Wenn man zehn Jahre eingeimpft bekommt, dass man ja in einem wunderbaren Staat lebt, der auch noch antifaschistisch ist, und dann mit der Realität konfrontiert wird, fällt einem das Erwachen schon manchmal schwer. Wie ich darauf ausgerechnet komme?
Ich las den Artikel “Real existierende Neonazis”, in dem es um selbige in der DDR ging. Die hätten ja gar nicht da sein dürfen. Aber als ich aus dem behüteten Potsdam nach Berlin kam, sah es plötzlich anders aus. Da gab es Gruppierungen, in die man sich einreihen konnte und eine von denen waren halt die “Faschos”. Man brauchte keinen Volkshochschul-Kurs um Selbige auf Anhieb zu erkennen.
Kam man nach dem Wochenende wieder zurück aus der Provinz, hörte man von den Dagebliebenen und Berlinern die neuesten Stories: ich mochte es kaum glauben.
An der Schule gab es einen gehörigen Anteil an Faschos, sie waren wirklich präsent. Ich lehne mich aber nicht sehr weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass die Provinzler mit der Gesinnung nicht so leicht zu erkennen waren. (Wobei ich nicht so naiv bin, zu glauben, dass es sie nicht gegeben hat.)
So überrascht war ich keine vier Jahre später nochmal, als ich die Bilder aus Rostock-Lichtenhagen im Fernsehen sah. Ich war in Frankreich und kann mit Fug und Recht sagen, dass ich mich noch nie so geschämt hatte, wie beim Betrachten der Bilder. Denn da waren nicht nur junge Faschos unterwegs, sondern es schien mir der ganz normale Durchschnitt zu sein, der sich vor den brennenden Häusern versammelte.
Ruhe ist immer trügerisch. Man sagt über Kleinkinder, die zu ruhig sind, dass sie irgendwelchen Unsinn aushecken. Das gilt wohl auch für Extremisten egal welcher Couleur.
Hier noch ein wenig ausführlicherer Lesestoff: “Real existierende Neonazis”