiten um irgendwelche Decken und den sparsamen Platz geben.
Der Sanitärbereich erinnert mich stark an den, den wir in unserem Camper in Kanada hatten. Damals, ich hätte es ja nie für möglich gehalten, da ich ein „Auf dem Örtchen möchte ich meine Ruhe haben“-Typen gehöre, habe ich schnell Zuneigung zu den öffentlichen Sanitär-Anlagen der Campingplätze gewonnen. Wenn es hier außerbootige Gelegenheiten in unmittelbarer Nähe geben würde, wäre das wahrscheinlich auch der Fall. Aber Little Venice, in dem wir mit dem Boot liegen, hat so eine Infrastruktur nicht. Um mit den Worten von der besten Ehefrau zu sprechen: „Ich freue mich schon auf das Hotel, auf die Dusche.“ Es ist doch sehr klein und wenn man sich erst einmal auf dem stillen Örtchen platziert hat, muss man zusehen, wo man mit dem Rest von sich bleibt. Sehr witzig.
Der Kühlschrank war gefüllt und Meg hatte uns einen Obstteller bereitgestellt. Sogar ein Brot hat sie uns hingestellt. Sehr nett im Tun, sehr nett auch, wie sie uns alles erklärt hat. Wir sind sehr begeistert von dem Boot. Jetzt, wo wir es belegt haben, sieht es nicht mehr ganz so nett aus, denn überall steht unser Gepäck herum.
Als wir das Boot verließen, hatte der Eisladen schon zu. So wurde die erste Mahlzeit „nur“ ein Bier mit ein paar Kartoffelchips. Ich hatte mir noch einen ambitionierten Spaziergang vorgestellt, als ich über unseren London-Aufenthalt sinniert hatte. Danach war uns aber überhaupt nicht. Wir gingen bis zur … und blieben da in einem kleine Lädchen hängen, um Wasser zu kaufen, und der Besitzer schickte uns ein wenig weiter, wo es etwas zu essen gab. Wir sind hier der Mittlerer Osten-Persien-Ecke, so hatten wir die Gelegenheit etwas Persisch-Irakisches zu essen. London ist teuer, da wussten wir. Wenn ich dann fast hundert Pfund für vier Personen in einem Etablissement zu zahlen habe, dass eher ein Imbiss denn ein Restaurant ist, zuckt man aber schon ein zusammen. Aber das Essen war gut und man ist halt in London.
Wir versorgten uns mit einer Flasche Rotwein in einem Supermarkt, tranken vorher aber „um’s Eck“ noch ein Absacker-Bier (oder besser Cider, denn die Cider-Trinker waren in der Überzahl) und machten es uns auf dem Boot im Wintergarten gemütlich. Die Flasche war schnell alle. Wir hatten ein wenig mit garstigen Schwänen zu kämpfen, die uns von Seeseite anzugreifen versuchten. Die Angriffe wurden von Ulf abgewehrt. Mangels Licht im Wintergarten mussten wir von dem Plan, zu planen, Abstand nehmen. Aber das Sitzen bei Kerzenlicht war dann ein schöner Ausklang, bevor es in die Kojen ging.
Vor dem Essen hatte ich schon rumgeunkt, dass wir bitteschön nur Salat essen mögen, denn wir würden alle auf der selben Seite schlafen. Das würde man sonst merken. Das ist in der Tat so. Die Gefährten liegen noch in ihren Kojen und das Boot liegt wirklich schräg.
Ich kann nicht sagen, dass ich gut geschlafen habe. Es ist doch sehr beengt dort oben und das in alle Richtungen. Nach oben sowieso. Das Umdrehen in der Nacht, und das mache ich sehr, sehr gern, muss generalstabsmäßig geplant werden und natürlich muss man auch noch aufpassen, dass man nicht herausfällt. Dann noch der Jetlag.
Es gab ja drastische Beschreibung, wie dolle alle Schnarchen würden. Da es keine Türen auf dem Boot gibt – mit Ausnahme zum stillen Örtchen, was übrigens hier gar nicht so still sein kann, sondern akustisch einiges her gibt (zumindest kommt einem das bei der Benutzung selbst so vor) – spielt das schon eine Rolle. Ich kann aber nur konstatieren, dass es gar nicht so schlimm ist. Ohne allerdings zu berücksichtige, ob nicht die anderen eine schreckliche Nacht hatten, weil ich in Sachen Schnarchen mein Bestes gegeben habe. Vielleicht sind die Herrschaften ja deshalb noch müde?
So sitze ich hier um halb sieben Uhr schon seit geraumer Zeit und kann in Ruhe aufschreiben, was so passiert ist.