Mit Hilfe von TripAdvisor hatten wir am Abend vor Heiligabend festgelegt, wo wir denn hingehen könnten. Einer der Vorschläge erwies sich als Restaurant ums Eck und so marschierten wir frohen Mutes dorthin und waren dann doch etwas überrascht, dass wir den letzten Tisch bekommen haben. »Lanterns« hieß es und es herrschte eine Geschäftigkeit, die dem Restaurant vom Vorabend gar nicht unähnlich war, nur die Klientel war eine komplett andere. Das Essen war gut und reichlich. Anschließend setzten wir uns noch in eine Bar mit Live-Musik. Man konnte draußen sitzen und als dann der zweite Sänger kam, wurde sogar die Musik gut. Leider hatte dieser nur zwei Lieder, dann wurde eingepackt und gegangen. Es war zehn Uhr.
Für uns auch nicht zu früh, denn am nächsten Morgen mussten wir schon um fünf Uhr (in der Früh – um es klarzustellen) aufstehen, um den Flieger zu erreichen. An hatte uns abgeholt und als fertiges Päckchen am Flughafen abgeliefert. Das Einchecken verlief in unserer Warteschlange problemlos, in der Nachbarschlange war es ein wenig aufregender. Eine Frau hatte einen Hundekäfig dabei, aus dem aber Laute tönten, die gar nicht an einen Hund erinnerten. Es war ein Hahn, wie sich herausstellte, und der war ziemlich aufgeregt. Das Frauchen war auch ziemlich aufgeregt, vielleicht, weil ihr Hahn aufgeregt war, vielleicht auch, weil sie der Meinung war, dass sie ihn als Handgepäck hätte mitnehmen können. Das wäre sicher ein kleiner Trost für den Hahn gewesen, aber keine schöne Reise für die anderen Passagiere.
Der kurze Flug nach Da Nang wurde mit einer TurboProp-Maschiene absolviert. Wir waren schon kurz vor der Startbahn, als mir auffiel, dass das Gepäckfach gegenüber nicht geschlossen war. Ich langte mit meinem Arm rüber und versuchte es zuzumachen. Es schloss nicht. Frau Mama, ebenfalls wie ich am Gang sitzend, probierte das über ihr liegende Fach zu schließen, aber so richtig funktionierte es nicht. Durch das Geklapper hatten wir nicht nur die Aufmerksamkeit der Reihen um uns erlangt, sondern auch das der Stewardess, die gleich kam, ein wenig rumklappte, dann die Klappe noch mal aufmachten, ein wenig herumwühlte und ein Stückchen Schließelement hervorkramte. Dann machte sie es zu, ruckelte noch mal und machte sich auf zu ihrem Sitz, denn nun rollten wir schon auf die Startbahn. Ich meinte zu meiner Frau und Sicherheitsbeauftragten: »Das hält ja nie im Leben.« »Doch. Das hält.« »Wie sollte es, wenn wir eine Kurve fliegen, dann wird sich das Gepäck dagegenfallen und die Chosse geht wieder auf.« »Nein, …« und es folgte eine lange Erklärung, warum das nicht sein konnte und nichts Schlimmes passieren würde, mit physikalischen Beweisen und logischen Schlussfolgerungen. Ich guckte sie an: »Wenn Du meinst…«, ein wenig ungläubig, wie ich zugeben muss. »Trust Me!« waren ihre Worte. Wir hoben ab, ich schaute halb hoch auf die Gepäckablage und … sie war halb geöffnet. »Hmm, das hat ja super geklappt!«
Aber ansonsten war es ein schöner Flug und wir kamen sicher in Da Nang an. Auf dem Flughafen wurden wir von unserem Guide empfangen, diesmal war es eine Sie. Sie beschenkte uns zu Weihnachten mit einer kleinen Aufmerksamkeit und im Auto beging sie einen Fehler, als sie sich mit ihrem Namen vorstellte. Sie sagte, sie hieße Hua und das hieße Blume. Was sich jetzt bei mir festsetzte war: »Blume«. Ihren eigentlich Namen konnte ich mir nicht mehr merken. Ganz schlimm. Und den Anderen ging es auch so, dass wir immer rätselten und irgendwann feststellten, dass wir sie ja nicht »Blume« rufen könnten, obwohl ihre Landsleute das auch tun. In unseren Ohren klingt es ja dann doch ein wenig lächerlich.
