Die Verspätung in KL war fast lächerlich zu nennen. Als alte Profis wussten wir, wie wir an ein Taxi zu kommen hatten. Der Schein war schnell geholt, als Abendbrot-Erweiterung gab es noch jeweils einen Muffin und dann ging es ab in die Queue. Der Fahrer war eine sie und schon nach wenigen Minuten wussten wir eine Menge über sie.
Sie aber auch über uns. Ein begnadetes Talent, um anderen Menschen den Mund zu lösen. Bevor das Gespräch aber so richtig in Fahrt kam, drehte sie noch einmal ab, hielt an einer Tankstelle und meinte zu uns, sie müsse mal kurz auf die Toilette.
Wir schauten uns an – das hatten wir nun auch noch nie erlebt. In der folgenden Stunde erfuhren wie so allerhand über die Taxifahrerin und Malaysia. Sie wäre Muslimin, aber eine moderne – deshalb würde sie auch kein Kopftuch tragen. Gott ist sicherlich ärgerlich mit ihr, das war ihr O-Ton. Sie hat zwei Söhne, die beide eine ausgeprägte Vorliebe für Fast Food hätten, was sie auch verstehen könne. Wir kamen deshalb drauf zu sprechen, da sie uns erzählte, die McDonalds würden hierzulande wie Pilze aus dem Boden schießen, noch nicht so viel wie KFC, aber auch ordentlich. Manchmal würde sie dort auch hingehen, auch wenn sie wüsste, dass es nicht gesund ist. Nun muss man wissen, dass der Dame die baroken Formen einer Frau schon länger entschwunden war und man ihr ansah, dass Bewegung höchstens motorisiert ihr Leben war. (Von an der Frontscheibe klebten zwei Aufkleber, die sie als McDonalds- und KFC-VIP-Mitglieder kennzeichneten – was auch immer das ist.) Sie mochte Süßigkeiten für ihr Leben gern und hat sich damit auch in der Liste der Taxifahrer, die uns mit Süßigkeiten beschenkten, auf den ersten Platz eingereiht – ich hatte das noch nicht erlebt. (Auf der Liste der abseitig fahrenden Taxifahrer steht sie aber nur auf dem zweiten Platz, denn bekanntlich, war unser Taxifahrer von der Hinfahrt des Flughafens noch ganz anders unterwegs.) Sie fuhr einen flotten Fahrstil, wenn sie mit den Süßigkeiten am Kämpfen war, manchmal auch ein wenig unkonzentriert. Sie erzählte uns, dass das Mädel vom Maut-Häuschen wie eine Tochter für sie wäre, die wäre dreiundzwanzig, ihre Tochter dagegen zwei Jahre älter. Vermutlich sieht sie das Mädel am Maut-Häuschen aber öfter. Ihre Lizenz hat sie für den Flughafen und so fährt sie nur vom Flughafen in die Umgebung und dann wieder zurück. An der Straße darf sie keine Passagiere aufnehmen. Nach Deutschland wolle sie im übrigen nicht, das wäre ihr nichts, sie würde mehr nach Frankreich oder Norwegen tendieren. Wir meinten, dass das Wetter in Norwegen im Winter auf alle Fälle nicht so toll wäre und die Dunkelheit ein wenig depressiv machen würde – aber ein Traum ist halt ein Traum. Wir haben uns in der Stunde vom Flughafen zum Hotel prächtig amüsiert und engagierten sie vom Fleck weg für die Fahrt am Freitag zum Flughafen.
Taxifahren macht hierzulande eine Menge Spaß, vorausgesetzt, man mag es, dass sich Taxifahrer mit einem beschäftigen. Wer eher den stillen und mürrischen Typ sollte, ist in Deutschland wohl besser aufgehoben. (Was keine Verallgemeinerung darstellen soll, ich hatte auch schon tolle Gespräche mit deutschen Taxifahrern – sie können aber auch sehr einsilbig sein.)
Heute morgen ging der Wecker nicht so, wie er hätte gehen sollen. Geklingelt hat er wohl schon, aber da der Ton leise gestellt war, blieb es eine eher autistische Handlung. Als ich dann schaute, war keine Gelegenheit mehr zum drücken, es hieß: Aufstehen.
Reden wir nicht über den Arbeitstag, das ist langweilig. Auf der Arbeit wurde ich von meinen Zöglingen gefragt, wie das Wochenende gewesen ist und einem jedem erzählte ich, dass es sehr schön und zu kurz gewesen wäre; und auf Nachfrage beteuerte ich, dass wir nicht Shoppen gewesen wären. Ob Steffi denn heute Shoppen wäre, war gleich die nächste Frage gewesen, aber mit Steffi ist Morgens in der Regel keine große Konversation zu führen, weshalb ich mal gar nichts annahm.
