Sobald es das Wetter zulässt, latsche ich barfuß durch den Garten. Also in etwa ab Anfang Mai. Wenn die Wiese nicht gerade triefend nass ist oder es späten Schneefall gab, gibt es keinen Grund für mich, unsere Besitzungen (und die der Bank) nicht barfuß abzuschreiten und zu kontrollieren und zu genießen. Man muss halt aufpassen, wohin man tritt.
Denn Herr V. – alte Leser kennen ihn noch als Vorbesitzer – hat eine Vorliebe für mechanische und biologische Selbstverteidigung gehabt. Damit haben wir jetzt noch zu kämpfen. So ist ein Großteil der Hecken in Form von Weißdornen bepflanzt worden. Der Name besagt es schon, da sind Dornen mit im Spiel. Man kann nach einer Heckenscheer-Aktion noch so gründlich zusammenfegen, irgendwelche kleinen Äste werden sich immer entziehen oder fallen später irgendwie herunter. Wenn man in die dann tritt, ist die Freude jedes Mal riesig. Zum Stacheldraht werde ich später noch was los…
Es gibt so viele schöne Arten von Nadelbäumen. Warum musste sich Herr V. für Lärchen entscheiden, ein der beiden Arten, die der Meinung ist, sie müsste ihre Nadeln im Winter abwerfen? In den ersten Jahren fiel es gar nicht auf, aber die Lärchen haben sich entschieden, ihren günstigen Standort zu nutzen und zu wachsen und gedeihen. Was sie jetzt so abwerfen, ist nicht nur sehr barfußfeindlich – denn die Nadeln bekommt man nicht mal ansatzweise zuverlässig weg – und auch der darunter liegende Rasen kommt nicht wirklich damit zurecht.
Sie sagte ja. Wir kauften heute ein. Dazu natürlich das passende Sicherheitsequipment und eine Axt. Warum wir die Axt noch kauften, ist uns im Nachhinein nicht mehr ganz klar. (Ich vermute, das kam so: Der Verkäufer sagte, dass man die Säge nicht an unreinen z.B. vermoosten Stämmen verwenden soll, das wäre nicht gut für das Blatt. Besser wäre, mit einer Axt den Stamm vorher abzuklopfen. Wir kamen rein zufällig an dem Regal mit Äxten vorbei und ich meinte: „Schatz, eine Axt haben wir gar nicht.“) Sollte sich herausstellen, dass wir die Axt im Garten nicht brauchen, kann man sie immer noch ins Haus als Waffe neben das Bett stellen.
Zuhause wollte Susann sofort in Garten. Jahrelang hatte sie sich gewehrt und nun konnte sie es gar nicht erwarten, den Garten zu zerlegen? Frauen sind manchmal schon komisch. Ich meinte, ich müsste mich erst mal auf den Topf begeben und wollte dabei die Bedienungsanleitung studieren. Mache ich sonst nie und habe es auch bei den anderen Gerätschaften nicht getan. Hier wurde mir schon nach wenigen Minuten klar, dass es eine sehr weise Entscheidung gewesen war. Nicht nur, dass auf anschauliche Art beschrieben wird, auf welche 2841 verschiedene Arten man Dank dieser Axt ums Leben kommen kann. Schon allein das Anschalten stellte sich als Wissenschaft dar. Selbsterklärend ist das Verfahren nicht.
Ich habe noch keinen Namen für die Säge, aber sie wurde sehr schnell ein guter Freund. Da ich mir nicht wirklich sicher bin, ob das Verhältnis auf Gegenseitigkeit beruht, habe ich mit entschlossen, sie trotz meiner zwar sehr schnell geschlossenen wahrhaftigen Freundschaft mit tiefen Respekt zu behandeln. Sie ist ein wenig wie eine Diva, die mir schon gezeigt hat, dass sie ziemlich bockig sein kann.
Im hinteren Teil des Gartens haben wir eine Weiden-Hecke. Dies sollte unser Übungsparcours werden. Sah einfach aus, aber wie immer, wenn etwas sehr einfach aussieht, stellen sich auch schnell Gemeinheiten heraus. Die leichtere Gemeinheit war, dass sich wir entdeckten, dass einige der Büsche ziemlich angegriffen waren. Oben war alles noch hui und sie schossen in die Höhe, aber am Stumpf waren sie ziemlich rott. Verstehen tue ich das immer noch nicht, aber die Situation wurde bereinigt.
Oben hatte ich schon angedeutet, dass unser Vorbesitzer Herr V. eine Vorliebe für Stacheldraht hatte. Ich persönlich halte das ja für übertrieben, aber wenn man eine Axt im Haus hat, neigt man auch zur Gelassenheit. Man sägt nicht einfach so drauf los, wenn einem die Bedienungsanleitung ein Massaker wie aus „Game of Thrones“ versprochen hat, sondern schaut sich die Umgebung genau an. Da der Stacheldraht ein wenig über dem Zaun verlief, hatten sich die Sträucher und Mini-Bäume über die Jahre ihren eigenen Weg gesucht. Ein Busch hatte sich entschlossen, den Stacheldraht „aufzufressen“, was ich sehr sympathisch fand, unsere Aktion aber etwas behinderte.
Nun da wir bedienungsanleitungshörig waren, achteten wir darauf, ja nicht mit der Spitze gegen andere Objekte zu kommen. Gerade wenn wir nach dem Umsägen merkten, dass die Situation sich grundlegend geändert hatte, fühlte man sich wie in einem Spiel. Susann holte später einen Fuchsschwanz, um manuell die Situation zu klären. (Der gleiche Fuchsschwanz, den sie vor sieben Jahren verteufelt hat, als ich das erste Mal mit der Säge durch den Garten ging, um bestimmte Sachen „zu klären“. Mann!, ich war so stolz und meine Frau war den Tränen nah.)
Der Abfall ist das eigentliche Problem. Man fängt an zu arbeiten und sieht, dass der Berg immer weiter wächst. Unaufhörlich. Schon beim normalen Hecke schneiden war das so. Warum sollte es bei einer „Totalbeschneidung“ anders ausgehen? Susann meinte, man könne es ja in der Feuerschale verbrennen. Manchmal ist sie wirklich lustig.
Das Unschöne an unserem Garten ist, dass er wirklich viel Arbeit macht. Heute ging ich, das erste Mal in diesem Jahr, hinter dem Gewächshaus und der Hecke entlang. Laub ohne Ende! Nicht, dass ich das Wochenende schon mit Laubfegen verbracht hätte und zig Bio-Abfall-Säcke auf die Abfuhr warten; nein, mir ist völlig unklar, wie viel Laub in so eine geschützte Ecke kommen kann. Ich habe es dann auch noch zusammengefegt – drei Säcke mehr – und hatte, als ich zurück blickte, nicht wirklich das Gefühl, dass das Laub weg wäre.
Man sollte sich vorsehen, wenn man mich morgen fragt, ob ich einen schönen Urlaubstag gehabt hätte…