Von Da Nang fuhren wir in Richtung Hoi An. Da Nang war nicht der Rede wert. Es liegt am Meer und was wir sahen, war entweder nicht sehenswert und lag am Wasser, war ein Ressort (verschiedenster Art) und damit teuer oder es war nicht der Rede wert. Damit tun wir der Stadt vielleicht unrecht, schließlich ist es die viertgrößte Stadt, aber als wir sie heute durchquerten, entdeckte ich auch nichts liebenswürdiges. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich tue ihr unrecht, der lieben Stadt, aber wir besichtigten dort nun ein Museum der Cham-Minderheit mit archäologischen Ausgrabungsstücken, was interessant ist, aber der Stadt nicht wirklich zu Gute zu halten ist, und einen Steinmetz, mit beeindruckenden Skulpturen – auch kein wirklich touristischer Höhepunkt. Heute waren wir noch am Strand, der wirklich schön war, aber die Strandstraße war es dann schon wieder nicht und es ist nicht so, dass man rufen würde: »Ja, wir machen jetzt Urlaub in Da Nang!«
Wenn man nun touristische Gegenden mag, dann kann es passieren, dass man bei Hoi An in ekstasische Ausrufe dieser Art verfällt, denn diese Stadt ist Touristen-Stadt par excellence. Sie ist auch komplett darauf ausgerichtet. Natürlich hat die Stadt ihre Sehenswürdigkeiten und man kann in dieser Stadt sicher zwei, drei Tage verbringen. Locker. Wenn man touristische Aufläufe nicht mag, ist man in der Stadt allerdings falsch. Auf der Haben-Seite steht aber eindeutig, dass es kulturbeflissene Touristen sind, die durch Altstadt schlendern, um alte Häuser und Tempel zu besichtigen. Auf der Haben-Seite steht auch, dass man sehr gut essen kann und es am Abend am Fluss sehr lauschig ist. Touristisch, aber halt irgendwie auch wieder schön.
Unsere erste Anlaufstation war eine Seiden-Dingsbums-Handarbeits-Firma. Man konnte, das war wirklich interessant, Seidenlarven bei ihrer Arbeit (Fressen!) zusehen und dann den Damen, wie sie Seiden-Produkte herstellen. Den Herstellungsprozess hatte uns Hoa noch erklärt, die sich dann zurückzog und an die Damen der Firma übergab. Gefühlt wurde jedem von uns eine Dame zur Seite gestellt. Da sind die Damen drei Monate beschäftigt, Fotos aus Seide nachzustellen, was sehr beeindruckend aussieht, aber auch seinen angemessenen Preis hat. Mir gefiel das recht gut, aber ich wollte dafür eigentlich kein Geld ausgeben. Ständig wurde ich gefragt, welches mir denn gefallen würde. Ich sagte, dies, dies und das – und meine Dame wollte schon anfangen diese einzupacken. Sehr engagiert! Ich dachte schon, ich wäre durch, da wurde ich durch eine weitere Türe geschleust, hinter der sich ein Kleidungsgeschäft verbarg, natürlich aus Seide. Ich war schon am Freuen, als ich die ganzen Kleider sah, und wollte durchstürmen, aber da hatte ich die Rechung ohne meine Dame gemacht, die mir die Herrenabteilung zeigte. Ein Oberhemd, meinte sie, wäre gerade das Richtige für mich. Da half es auch nicht, auf den Herrn Papa zu verweisen, der zwar bereit war, Mode-Beratung zu geben (in dem er verneinte) und nicht bereit war, sich auf irgendwelche Geschäfte einzulassen. Nur ganz knapp bin ich daraus gekommen und mir tut es dann ja immer in der Seele weh, wenn ich die Verkäufer enttäuschen muss (da hat man es in einem Supermarkt wirklich leichter). Wir (meine Geschäftsdame und ich) übten dann noch ein wenig das »SCH« in »Geschenk«, denn sie konnte ein wenig die deutsche Sprache, aber hauptsächlich die Zahlen. Allerdings stand sie immer neben mir, als wir die Herrenabteilung verlassen hatten, und meinte »Geschenk Frau«. Huii, wirklich ganz schön gewieft.
