Terra Gallus

Die Hippo-Gang oder Ein Tag mit Coster

Es versteht sich, dass ich der besten Ehefrau der Welt nichts von dem sich anbahnenden Drama erzählt hatte. Unsere Malaria-Prophylaxe absolvieren wir mit Malarone. Gestern war die letzte Tablette der ersten Packung dran. Ein paar Tage zuvor hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, das Gefühl zu haben, ich hätte die zweite Packung verbummelt. Ich habe meine gesamte Reisetasche mehrmals ausgepackt, die Zwischenräume geprüft – nur meine zweite Malarone-Packung wollte partout nicht auftauchen. In der Foto-Computer-Tasche waren sie auch nicht. Das ist der Moment, wo einem ein wirklich flau im Magen wird. Die Gegend hier ist keine, bei der man sich unter unwahrscheinlichsten Umständen weil man ein wenig Pech hat, Malaria einfängt. Wir fahren durch ein Hochrisiko-Gebiet. Das Aufhören einer solchen Kur nach der Hälfte der Zeit erschien selbst mir als professionellem Optimisten gewagt und ein Gefühl von „Das wird schon gut gehen!“ wollte sich nicht einstellen. Ich habe es probiert und fing am nächsten Tag mit wachsender Verzweiflung wieder an zu suchen. Bei einem verschreibungspflichtigen Medikament, bei dem die Packung 53 Euro kostet, sollte man auch nicht davon ausgehen, dass ein Reisegenosse eine Backup-Packung dabei hat. (Obwohl: Da hätte ich die Beste Ehefrau der Welt vielleicht mal fragen sollen. Zuzutrauen wäre es ihr…)

Nachdem es nichts gebracht hatte, die Reisetasche weiter zu durchsuchen, machte ich mich an eine weitere sehr ausführliche Inspektion meiner Foto-Computer-Tasche. Mir war in Erinnerung, dass meine bessere Hälfte vor der Abfahrt eine Reisewarnung in der Art: „Und packt ja das Malarone nicht in die Koffer!“ ausgegeben hatte, „falls das Gepäck verloren geht.“ So fand ich die Packung Malarone schließlich auch in einem sehr, sehr verborgenen Eck meiner Tasche, direkt neben dem Fach mit der anderen Packung und konnte tief durchatmen.

Einer der hiesigen Vögel klingt so, als würde er eine Türglocke nachmachen, so kam es mir vor. Und ein anderer Vogel macht immer „Bähhh“, „Bähhh“, „Bähhh“ – man glaubt, ihm schmeckt irgend etwas nicht und er möchte es nicht fressen. Heute Nachmittag habe ich Coster gefragt, was dies denn für ein Vogel wäre und er kam aus der Pistole geschossen mit einer Antwort. Zu meinem Bedauern muss ich allerdings konstatieren, dass ich umgehend vergessen habe, um welchen Vogel es sich handelt. (Man könnte es googlen oder – was ja viel besser passt und für mich zutreffender ist – duck-duck-goen und bekäme wahrscheinlich schnell eine Antwort.)

Coster kennt wohl alle Vogelarten, die in den Nationalparks seiner Umgebung leben. Aus der Pistole geschossen, kann er sagen, was für ein Vogel gerade vorbeiflog oder -schwam, rumsteht, auf einem Baum sitzt oder sonst wie macht. Was man nicht sagen kann, dass es sich dabei nur um eine Handvoll von Vögeln handeln würde. Es ist ein richtiges Vogelparadies und ganz viele Vögel, haben wir in den anderen Parks noch gar nicht gesehen.

Wir haben Coster heute Morgen nach einem frühen Frühstück kennengelernt. Gestern hatten wir uns für eine Bootstour angemeldet, die eigentlich um acht Uhr beginnen sollte. Die Rezeptionistin schaute in ihr schlaues Buch und meinte, dass es leider nur um halb acht Uhr gehen würde, weil sich schon andere für die gleiche Tour aber zu dieser Zeit angemeldet haben. In der uns eigenen Art, pünktlich zu sein, waren wir zu der angegebenen Zeit da – dann sagte uns unser Guide – Coster – dass wir nur zu fünft wären. Auch schön, aber dann hätte man ja auch eine halbe Stunde länger schlafen können. Was allerdings Quatsch ist, denn bei dem ornithologisch bedingten Bio-Lärm ist an ein Ausschlafen sowieso nicht zu denken.

