Gestern Abend meinte Susann: Wir haben keine Brötchen für morgen früh. Die Bäcker werden wohl aufhaben, meinte ich. Skepsis machte sich auf dem Gesicht von Susann breit. Vielleicht, meinte ich, gehen wir ganz früh zum Bäcker, damit wir notfalls noch reagieren können. Wenn wir es zu spät merken, gibt es keine Plätze mehr in den Frühstücks-Restaurants, sprich den Restaurants, die Frühstück anbieten.
Um kurz nach acht Uhr war Susann zurück und vermeldete: Die Bäcker hätten zu! Drama! Nein, doch nicht. Wir überlegten, was in Frage kommt und zur Wahl standen das Café am Großflecken oder der Südbahnhof. Beide hatten wir schon mal aufgesucht. Es wurde das Erstere.
Bei der Einfahrt nach Neumünster fielen mir die Plakate für die Mai-Demos ins Auge. Aha, meinte ich, das könnte mit den Parkplätzen arg werden. Als wir Neumünster-Stadt erreicht hatten, sah Susann ihr Auto schon brennen und machte sich Gedanken um Alternativen. Wir diskutierten, ob es eine Leistung der Versicherung gäbe, wenn ein Auto Vandalismus zum Opfer fällt. Bei Voll-Kasko wohl auf alle Fälle. Das war kein Wissen, das war mehr Trost.
Wir fielen in das Restaurant am Großflecken ein und registrierten, dass die Piraten und die Grünen schon da waren. Die Grünen zahlreich, die Piraten in einer Person. War wohl noch zu früh. Der Stand der Grünen war wohlorganisiert, der der Piraten kämpfte mit dem Banner, welches sich immer wieder löste. Demo gegen Rechts, so könnte man es nennen. Die NPD wollte in Neumünster demonstrieren und hat die Demonstration genehmigt bekommen.
Erst gegen halb zehn Uhr traf die Prominenz der Piraten ein, mit ihr auch Angelika Beer. Mit ihr kam auch ein Tross von Journalisten, Kameras und Ton-Leuten. Es könnte durchaus sein, dass wir heute Abend irgendwo im Fernsehen zusehen sind. Wenn es ganz unglücklich für mich läuft, vielleicht der Moment, als ich genussvoll die Packung Nutella auslöffele. Das würde mit meinem Job als Fitness-Botschafter überhaupt nicht konform gehen.
Der Trubel war gehörig und nach dem Frühstück haben wir kurz erwogen, der Demonstration ein wenig zu folgen. Im Training bin ich ja nicht mehr, aber ein wenig Erfahrung habe ich mit solchen Veranstaltungen ja schon. Aber damals im Osten, so schien es mir, war es organisierter. Die Kampftruppen waren wohl bei der NPD mit unterwegs. Außerdem waren wir ohne Jacke unterwegs und es wurde recht windig.
Zu Hause las ich dann, dass die NPD-Demonstranten nicht – wie geplant und angekündigt – am Hauptbahnhof ausgestiegen sind sondern am Südbahnhof. Schau mal an, dachte ich mir, nicht mal das mit dem Zug fahren bekommen die richtig hin. Am Ausstieg Südbahnhof hätten wir sie ja vielleicht gesehen, aber unsere Entscheidung war ja eine andere gewesen. Mit der Demo wurde es dann nichts, da der Versammlungsleiter auch zum Südbahnhof gefahren war, wo sie von der Polizei abgefangen wurden, und ihnen mitgeteilt wurde, dass sie hier nicht sein dürften; ein Platzverbot bekamen und wieder nach Hause fahren mussten. Da dachte ich zum zweiten Mal: Schau mal an! Denn das es noch nicht mal einheimische Braune waren, wirft ja ein bezeichnendes Licht auf die Truppe. Lustigerweise hatten sich einige NPDler am Hauptbahnhof eingefunden, die durften aber nach den Berichten nicht demonstrieren, da der Versammlungsleiter nicht anwesend war. Ja, der war ja schon wieder auf dem Weg nach Hause. Dumm gelaufen.
Auf dem Großflecken wird dagegen noch bis 22.00 Uhr in buntester Manier gefeiert.
Wir kamen auf dem Weg zum Auto an einem Müll wagen vorbei. Der hatte ein nettes Plakat angebracht: Ein Hakenkreuz wanderte in den Papierkorb und der Slogan war (in etwa): Neumünster – bunt statt braun. Leider gibt keine Bilder. Der Fotoapparat war nicht mit dabei, das Handy leer.