Das Wetter in Deutschland ist zur Zeit fantastisch. Hier nicht. Gestern begann der Tag mit Regen und das gab den Ausschlag, dass wir einen Tagesordnungspunkt nicht vollständig abwickeln konnten. Die Wetter-Apps waren auch keine große Hilfe oder besser gesagt die Meteorologen – die hatten prophezeit, dass um zehn Uhr der Regen aufhört. Pustekuchen.
In strömenden Regen machten wir uns auf den Weg zur Basilica de la Sagrada Família. Von unserem Apartment war dirgendwie Basilika nur ein Katzensprung entfernt. Wir hatten Eintrittskarten für den Slot um 10:45 Uhr, eine sehr sympathische Zeit, und waren – wie man sich vorstellen kann – nicht die Einzigen an der Basilica. Dank der vorher online gebuchten Tickets hatten wir keine größeren Warteschlangen. Wir nahmen die Audioguides in Empfang und sahen danach aus, wie ein typischer Tourist aussieht. Geradezu ins Auge sprang mir an der Fassade das Gestaltungselement „Buntes Obst“ und mehr als „Was zur Hölle soll denn das?“ fiel mir dazu auch nicht ein. Der Rest der Verpackung sah so aus, als hätte sich ein religiös verteiltes Kind mit genialen Zügen am Strand an einer Sandburg ausgetobt.
Der Eindruck kehrt sich um, sobald man das Gebäude betritt. Ich bin was den Besuch von Sakralbauten angeht sicher in der höheren Mittelklasse, aber so ein Gotteshaus ist mir noch nicht untergekommen: Der Innenraum ist für solch einen Bau von einer unglaublichen Helligkeit. Während es draußen bedeckt war und regnete, hätte man in der Kirche sitzend meinen können, dass draußen strahlender Sonnenschein ist. Es gab zahllose Lichtspiele, die ich mit meinem simplen Deutsch-Kenntnissen nicht in der Lage bin, zu beschreiben, die auf keinem Foto der Welt so widergegeben werden können und die man genießen nur kann, wenn man dargewesen war. Obwohl wirklich Massen von Menschen in der Kirche waren, die sich wie immer verständigten – also nicht ehrfürchtig flüsternd, sondern plappernd, aufgeregt, erstaunt – hatte die Geräuschkulisse etwas gedämpftes. Jede Befürchtung, dass da eine Spur von Kitsch wäre, verfliegt. Jeder Cent von dem in die Eintrittskarte investierten Geld, war es auch wert.
Wir hatten zwei Stunden eingeplant, dann sollte es auf die Türme der Kirche gehen. Das war eindeutig ein wenig viel, aber es war kein schlechter Ort, weshalb es auch keinen Grund zur Beschwerde über die Planung gibt. Grund dafür lieferte jedoch die Tatsache, dass es regnete und deshalb uns der Zutritt zu den Türmen verwehrt wurde. Die einen sehen darin vielleicht einen Gottesbeweis, ich würde das Gegenteil annehmen.
Über einen kleinen Zwischenstopp bei einem italienischen Gastronomen, der uns Speisen aus seiner Heimat kredenzte, und einen Eisladen, der Veilcheneis anbot, ging es zum Hospital de la Santa Creu i Sant Pau. Dieses Krankenhaus gilt ein wenig als architektonischer Geheimtipp unter den Jugendstil-Denkmälern der Stadt. Da schon Gruppen von Japanern oder Koreanern da waren, würde ich es aber von der Liste der Geheimtipps streichen. Wir waren nicht drin, was ein Fehler gewesen könnte. Aber nach Barcelona kommen wir sicher noch mal, dann kann man das nachholen. (Wobei: Das hatten wir von Istanbul auch gesagt, und daran ist im Augenblick ja nicht zu denken.)
Die nächste Station war der Parc Güell, der deutlich über der Stadt liegt. Dem kann man sich auf konventionelle Art nähern, in dem man Rolltreppen benutzt oder – wie wir – im Wandermodus. Jeder kann sich aumsahen, welche Variante die weniger anstrengende und zeitsparendere ist. Es ist dabei nämlich nicht so, dass man bei der Wander-Variante durch irgendwas belohnt wird. Man verbrennt Unmengen an Energie, für deren Beschaffung die man kurz vorher noch Geld ausgegeben hat. Die Rolltreppen-Variante fanden wir später.
Unsere Weitsicht wird oft gerühmt. Diesmal hatte sie nicht nur bei der Marschroute versagt, wir hatten auch keine Online-Tickets. So blieb uns nur die Umsonst-Variante, die auch ganz nett war. Aber eine Vergleichsmöglichkeit haben wir nicht. In die Eroberung eingeschlossen war ein Steinhaufen, auf dem man drei Kreuze untergebracht hatte und auf dem sich ein Haufen Leute herumtrieb, die alle eine gute Unfallversicherung haben müssen und vielleicht auch ein paar Leichtsinnige ohne. Aber der Blick über die Stadt ist es wert.
Wenn man so durch die Stadt geht, ist man Vergleichen mit anderen Städten nicht abgeneigt. Uns fiel als Maßstab Paris ein. Da scheint man ein wenig was kopiert zu haben, unter anderem die bekloppte Idee, eine Kilometer entfernte U-Bahnlinie als Umsteigepunkt anzupreisen, nur weil man ewig lange, ästhetisch fragwürdige Tunnel gebaut hat, die man zur Unterhaltung und Auflockerung der Benutzer mit kleinen Treppchen hier und da verzierte. Der Reiz liegt wohl eher im sportlich Abstrakten und ist mir völlig fremd. U-Bahn-Fahren gehört in Barcelona nicht zu den Dingen, die man auf die To-Do-Liste aufnehmen muss.
Auch wenn uns der Wirt am ersten Abend abgeraten hatte, so probierten wir zum Tagesende die Sorte Moritz mal aus. Nur um festzustellen, dass er so unrecht nicht hat. Versuch macht klug, einen Rat den wir vorher nicht beherzigten, in dem wir auf Bewährtes bei der Restaurantwahl zurückgriffen und in der Speiseverteilungsstätte gegenüber unseres Hauses einkehrten. Von dem wussten wir vom ersten Tag, dass er gut ist. Von dem wussten wir auch, dass er fussschonend für uns war. Eine gute Wahl.