Wir wurden von einem Seeadler begrüsst. Kaum um das erste Eck geschippert, saß er auf dem obersten Ast eines kahlen Baumes und checkte sein Gebiet ab. Dass wir nun unten an ihm vorbei schipperten und ihm die Seele aus dem Leib knippsten, erschütterte ihn überhaupt nicht. Er hatte sein Revier im Griff zu behalten. Der Seeadler ist übrigens der Nationalvogel von Namibia, obwohl andere Länder sich ihn auch als solchen gegriffen haben. Coster wusste welche. Der Herr Papa sicher auch noch.

Hinter dem nächsten Eck wartete die Hippo-Gang auf uns – eine Gruppe von weiblichen Flusspferden. Wir waren heilfroh, dass wir diesen Tagesordnungspunkt schon mal als erledigt betrachten konnten. Sie machten den Eindruck von Wegelagerern (oder Flusslagerern sprich Piraten) mit ihrer Präsenz. Immer wenn Coster mit seinem Boot zu nah an sie heran kam, erhob das Frauenvolk an Bord heftigen Protest und befürchtete, dass die Gang gleich unser Boot zum kentern bringen würde. Coster lernte im weiteren Verlauf des Tages aber hinzu und nutzte später die Kraft des beschwichtigenden Wortes, wenn es darum ging, Gefahren zu relativieren. Irgendwann hieß es von Seiten der Damen: „So genug, wir können weiter!“ und „Wir müssen da jetzt nicht vorbeifahren.“ und Coster fuhr weiter, aber an den Hippos vorbei. „Nein, das soll er nicht!“ – dieser Satz kam nicht von den Kerlen auf dem Boot. Die sagten: „Wenn er aber nur da lang kann.“ und – schwupps – waren wir auch schon vorbei, denn kaum hatte Coster sich angeschickt, die Flusspferde zu passieren, tauchten diese ab und waren nicht mehr gesehen, bis wir vorbei waren. Dann tauchten sie allesamt wieder auf.

In der nächsten halben Stunde gab es jede Menge Vögel und Coster zeigte uns, was man alles mit Papyrus machen kann, bevor das erste Jung-Krokodil auftauchte. Es lag einfach nur da und hatte das Maul auf. Es muss sich irgendwann gelangweilt haben, denn auf der Rücktour war es genauso wenig an der Stelle zu sehen, wie sein Kumpel, der ein wenig entfernt am Strand lag und genauso regungslos mit offenem Maul den Tag verbrachte.

Uns wurde noch der Unterkiefer eines Elefanten präsentiert, wir verscheuchten noch ein Baby-Krokodil und dann ging es nach knapp drei Stunden wieder zurück in Richtung Lodge. Unterwegs hatte er uns noch gesagt, dass wir mit den Krokodilen und den Flusspferden die Hauptattraktionen gesehen hätte, jetzt würden wir nach was anderes gucken, und das Schwesterchen wünschte sich wie üblich Elefanten gewünscht. Seine Antwort darauf war: „Ich habe versucht sie anzurufen, aber sie haben nicht geantwortet. Wir müssen mal schauen…“

Auf der Rücktour trafen sahen wir über eine Ufer-Partie eine Reihe von Geiern fliegen. Da diese recht gewaltigen Tiere nicht „nur mal so da sind“, legte der Guide am Ufer an. De Geiern gefiel das nicht so, aber Coster fühlte sich verpflichtet, für uns zu untersuchen, was das passiert war. Er kam mit einem abgerissenen Bein eines Impalas, dessen Schädel und der Vermutung, dass es sich um eine Attacke von Wildhunden gehandelt hatte, zurück zum Boot. Dann trafen wir auch die Hippo-Gang wieder.

