London kann auch Dein Leben verändern. Gut, meines hat es nicht verändert. Vermutlich auch nicht das, der Besten aller Ehefrauen. Aber Susanne, unsere mitreisende Freundin, hat große Fortschritte gemacht, was ihr gestörtes Verhältnis zu Joghurt angeht. Hat sie so lang wir sie kennen nie gegessen, aber jetzt in der Metropole hat sie es einmal versehentlich bestellt und nun, isst sie es. Das ist doch toll. Gewisse Vorbehalte sind gegenüber diesem Milchprodukt noch vorhanden, das muss man wohl einräumen.
Gestern hat Susanne ihn sogar freiwillig bestellt und das will schon was heißen. Ihn zu lieben, wurde ihr ein wenig schwer gemacht, dafür wurde ihr viel Zeit eingeräumt, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Denn nach der Bestellung kam und kam und kam dieser verdammte Joghurt nicht. So hatten die Beste aller Ehefrauen und meine Wenigkeit schon lang ihre warmen Speisen vierschnabuliert, da warteten Susanne und Ulf noch auf ihre kalt angerichtete Beeren-Müsli-Joghurt-Kombi. Man hatte das komplett vergessen.
Wir hatten gestern das Schiff verlassen. Lieb gewordene Routinen gehören nun der Vergangenheit an, wie das sparsame Duschen in einer Duschwanne, die Schlagseite hat. Wir müssen keine Pumpe vorher mehr einschalten, bevor wir uns wässern. Man kann aneinander vorbeigehen, ohne dass sich einer an die Wand drücken muss. Gerade die Camping-Toilette werden wir wohl nicht, vermissen. Das klingt alles viel negativer, als es sollte, denn wir hatten auf der »Jessie« eine tolle Zeit und wenn man nach London fährt, sollte man in Erwägung ziehen, diese Art von Unterkunft zu wählen.
Richard Branson hat auch ein Hausboot und das liegt auch in Little Venice da. Wir haben es nicht gesehen, aber es wurde uns durch die Blume gesagt. An allen Tage – außer am Sonntag – stand ein junger Mann mit einem Schild in Little Venice, auf dem stand, wie viele Tage er schon darauf wartet, dass Richard Branson ihn trifft. Der einzige Grund für Richard Branson ihn zu treffen, ist aber wohl, dass der junge Mann dort steht. Mir persönlich scheint das kein sehr stichhaltiger Grund für Branson zu sein, was wiederum der Grund sein wird, weshalb der junge Mann da noch länger stehen wird.
Wir fuhren von der Paddington Station, die wir diesmal komplett durchquerten und nicht außen rum gingen, was uns die Gelegenheit gab, mit dem Bären zu posieren, zur Victoria Station. Von dort aus ging es mit dem Gatwick Express zum selben Flughafen, wo wir unseren Mietwagen abholten. Alles hat geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben, und nun düsen wir mit einem Skoda Octavia durch die Gegend. Wir hatten eine Passat-ähnlichen Wagen bestellt. Kurz standen wir vor dem Auto, schauten auf den Kofferraum und dachten „Nein, das wird im Leben nichts!“ Schließlich hatten wir diese Art von Auto gewählt, weil wir einiges an Gepäck haben. „Hatten wir nicht einen Passat bestellt?“ „Nein, wir haben einen Passat-ähnlichen Wagen bestellt.“ Aber dann machten wir den Kofferraum auf und atmeten durch. Hier ließen sich unsere vier großen Gepäckstücke ohne Probleme unterbringen und auch im Auto selbst, hat man genügend Platz.
Die Fahrt auf den englischen Straßen verlief ohne größere Zwischenfälle. Einmal wäre ich einem Wagen fast drauf gefahren, da ich mit dem Gegenverkehr mehr als notwendig beschäftigt war. Meine Behauptung, er hätte zu spät geblinkt, wurde von meinen drei Mitreisenden negiert, die meinten, dass der Fahrer schon lange geblinkt hatte. Daran sah man, dass sie sehr aufmerksam verfolgten, was im Straßenverkehr passiert. Erst später schlossen zumindest die Damen die Augen und schliefen. Aber da hatten wir auch schon einen Spaziergang hinter uns.
Wir waren nach Chartwell gefahren, da man dort den National Trust Touring Pass entgegen nehmen konnte. Die Begrüßung war sehr herzlich und wir bekamen nicht nur unseren Pass und die Parkmarke, sondern wurden auch gleich gefragt, ob wir das Haus von Churchill noch besichtigen wollten. Warum ich nicht! So spazierten wir durch den Park.
Es bewies sich einmal mehr, dass man nur durch Reisen ein Bild von Menschen bekommt. Ich hätte immer gedacht, dass die Engländer sehr penible Menschen in Bezug auf ihre Parks und Gärten sind. Das Bild ist insofern richtig, dass sie sich um die Gärten kümmern und sie sehr schön aussehen, aber in Chartwell waren an den Bäumen Schaukeln angebracht, die von den Kindern ausgiebig und voller Freude – wie man hören konnte – genutzt wurden und auf den Rasenflächen, picknickten die Menschen mit und ohne Decken, mit und und ohne Essen, spielten neben den Kindern Hunde. Das war ein Ort, gemacht für Familien. Am See stand ein kleiner Wagen, an dem man Eis und andere Leckereien kaufen konnte. Schon der erste Ort, eigentlich nur aufgesucht, um den Pass entgegenzunehmen, war ein Volltreffer.
