Es passiert nicht so viel, wenn man den lieben langen Tag arbeitet. Mag man meinen. Aber man kann ja immer mal wieder was ausprobieren. Zum Beispiel KLM. »Und was meinste so?« Muss nicht sein, würde ich sagen. Ich wusste gar nicht, dass es sowas wie eine Komfort-Economy-Class gibt und ich sollte es wohl als Glück auffassen, dass ich in ihr saß. Pech, da sie mir auf der Rückseite nicht vergönnt sein wird. Oder um mit anderen Worten zu sprechen, nämlich denen meines holländischen Sitznachbarn: »Warum habe ich eigentlich nie das Glück, dass eine kleine zarte Malayin ihren Sitzplatz neben mir hat?« Ich finde ja, er hat noch Glück gehabt, es hätte ja auch jemand wie Klitschko sein können.
Bei den letzten beiden Aufenthalten waren es reine Schulungen und da gab es Vormittags und Nachmittags immer ganze Mahlzeiten. Da zur Zeit Ramadan ist und es keine reine Schulung ist, dachte ich mir, es sei eine gute Idee, zu frühstücken. Gut mitgedacht. Allerdings hat es auch ganz andere Konsequenzen, meine Fruchtlieferungen zum Mittag fallen nämlich auch aus – Joey erzählte mir heute, dass aufgrund der allgemeinen Ferienstimmung auch der Obst-Stand zu hat. Ich war gesten mit ihr beim Inder ums Eck, wo es ein Buffet gab. Wenn man nicht genau weiß, woran man sein könnte, sollte man sich ans Hühnchen halten. Das ist immer eine gute Wahl und war es dort auch.
Es war kurz nach sieben, der Feierabend stand mir kurz bevor, es wurde auch langsam dunkel und die Muslime hielten sich bereit, zu Essen. Joey kam zu mir und fragte, ob ich mit zum Dinner kommen wolle, Nooni hätte gefragt. Ja, warum nicht. Was immer ich mir unter Dinner vorgestellt hatte … das was kam, war es nicht. Wir traten aus der Firma und unter dem Vordach waren zahlreiche Tische aufgestellt und ein Buffet, vor dem eine Menschenschlange stand. Dinner, aha, das versprach ein Spass zu werden. Die Tische waren weiß gedeckt, es standen Wasserflaschen in Unmassen drauf. Es gab Tische, auf denen die verschiedensten Getränke standen (Säfte, gesüßter Kaffee und Tee), und die verschiedensten Speisen. Noch ein Buffet, wenn man so will. Um halb acht Uhr sollte die Sonne untergehen. Ich sah auf eine Art Vorsprung und meinte zu Joey: »Ah, es gibt auch Musik.« »Wo?« »Na, da«, und zeigte auf den Vorsprung. Nun ist Joey zweieinhalb Köpfe kleiner und mir kam in den Sinn, dazu in den Sinn, dass ich vielleicht ein wenig daneben lag. Es hörte sich Musik an, wurde aber von einem Geistlichen vorgetragen und alle fingen an zu essen. Ich dachte nur an den armen Mann, der den ganzen Tag gefastet hat, hunderte von Leuten vor sich hatte, die aßen was das Zeug hielt und er zitierte (vermutlich) aus dem Koran. Das erinnert mich an den Schnack von Joey heute, die mir erzählte, der Besitzer eines Restaurants hätte sich entschuldigt, dass das Essen nicht so gut gewürzt sei, denn der Koch könne während des Ramadan das Essen nicht kosten. Mag aber auch sein, dass sie von dem Koch des kleinen chinesischen Imbiss sprach, bei dem ich heute von Joey ausgesuchte Nudeln mit Fisch und Shrimps gegessen hatte, die »scharf« bestellt wurden, aber nicht wirklich scharf gewesen waren. Nun ist der Begriff relativ, aber ich bin mir sicher, dass ich keine mildere Fassung bekommen habe, da ich den Teller, den sie mir hingeschoben hatte – ganz Gentleman – ihr zurückschob und meinte, sie könne schon mal anfangen. Das Ambiente erinnerte ein wenig an einen Verhau, im gleichen Raum war eine Schneiderei und eine Ausstellung von Stoffen – die Art von Imbiss, an dem ich hunderprozentig vorbei gehen würde, schon allein da es keine Karte gab und ich auf Gedeih und Verdeih dem Besitzer ausgeliefert gewesen wäre. Was hinter dem Tresen sich so abspielt, möchte ich allerdings nicht wissen. Zurück zum großen Dinner: Das war von der Firma gesponsort worden und wirklich üppig. Eine Art Ramadan-Feier, wie mir Joey erzählte, und als ich sie fragte, ob die Firma auch so etwas für die chinesischen Feiertage organisieren würde, lächelte sie leicht und schüttelte den Kopf.
Wenn ich jetzt schimpfen wollte, müsste ich es wahrscheinlich auf meine eigene Dummheit. Nachdem man mich von meinem Arbeitsplatz heute »verjagt« hatte, ging ich zurück zum Hotel. Der übliche Weg, ich hielt Ausschau nach meinen Mini-Tigern von letzten Aufenthalt. Gestern hatte ich eine Baby-Katze, wie Susann würde, gesehen, die wirklich absolut verspielt gewesen war, die Alten war nicht zu sehen. Der Abendmarkt war größer und ich bin mal durchgegangen. Es war nichts Großes, eine Reihe von Ständen, die mich aber mal interessierten: Es gab größtenteils fertiges Essen, was in Schalen und Tüten abgefüllt wurde. Teilweise konnte man es auf die Hand nehmen und essen, die anderen Sachen nahmen sich die Leute wohl mit, um es zu Hause warm zu machen.
Ich hätte mir auch etwas mitnehmen sollen, denn als ich Hotel ankam, war es kurz vor halb acht und als ich mit Buch unten in der Mall stand, so gar schon danach und abgesehen davon, dass Himmel und Menschen da waren, durfte ich feststellen, dass alle Restaurants voll besetzt waren. Keine Chance, hineinzukommen. Was auf die Hand wollte ich nicht, so dachte ich mir, dass ich in den Hotel-Restaurants auf alle Fälle etwas bekommen würde. Pusteblume! Nichts zu machen, es war gerammelt voll. Man verwies mich an das japanische Restaurant, das mehr eine Bar oder ein Grill war, wo tatsächlich wenig los war. Was ich verstand: Sechs Mini-Stückchen Hühnchen in den verschiedensten Variationen haben etwa 50 RM gekostet (zwölf Euro) – für die hiesigen Verhältnisse schon fast ein Vermögen. Das Ambiente habe ich auf jeden Fall mitbezahlt.
Morgen bin ich auf jeden Fall zeitiger beim Essen.