Die Beste aller Ehefrauen wurde gestern vorgeschickt, um eine Politesse zu interviewen. Ich war immer noch mit dem Thema beschäftigt, dass wir in Brighton in einer Parkverbotszone standen und in Salisbury die zulässige Parkdauer überschritten hatten. Nun sahen wir eine Dame in Stratford-upon-Avon, wie sie sich um ein Auto kümmerte. Da sie dabei sehr genau vorging, wir allerdings ein wenig unter Zeitdruck standen, da wir nur eine kurze Parkdauer wählen konnten und schon ein wenig getrödelt hatten, indem wir erst einem Schiff in einer Schleuse beim schleusen zusahen und im Anschluss ich meine Reisegruppe auch noch um das bedeutendste Parkhaus von Stratford-upon-Avon führte, wollten wir den Prozess nun nicht bis zum Ende begleiten.
Die Frage war simpel:
„Wenn Sie jemanden aufschreiben, bekommt er dann einen Notiz?“
Sie schaute uns an:
„Ja, bekommt er.“
Sie griff in ihre Tasche und holte einen gelben Zettel hervor, der auch noch schwarz umrandet war.
„Sie sehen, wenn ich da war“, meinte sie und lachte.
„Vielen Dank“, meinte wir.
„Wo stehen Sie? Soll ich mal vorbeischauen?“ lachte sie. Ohh, die Politesse war nicht nur sehr freundlich, sie hatte auch noch Humor.
Wir meinten nur, dass wäre nicht nötig, da wir immer sehr korrekt wären. Vor allem haben wir nun die Hoffnung, dass es uns in den anderen beiden Städten nicht erwischt hat. Schließlich wird sich nicht jede Stadt ein eigenes Vorgehen ausdenken, oder?
Stratford-upon-Avon ist nicht nur die Shakespeare-Stadt schlechthin. Es ist auch noch gepflastert mit alten, windschiefen Häusern – die mal mehr, mal weniger gepflegt aussehen. Nun nehme man Shakespeare mit alten Häusern an einem schönen Flüsschen, dazu ausreichend Parkplätze, da kann man sich vorstellen, dass da eine Menge Touristen unterwegs sind. Wir sind mal den Standardweg gegangen, den man so gehen kann, wenn man zwei Stunden Zeit hat. Ein wenig am Fluss, dann am Theater der Royal Shakespeare Company vorbei, die Besucherinformation leider an der falschen Seite passierend, dafür ein Parkhaus umrundend hin zum angeblichen Geburtshaus des Dichters. Vor diesem, das fand ich ganz interessant, fanden sich kaum Touristen, dass wir einen fast unverstellten Blick hatten.
Dann trennten sich die Wege der Besten aller Ehefrau und mir von denen, die Ulf und Susanne einschlugen. Diese gingen in ein Museum für sich bewegende Kunst. Wir schlenderten noch ein wenig durch die Gassen mit den windschiefen Häusern und kamen zu einem Markt, auf dem Sachen angeboten wurden. Dieses und jenes halt. Ich hätte ihn vermutlich in der üblichen Fußgänger-Geschwindigkeit passieren können, ohne in größere Nöte zu kommen. Susann entdeckte jedoch gleich einen Schmuckstand und fand auch sogleich ein (neues) Objekt ihrer Begierde. Ich war ein wenig verwundert, dass die Verkäuferin sehr schnell einen Nachlass anbot. Das lag aber mehr daran, dass sie die Befürchtung hatte, dass ihr das Geschäft flöten geht, nachdem ihre Kreditkarten-Maschine nicht funktionierte. Wir waren aber nicht ausreichend mit Bargeld bestückt, so dass ich noch einen Automaten aufsuchte und die Beste aller Ehefrauen mit dem passenden Cash versorgte, denn die war nicht bereit, sich von ihrem neuen Schmuckstück zu lösen, das sie schon am Hals trug.
Susanne und Ulf waren schon am Auto, vermuteten uns aber unter den Zuschauern im Park, die einer (improvisierten) Theater-Vorstellung folgten. Wir waren ein wenig in Hetze und kamen nur mit Müh und Not um 12:38 Uhr am Auto an, rechtzeitig indes, um die Politesse, wenn sie denn vor Ort gewesen wäre, nicht zu enttäuschen.