Am Nachmittag hatte sich das Wetter von strahlendem Sonnenschein und heiß in Richtung Gewitterwolken, Regen und heiß geändert, so dass ein Ausflug zu den Zwillingstürmen sinnlos erschien. Dafür müssen die nächsten Tage herhalten.
Steffi war den Tag über unterweg gewesen und hat Teile der Altstadt besucht. Gerade noch einmal nachgefragt: »Gab irgendwelche Abenteuer über Deinen Tag?« – Antwort: »Die Abenteuer gab’s erst am Abend mit Dir.« Sie meinte, der Stil ein wenig wirr – mal dies mal, mal das.
Wir fuhren in die Innenstadt – also eine Station – und stürzten uns in das indische Viertel von Kuala Lumpur – auch Brickfields genannt. Es liegt gleich an der Kuala Lumpur Sentral Station. Wir marschierten hinein, machten Fotos von dieser uns fremden Welt, kauften Süßigkeiten, weil man nach dem Kosten von sowas ja irgendwas kaufen muss – hey, ich hab sogar gehandelt – gut, nur was die Menge anging, da ich nicht bereit war einen ganzen Karton zu kaufen, aber immerhin. Dann haben wir etwas gekauft, was man guten Essen konnte, irgendwie frittiert war und sicher auch einen Namen hat. Ein paar Stück wollte Steffi davon, aber die Dame meinte rigide, dass sie eine Tüte füllt und das ganze 2 Ringgit kosten würde. Bevor man sich schlagen lässt. Sie zeigte uns »ihr« indisches Restaurant (mancher würde auch Imbiss sagen) und wir versprachen (irgendwie) später wieder zu kommen und dort zu essen.
So gingen wir noch ein wenig durch die Straßen des Viertels, sahen die besseren Seiten und die schlechteren Seiten, betrachteten die Straßen-Küchen und -Restaurants und schlugen uns dann wieder zurück zu dem Restaurant.
Mit der Bedienung kamen wir gar nicht zurecht. Er erzählte uns verschiedene Dinge und wir verstanden es nicht. Meine Vorstellung einer indischen Mahlzeit ist recht einfach gestrickt: Reis, leckeres Fleisch und leckere Soße. Dazu vielleicht ein Gewürztee und als Vorspeise ein wenig Raita. Letzteres gab’s dort wohl auch, nur wurde es anders bezeichnet. Als Bild haben wir es gesehen, bestellt bekommen haben wir es nicht. Ein wenig Tandori-Chicken und ein wenig Butter Chicken und die Welt wäre in Ordnung gewesen, Reis natürlich und ein wenig von dem leckeren Brot. Es endete in Chaos. Wir saßen in dem Etablissement wie zwei Fremdkörper, wussten gar nicht, was wir genau wollten und die Bedienung machte wohl das Geschäft seines Lebens. Er kam mit dem Tandori-Hühnchen vorbei, zeigte es uns und brachte es in die Küche. Dann kam er mit einem Teller Reis und meinte, wir mögen im Eingangsbereich, den Teller befüllen – mit den Sachen die da auf dem Buffet standen. Wir standen davor und fragten uns: Was ist denn jetzt das Butter Chicken? Nahmen irgendwas, in der Hoffnung, dass es sowas Ähnliches wäre und schmecken würde. Letzteres war gar kein Problem, es schmeckte sehr gut, auch wenn man es in eher homoöpathischen Dosen genießen sollte, wenn man nicht gleich innerlich verbrennen wollte. Dann kam auch das leckere Tandori Chicken mit einer Minzsoße – oh ja, zum Hineinlegen. (Ich schreibe mich hier gerade ein wenig in Rage…) Der Reisteller, groß und mächtig, wollte gar nicht kleiner werden, obwohl wir nur ganz wenig Fleisch drauf getan hatten und auch nicht so viel Soße. Jaaa, und dann kam die Bedienung und brachte uns zwei große Töpfe mit Butter Chicken. Da waren wir eigentlich schon satt. Es tat uns herzlich leid, aber ohne weitere Bewegung, hätte es gereicht, ein Pfefferminzblatt zu bringen und wir wären geplatzt. Ich glaube, ganz ehrlich, die Bedienung war nicht so begeistert, dass wir es stehen ließen und auch nicht bereit waren, es mit zu nehmen. Dabei war es nicht bös gemeint, wir wussten nur einfach nicht, aus auf uns zu kommt…
Dann haben wir noch ein wenig auf die S-Bahn nach Hause gewartet, die mit dem vorgegebenen 15-Minuten-Takt nicht mitkam – wie so meist – und sind dann, nach einem kleinen Schlenker (nur für mich) über den Eisstand (Schoko 90% + Pistazie), im Hotel angelandet.
Wir können nicht mehr…
Zum Foto: Butter Chicken ist noch nicht gekommen – wir waren noch guter Dinge, so zu Essen, dass morgen die Sonne scheint.