Lady Churchill hatte das Haus dem National Trust vermacht, wenn ich es richtig verstanden habe, und es war in dem Zustand, wie sie das Haus verließ. Nach seinem Tod gab es also wohl gewisse Änderungen, weshalb das Schlafzimmer von Churchill nicht mehr finden war. Seine Frau hatte ihn um zwölf Jahre überlebt, da kann man davon ausgehen, dass sie irgendwann den Raum noch mal nutzen wollte. Vielleicht war sein Raum der, der heute ein kleines Museum ist und in dem wir erfuhren – oder erneut wahrnahmen -, dass Churchill 1953 den Literatur-Nobelpreis gewann. Wir fanden diese Information nirgendwo.
Von Chartwell ging es Richtung Canterbury. Das Navi kannte den Ort, zu dem wir wollten, nicht. Wir gaben deshalb einen Ort ein, der in der Anfahrtsbeschreibung ebenfalls erwähnt war, in der Hoffnung, dass er uns in die Nähe bringt. Aber wir hatten von der Vermieterin unserer Unterkunft eine detaillierte Beschreibung bekommen. Die hatte ich der Besten aller Ehefrauen gegeben, als wir losfuhren. Kurz vor Canterbury bat ich sie, diese doch zu nutzen. Pflichtschuldig suchte sie Beschreibung heraus und gab sie Ulf. Dieser war von der plötzlichen Aufgabe, das sah ich aus den Augenwinkeln, eine Übersetzung der englischen Beschreibung vorzunehmen, mehr als überrascht worden und staunte.
„Schnuckel, warum gibst Du Ulf die Beschreibung?“ fragte ich.
„Das fragte ich mich auch“, meinte Ulf.
„Warum?“ fragte die Beste aller Ehefrauen zurück.
„Hello Oliver!“ las Ulf vor.
„Ich glaube nicht, dass Ulf mir das übersetzen kann“, meinte ich.
Denn die Level der Englisch-Kenntnisse sind recht unterschiedlich. An der Spitze steht Susann, die nahezu alles versteht und sich mit jedem recht flüssig unterhalten kann, und dann kommen die anderen drei, die in England nicht verhungern werden, sich ein Bier bestellen können und und den Weg zur Toilette erfragen können. Womit ja die wichtigsten Punkte auch schon abgedeckt sind. Man sieht aber, dass es keine sehr spitze Pyramide ist.
Unser Hauptproblem mit dieser Beschreibung sollte sein, dass Maßeinheiten verwendet wurden, die wir nicht kennen. In etwa stand in der Beschreibung: „Dann biegen Sie auf den Weg, der ein Fußweg ist und fahren vorsichtig in den Park. Sie haben eine wunderbare Aussicht. Nach zwanzig Yard sehen sie das Haus.“ Wir sahen eine Reihe von Häuser, aber das mit dem wundervollen Ausblick ist so eine Sache. Die konnte sich ändern und noch wundervoller werden. Also fuhren wir den Leuten entgegen, die uns verwundert ansahen, wohl weil sie wussten, wo der Weg hinführt. Ich genoss das Privileg auf einem Fußweg fahren zu dürfen.
Blöd, dass sich dann herausstellte, dass zwanzig Yard wirklich nicht viel sind (Nun, weiß ich, dass ein Yard nur 0,9 Meter sind. ) und ich den ganzen Weg rückwärts fahren musste. Wie gewonnen, so zerronnen (wobei mir dazu noch einfällt, dass wir Lose für die National Trust-Lotterie haben und wir Anfang Dezember vielleicht ein wenig Weihnachtsgeld aus England bekommen).
Das Haus ist wunderbar. Es ist das Old Gardener’s Cottage, liegt gleich neben der Einfahrt eines Parks. Es hat – uns jetzt sehr wichtig – zwei Toiletten, die man benutzen kann, ohne das Knie unter dem Kinn zu haben, und eine Dusche, in der man sich regen kann. Die Beste der Ehefrauen kann sich abends in meinen Arm kuscheln. Auch hier, da muss ich uns wirklich mal loben, haben wir eine gute Wahl getroffen.
Nach einem kurzen Besuch bei Aldi, gingen wir in die Innenstadt. Erst nachdem wir gegessen hatten (die Mehrheit hatte Fish & Chips), spazierten wir durch die Stadt und sahen, wie reizvoll sie ist. Eine Menge Restaurants. Susanne meinte zwar, es wäre kaum was los. Aber das kann man so nicht stehen lassen. Canterbury hat die Hälfte der Einwohner von Neumünster und Kiel hat viermal so viele – und auf den Straßen in den Innenstädten ist nicht annähernd so viel los unter der Woche wie hier. Die Kathedrale wird nachts schön angeleuchtet, man kommt nur nicht mehr heran. Ab neun Uhr machen sie zu.
Geschafft, wo von auch immer, beendeten wir unseren Spaziergang durch die Stadt, duschten ausgiebig und gingen zu Bett.