Die grenzgeniale App vom National Trust zeigte uns an, welches Ziel man als nächstes anvisieren könnte und der Gewinner war der Charlecote Park. In dem Herrenhaus lebte einst ein Mr. Thomas Lucy mit seiner Frau, adlig beide – das versteht sich -, und dieser liebte seine Ländereien. Shakespeare lebte zur gleichen Zeit und es war zu lesen, dass die beiden aneinander gerieten. Gerüchten zufolge könnte es sein, dass Shakespeare bei Wildereien erwischt worden ist. Auf alle Fälle war Shakespeare dem Friedensrichter Lucy nicht wohlgesonnen und hat eine Figur, die große Ähnlichkeit mit Lucy aufwies, in seinen Werken eingebaut – nicht als Held und nicht als sympathischer Mensch. Das Gut, das wir nun besuchen durften, war aber recht hübsch. Wir wurden wie immer reizend am Eingang begrüßt, wurden von einem der vielen Helfer kurz in die Gegebenheiten eingewiesen und betraten dann ein Herrenhaus, dessen Eingangshalle nicht mehr und nicht weniger als „Fick Dich“ sagte oder um es feiner zu formulieren: Einschüchterung durch Innenarchitektur. In der Mitte steht übrigens ein sehr schöner Tisch, den alle Leute gern anfassen möchten, was man aber nicht darf.
Es wurden nicht ganz so viele Räume gezeigt wie auf Lanhydrock. Aber schön waren diese trotzdem. Nachfahren der Familie lebten auch noch in einem der Flügel des Hauses. Die Zeit wird zeigen, ob man nicht irgendwann noch mal mehr zu sehen bekommt. In der Orangerie nahmen wir einen kleinen Lunch ein. Auf dem Programm standen noch der Garten, die Küche und die Wäscherei – als wir im Garten vor dem Haus waren, kamen jedoch die ersten Tropfen und zwar Riesentropfen und es fing an, zu gewittern.
Wir retteten uns in erst in der Küche, die kleiner war als die, die wir auf Lanhydrock gesehen hatten, aber hier dafür zwei Mägde in der Küche wirtschaften und Kinder bespassten. Es waren Freiwillige, die aber in ihrer Tätigkeit ganz aufgingen. Da sie auch noch gekleidet waren wie Anno-dazumal hatte das natürlich noch ein ganz andere Wirkung.
In der Wäscherei und Brauerei gab es leider kein Personal, dafür aber eine Geräusch-Installation, in der die Arbeit einer Brauerei nachgestellt wurde. Draußen hatte sich inzwischen das Gewitter breit gemacht und zeigte uns, wie England im Regen aussehen kann. Es war nicht sehr erfreulich. (Ich hatte am vormittag in Stratford noch gesagt, es wäre recht schwül und ich würde auf Gewitter tippen. Das ich so schnell Recht behalten würde, war mir gar nicht recht.) Vom Torbogen des Charlecote mussten wir zum Parkausgang und von dort zum Auto. Die letzten Meter aus dem Park waren wir schon am Rennen. Nachdem wir im Auto saßen, waren wir bis auf die Knochen durchnässt. (Bis auf, und das muss ich zu meiner Freude anmerken, mein T-Shirt. Dieses wurde durch meine – nun England-geprüfte -, neue Regenjacke geschützt und war trocken wie altes Brot. Die Freude wurde allerdings getrübt, durch den Feuchtigkeitsfaktor von Schuhen, Strümpfen und der Hose – sprich dem Rest.)
Die Fahrt zurück zum Hotel – ich ging einfach mal davon aus, dass den anderen wie mir die Lust an weiteren National Trust-Attraktionen an diesem Nachmittag vergangen war – glich mehr einer Bootstour denn einer Autofahrt. Erst am frühen Abend beruhigte sich das Wetter ein wenig. Es bestand aber wenig Lust, das Hotel noch zu verlassen.
So war es ein ruhiger Abend im Hotel, gemütlich. Die einen lasen, die anderen surften im Internet, badeten – so Urlaubssachen halt. Auch mal schön.
Gestern betrug die Regenwahrscheinlichkeit 30%. Heute liegt sie – je nach Uhrzeit – zwischen 40% und 90%. Wir können davon ausgehen, dass es regnen wird.