Kaum waren wir aus diesem Laden heraus, kamen wir an einem Stand vorbei, an dem Kleidung verkauft wurde und da war es dann ganz zu spät. Nett von den Besitzern war es, dass sie uns Herren Stühle zur Verfügung stellten, damit wir uns setzen konnten. Aber wir lernten zusammen mit Hoa das Verhandeln von Preisen. War allerdings schwierig, da die Geschäftspartner weder der deutschen noch der englischen Sprache mächtig waren. Während die Damen der Gruppe (die Mehrheit) sich mit den verschiedensten Blusen und Shirts herumschlugen, hatte ich meinen Kampf mit der Obstverkäuferin auszufechten. Diese kam nämlich vorbei, und bot mir eine Mangostane an, eine sehr leckere Frucht, die ich in Malaysia schon kennengelernt hatte. Nein, ich wollte nicht. Sie schnitt die Frucht auf und präsentierte mir die leckeren Innereien. Nein, ich wollte immer noch nicht. Sie ging weg, kam wieder. Lächelte. Ich könne sie fotografieren, es würde nichts kosten. Na gut, dann halt ein Foto. Als Motiv war sie nett, aber nicht lebensnotwendig. Ob ist nicht eine Mangostane kaufen wolle, bitte, bitte, bitte, bitte… Na, gut. Da habe ich mal drei genommen, und sie schnitt sie gleich auf und ich konnte sie verteilen. Aber nur drei, das war ihr zu wenig. Da musste doch noch mehr kommen! Nein, tat es aber nicht. Später keifte sie noch ein wenig herum, nachdem Frau Schwiegermama ihre Mangostane bei einer anderen Verkäuferin gekauft hatte. Da konnte ich nun aber wirklich nichts zu! Man hat es wirklich nicht leicht.
Nachdem wir die Stadt besichtigt hatten, speisten wir sehr gut zum Mittag im »Le Bon« und waren anschließend in der Kombination aus »für aufgestanden«, »Spaziergang durch die Stadt« und »satt« recht müde. Ich weiß noch, dass ich versuchte im Hotelzimmer ins Internet zu kommen, was nicht geklappt hatte, aber keine Energie hatte, großartig dieses Problem zu analysieren, was ich sonst probiert hätte, sondern einfach daniedersank und anfing zu schlafen. Das kann man auch nur im Urlaub machen…
Eigentlich ist es ja üblich, dass ich an Heiligabend so gegen 16.00 Uhr in der Badewanne verschwinde, aber hier in Vietnam einigermaßen zu Kräften gekommen, schleppte mich »Trust me«-Ehefrau ins Spa zu einer Massage. Ich war der Meinung, dass dies meiner Schulter gut tun würde. Resultat: Schmerzen spüre ich dort nicht mehr, dafür pocht seit 24 Stunden mein großer Zeh ohne Unterlass und ich kann kaum noch gehen. Zusammengefasst kann man sagen, dass eine großartig entspannende Stunde gewesen ist, bei der der Schmerz aber nur von einer Stelle des Körpers zu einer anderen gewandert ist – das Ergebnis aber eher mäßig ist.
Ach ja, Heiligabend. Wir wussten nicht so recht, wo wir hinwollten und suchten denn so gegen acht Uhr etwas heraus, wo man festlich Essen gehen konnten. Die Frau Schwiegermama stellte noch kurz einen Weihnachtsbaum auf und verteilte Mini-Weihnachtsmänner, worauf sich der Herr Papa heute morgen revanchierte und seinen Dresdner Stollen zum Frühstück brachte. Unser Favorit war schon ausgebucht und so ließen wir uns auf eine Empfehlung der Rezeptionistin ein. Es wurden die »Mango Rooms« in Hoi An. Nettes Ambiente, war das Erste, was wir dachten. Dann warfen wir einen Blick auf die Speisekarte und bekamen einen Schreck, denn für vietnamesische Verhältnisse waren die Preise wirklich heftig. Was uns dann serviert wurde, stimmte uns dann aber milde und wir waren der Meinung, dass es jeden Dong wert war, den wir dafür bezahlt haben. Ich hatte, recht weihnachtlich, Ente auf meinem Weihnachtsteller liegen und es mag ihr nur ein geringer Trost sein, aber sie wurde perfekt zubereitet.
