Der Kater überrascht immer wieder. Die alljährliche Tierarzt-Visite stand mal wieder an. Wenn der Kater die Wahl zwischen einem Besuch beim Tierarzt und einem Leben als Hund hätte, ich würde vermuten, dass er das Hunde-Dasein wählen würde. Man dürfte ihm natürlich nicht zu verstehen geben, dass der einzige Vorteil dann darin besteht, den Besuch beim Tierarzt nicht im Käfig antreten zu müssen.
Da dieses theoretische Konstrukt aber gar keine Rolle spielt, blieb ihm nichts Anderes übrig, als diesem Besuch ins Auge zu sehen. Nun spielt sich das bei uns fast so schematisch ab, wie der Heiligabend und ist so für den Kater recht berechenbar: Die Türen nach außen werden geschlossen gehalten, das Herrchen geht nach draußen und wenn er wieder kommt hört man das Geräusch eines sich öffnendem Käfigs. Natürlich versucht das Herrchen das Prozedere zu überspielen, beispielsweise durch laufendes Wasser. Spätestens dann hat der Kater den Braten schon gerochen und sich von dannen gemacht, sitzt also in irgendeiner Ecke.
Diesmal dachte ich, ich wäre cleverer. Erst den Kater fangen, dann den Käfig holen, anschließend die beiden kombinieren und ab zum Tierarzt.
Der Plan war gut, die Durchführung war stümperhaft: Denn ich ließ mich dazu hinreißen, ins Arbeitszimmer zu gehen und den Impfausweis aus der Schatulle zu holen. Vor dem Holen saß der Kater noch am Futternapf und betrachtete mich zwischen zwei Bissen mit seiner üblichen skeptischen Miene. Als ich aus dem Arbeitszimmer kam, war er schon nicht mehr zu sehen. Er hatte sich nicht zur Veranda-Tür zurück begeben, sondern war gleich ins obere Wohnzimmer verschwunden und hatte den Stealth-Modus eingeschaltet.
Ich stöberte ihn auf und dachte mir kurz: „Verdammich! Wie hat er das spitz bekommen?“ Der Kater indes war im Flucht-Modus und fegte vom Wohnzimmer zurück in den Flur, vermutlich um nach draußen zu flüchten. Aber die Veranda-Tür war ja zu. So konnte ich in aller Ruhe die Wohnzimmertür schließen und mich nach unten begeben. Der Kater war durch die Küche in den Abstellraum geflüchtet und saß nun hinter der Waschmaschine.
Das war schlecht, denn da gibt es nur das probate aber etwas grobe Mittel, einen Besen zu holen und von hinten zu kommen. Staubsauger und Besen spielen für ihn in der selben Liga. Warum weiß ich nicht, denn Letzterer ist ja recht ruhig. Wenn er ihn kommen sieht oder spätestens wenn er ihn an seinem Hinten spürt, weiß er, dass das an diesem Tag kein gutes Versteck ist. (Wenn wir Besuch haben, kann er hinter der Waschmaschine sitzen, soviel er will.)
Er flüchtet sich aus der Kammer, die ich auch verschließe und nun hat er nur noch die Wahl als wieder nach oben zu rennen oder ins Bad. Das Bad schließt er, clever wie er ist, aus, denn da will ich ihn ja haben.
Also geht es wieder nach oben, wo er vor der verschlossenen Tür sitzt. Dort legt er sich hin und macht sich ganz klein. Schaut mich an, faucht mich an und als ich mich zu ihm herunterbeuge, kommt nur noch ein gequältes Mauzen. Er hat sich ergeben.
Ich war beeindruckt, dass er so clever gewesen war, aus den wenigen Anhaltspunkten, die es gab, zu schließen, dass es mal wieder Zeit für einen Arztbesuch sei.