Coster hat alles so erstklassig alles erklärt und gezeigt, war so um uns bemüht und hat dann noch eine Menge Humor bewiesen, dass ich nach unser Ankunft in der Lodge dem Manager – der auch immer mit einem offenen Ohr in der Nähe stand -, sagte, dass wir uns freuen würden, Coster auch am Nachmittag als Guide für den Game Drive zu haben. Nun hatten wir eine Win-Win-Win-Situation, denn der Manager freute sich darüber, dass wir uns freuen, und organisierte das; wir freuten uns, dass unsere Tour wieder von Coster betreut würde und Coster freute sich, dass er noch einen Auftrag am Nachmittag hatte.

Die Mission wurde vom Schwesterchen festgelegt: Löwen und Elefanten. Der Manager hatte Löwen in der Nähe brüllen hören, meinte aber, dass es mit dem Elefanten schwieriger wäre. Die wären überall und nirgends in einer Zeit, in der es viel geregnet hat.

Mit dem Boot wurden wir zu einer Stelle gebracht, an der die Autos unter einem Zelt standen. Dafür mussten wir allerdings wieder an der Hippo-Gang vorbei. Die kannten uns mittlerweile schon und ich gewann den Eindruck, dass die da immer liegen und sowohl Coster wie auch das Boot gut kannten.

Wir fuhren drei Stunden durch die Gegend und sahen unter anderem Affen und Warane. Wir sahen auch zwei tote Elefanten und, was noch viel entscheidender ist, wir rochen diese auch. Das ist nun allerdings eine Sache, auf die man durchaus verzichten kann. Es gab zwischendurch ein Stopp, bei dem unser Guide eine ganze Batterie an unterschiedlichen Getränken herausholte und auf einem Tisch servierte. Dazu gab es als Snack getrocknetes Wild-Fleisch, Wild-Schinken, Käse und Chips. In der Riverdance Lodge gab es einen solchen Snack auch, auf den anderen Safaris gab es meistens nur Getränke.

Kurz bevor wir bei unserer „Garage ankamen, hielt Coster an.“Es hat geregnet“, meinte er, „und das hier sind Elefantenspuren.“ Ich schaute mit ihm auf den Boden und sah etwas, was ich nie als Elefantenspur identifiziert hätte. Die Frau Mama, die ihr Herz oft auf der Zunge trägt meinte: „So klein, das kann ja nicht sein.“ Da waren auf dem Pfad nur ganz kleine Abdrücke von Krallen im Boden zu sehen. Aber wir guckten in der Gegend herum und tatsächlich hieß es plötzlich: „Da, Elefanten!“ Nun mussten wir uns entscheiden: Elefanten oder Löwen. Nach dem Motto „Lieber einen Elefanten in der Hand als einen Löwen auf dem Dach“ wurde den Elefanten der Vorzug gegen. Es ging also wieder ab ins Boot und wir „jagten“ den Elefanten hinterher. Ein Elefantenbulle stand am linken Ufer und ließ sich prima fotografieren. Ein zweiter Bulle trieb sich im Schilf auf dem rechten Ufer – einer Insel – herum und war kaum zu sehen.

Ein wenig mehr Show hätte noch sein können, schließlich sind wir ja verwöhnt. Mir schwebte vor, dass sich der Elefant eine Dusche verpasst oder uns. So wählerisch bin ich da nicht. Aber nein, der Linke-Ufer-Elefant wollte auf die rechte Seite und musste durch den Fluss. Bei der Gelegenheit sahen wir dann, dass es so tief nicht sein kann, denn er konnte den Fluss bequem durchschreiten. Nun waren wir komplett happy.

Auf dem Rückweg mussten wir an der Hippo-Gang vorbei, mal wieder.

Gerade gewittert es mal wieder, wie so viele Nächte zuvor. Namibia gibt mit der Nacht ein eindrucksvolles Abschiedsschauspiel. Morgen geht es in Richtung Botswana. Ich hoffe, dass ich nicht das letzte Mal hier in Namibia gewesen bin.

Namibia 2015

Die Kategorie läuft unter dem Namen "Namibia 2015", aber die eigentliche Reise ging von Namibia über Botswana nach Simbabwe.

Eine zusammenfassende Seite finden Sie hier.

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