Wir wechselten nach dem Essen auf den Balkon und blickten über den Fluss von Hoi An, besinnlich bei einem Cognac, Fruchtteller oder Cocktail und genossen das Lichterspiel und die Wärme. Was für ein Heiligabend.
Heute morgen ging es dann von Hoi An in Richtung Hue. Wenn man etwas in Vietnam lernst, dann ist es Entschleunigung. Fragt mich jemand, wie lang ich von Hamburg nach Mühbrook brauche (das sind vom Flughafen etwa 80 Kilometer), dann sage ich 45 bis 60 Minuten. Je nach Tageszeit, länger eigentlich nie (fairerweise sei gesagt, dass die Gegenrichtung etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen kann – ja, der Elbtunnel halt!). Von Hoi An nach Hue sollten es 130 Kilometer sein. Dafür haben wir mit vier (kleinen) Unterbrechungen (schöner Strand in Da Nang – es war aber recht stürmig, Cham-Museum, Stop auf dem Pass in Richtung Hue, Eukolyptus-Öl-Stand) dann aber doch fast fünf Stunden gebraucht.
Der Verkehr in Da Nang, wo wir heute wieder durchgefahren sind, war zivilisiert zu nennen. In Hue ist es wieder ein wenig chaotischer. Jeder fährt, wie er will. Ich hatte mal gefragt, ob es Haftpflichtversicherungen für die Kraftfahrzeugfahrer gibt, wie es so schön heißt. Ja, war die Antwort, die gibt es. Schuld ist aber immer der Autofahrer. Ach so, wirklich? Ja, war die Antwort, da er der Stärkere ist. So setzt sich das fort: Bei einem Unfall Fahrrad vs. Moped ist der Mopedfahrer immer Schuld. Das erklärt die auf den ersten Blick nicht vorhandene Rücksichtnahme im Verkehr. Die Stärkeren wissen, dass sie dran sind, wenn etwas passiert und übertreiben es nicht; die Schwächeren wissen, dass sie vielleicht die Sieger vor Gericht wären, sie aber nicht viel davon haben werden. Vermutlich würde uns Euroäern dies mit dem Ying-Yang-Prinzip erklärt werden – der Ausgleich. Sollte es mal wirklich ganz arg kommen, dann gibt es für einen Verkehrstoten von der Versicherung etwa 1.500 Dollar – davon könnte man sich gerade mal ein neues Moped kaufen, als Hinterbliebenen-Familie.
Die Frau Mama hat hier erstmal die Preise der Kofferträger versaut, in dem sie – aus Mangel an Trinkgeld – 100.000 Dong dem Kofferträger gegeben hat.
Nach einer Boot mit einem Drachenboot (bei der ich dann aus Mitleid fünf Lesezeichen gekauft habe, obwohl ich nur vier haben wollte, von denen zwei die Frau Mama genommen hat), haben wir uns eine Tempelanlage angeschaut. In der buddistischem Tempelanlage Thien Mu wurde uns das Leben der Mönche von Hoa nachgebracht, die sich als Buddistin natürlich recht gut auskennt. Wir konnten an einem Gottesdienst teilnehmen und spazierten lange durch die Anlage. Ein wirklich sehr schöner Ausflug, der uns neugierig macht, was die anderen Anlagen noch so zu bieten haben werden.
Den Abend ließen wir in einem Restaurant (»Les Jardins de la Carambole«) in der Innenstadt ausklingen, welches wirklich excellent gewesen ist; uns eine anwesende Reisegruppe aber ein wenig den Spaß genommen hat. Mit irgendwas waren sie nicht zufrieden und so ging es soweit, dass der auswärtig seiende Manager des Restaurants noch kommen musste, um Frieden zu stiften. Interessant an der Ecke, dass ein junger Mann von einem anderen Tisch demonstrativ dem Manager sagte, wie zufrieden sie seien und dass Service und Essen sehr, sehr gut wären. Der Manager kam auch an unseren Tisch und wir gaben ihm das auch zu verstehen, gerade auch weil wir sahen, dass die Bedienungen nur noch am Wirbeln waren.