Im Frühstücksraum unseres Hotels kann man sich ganz klassisch auf Stühle setzen. Es gibt aber auch eine Ecke, in der stehen zwei Sitzgelegenheiten, die beschreibt man am Besten als Innenraum-Strandkörbe. Das birgt eine gewisse Unschärfe, denn üblicherweise findet man in einem Haus keinen Strand. Ein anderer Name fällt mir dazu aber nicht ein. Da diese Möbel nicht besetzt waren, musste ich da rein. Das war schon was Besonderes, allerdings nicht sehr praktisch. Wir starteten den Tag also nicht ganz bequem mit dem leckeren Frühstück.

Kurz prüften wir dem Wetterbericht, der uns eine dreizigprozentige Regenwahrscheinlichkeit für 19 Uhr versprach. Das war weit weg und uns egal.

Norden oder Süden, das war die Frage und wir entschieden uns, in Richtung List zu fahren. Das hätte man gut und gern mit dem Fahrrad machen können. Taten wir aber nicht. Wir wollten an dem einem Tag, den wir hatten, so viel wie möglich von der Insel sehen. In List angekommen, gingen wir in Richtung Erlebniszentrum und dann weiter am Strand entlang. Zwei Frauen, die vermutlich ein anderen Wärmehaushalt als der Rest der Bevölkerung ihr eigen nennen konnten, badeten im Meer. Ansonsten waren da nur Vögel auf dem Wasser und Fische und Meeresfrüchte in dem Selben und halt Touristen am Strand.


Von List ging es zum Ellenbogen, den man auch mit dem Auto befahren kann, so man bereit ist, dafür fünf Euro zu bezahlen. Dafür fährt man dann in die nördlichste Ecke der Insel. Was macht man da? Man geht am Strand spazieren. Unsere Namibia-Tour später im Jahr führt uns nicht als Meer. Macht aber nichts, mein Strandspazier-Pensum ist für dieses Jahr schon jetzt erschöpft.

Eintrittskarte für den Ellenbogen

Obwohl man dafür bezahlen muss, ist man an dem Strand an einem September-Wochenende nicht allein. Himmel und Menschen. Wir spazierten da so lang und irgendwann meinte das Schwesterchen:
„Noch weiter?“
„Ja, ein wenig noch.“
Keine Minute später entschied ich mich um. Zu viele Menschen.
„Gut. Gehen wir zurück!“
„Okay“, meinte das Schwesterchen. Wir waren noch keine hundert Meter gegangen und das Wetter fing an, die Meteorologen zu verspotten: Es fing an, zu regnen und der Regen gab wirklich alles. Strand-Sand ist nicht dafür bekannt, dass man auf ihm gut rennen könnte. Trotz erhöhter Geschwindigkeit kamen wir pitschnass am Auto an.

Das Schwesterchen hatte nun „schon wieder“ Hunger und wollte zu Gosch. Wir fuhren durch die Wanderdüne in Richtung Westerland. Mich erinnerte die Landschaft an etwas außerirdisches. „Wie der Mond“ trifft es nicht exakt, da ich da noch nicht war und es nicht beurteilen kann. Vielleicht ist es zu anderen Jahreszeiten auch ein wenig „fröhlicher“ und „farbenfroher“. Jetzt im September überwiegt jedoch ein Braun-Ton, der mit Lebensfreude und Schönheit selten assoziiert wird. Menschen mit einer Vorliebe für Brauntöne kommen indes zur Zeit voll auf ihre Kosten.

In Wenningstedt gibt es „Gosch am Kliff“. Wir waren da jetzt auch mal. Das stand nicht auf meiner Liste der tausend Sachen, die man machen muss, bevor man stirbt. Ich gehe aber mal davon aus, dass man von Jedem, dem man erzählt, man wäre auf Sylt gewesen, gefragt wird, ob man auch bei Gosch gewesen sei. Das können wir jetzt bejahen. Das Essen war schmackhaft, dass Ambiente geht in Richtung „Mitropa mit Meerblick“ – das Schwesterchen krönte den Restaurantbesuch mit einem Glas Prosecco.

Essen bei Gosch

Dann folgte – Überraschung! – ein Strandspaziergang. Diesmal unterm Kliff. In der Ferne konnten wir einen massiven Regenguss betrachten. Wir waren aber zu der Zeit unterm blauen Himmel von Sylt und arbeiteten die Gosch-Nudeln ab. Schöne Ecke, schöner Strand. Ach ja, bevor ich es vergesse: Wild Coast-Feeling stellt sich nicht ein, da ganz viele andere Menschen auch das Bedürfnis hatten, den Strand zu genießen. Einsamkeit auf Sylt lässt sich vielleicht im Winter auf der Insel genießen – sicher bin ich mir nicht. Wer Ruhe möchte, dem empfehle ich andere Ziele. Oder halt nur nach neun Uhr abends unterwegs zu sein. Da schlafen dann wieder alle.

Zurückzu zum Auto sind wir dann oben auf dem Kliff gelaufen. Das war sehr schön. Man muss immer beides gemacht haben – von unten und von oben gucken.

Über Westerland ging es dann zurück zum Hotel. Da standen Kaffee und Kuchen. Das Schwesterchen machte anschließend ein auf Wellness, ich genoss den Rest-Nachmittag auf der Terrasse im Strandkorb.

Gegen zwanzig vor sieben tauchte das Schwesterchen wieder aus dem Wellness-Bereich auf, da war ich schon dabei die Location für den Abend zu suchen. Man meint, dass die Auswahl riesig sein müsste auf Sylt. Aber nicht so in unserem Teil. In Keitum gibt es einige interessante Restaurants, aber die Preise haben sind nicht ganz unser Niveau. In Westerland schaut es ganz anders aus. Aber wer will schon immer weit zum Essen fahren? Wir haben uns dann für etwas in der Nähe entschieden und das Restaurant hat den „schnuckeligen“ Namen „Fränkische Weinstuben“. In Yelp war darüber zu lesen, dass das Ambiente ein wenig altbacken ist – aber mal ehrlich: Wenn man in ein Restaurant mit diesem Namen geht, erwartet man dann eine supermoderne, stylische Ausstattung? Na, ich nicht – Hauptsache das Essen schmeckt. Das tut es und ich will bei der Gelegenheit die Pflaumen-Schorle hervorheben, die die Chance hat, die Rhabarber-Limonade des Sommers zu beerben. Das Schwesterchen hatte Salat und ich habe mal Matjes nach Hausfrauenart genommen, der so zart war wie es Matjes nur sein kann.

Auf dem Rückweg sahen wir Wolken und Sterne. Der große Wagen zeigte sich in seiner ganzen Pracht und so konnte ich dem Schwesterchen dieses Sternbild, das einzige im Übrigen, dass ich ohne Probleme erkenne, zeigen und sie war ganz hingerissen. Dabei nieselte es ein wenig…