Ich bin ein armbanduhrloser Mensch, weshalb mich die ganzen Mail »KaUfe ROleX hieR guenSti« überhaupt nicht interessieren. Ein zeit-loser Mensch bin ich dagegen nicht, denn schon die ganzen technischen Gerätschaften erfordern es, dass man ein wenig synchronisiert ist. Achtet man darauf nicht, dann kann man die Daten des GPS-Trackers nicht mit denen des Fotoapparates abgleichen, das Notebook rennt permanent hinterher – das Ganze wird schnell komisch.
Susann hatte sich eine Lässigkeit diesbezüglich bewahrt, die bewundernswert war. Ihre Argumentation war einfach und schlicht: »Ich muss einfach nur zwölf Stunden drauf rechnen und dann drei abziehen. Dann weiß ich, wie spät es ist.« Oder so ähnlich. Stimmt rechnerisch. Das Bewundernswerte war heute Nacht passé, als sie auf dem Bett saß und meinte, sie wüsste nicht, wie spät es wäre.
Dazu gibt es eine kleine Geschichte: Susann plant eine Dienstreise während ihres Urlaubs und bucht eine Flug in eine der vielen Provinzen, wo fast nichts, aber zumindest ein Flugplatz vorhanden ist. Dieser Flug startete in Monterey um sechs Uhr. Da will man rechtzeitig aufstehen – für Susann hieß das vier Uhr. Mein Überschlag wäre ein anderer gewesen, aber das ist eine andere Geschichte.
So saß sie heute morgen auf dem Bett und offenbarte mir, dass sie nicht wüsste, wie spät es wäre. Ich konnte es ihr nach der Kontrolle meiner technischen Gerätschaften sagen: drei Uhr. Sie war eine Stunde zu spät aufgestanden. Nun ist es ja eigentlich egal, ob man um zehn Uhr morgens aufsteht oder um elf Uhr morgens. Das spielt keine Rolle. Es macht aber schon was aus, ob man sich um drei Uhr aus dem Bett quält oder um vier Uhr. Susann war nun um kurz nach vier Uhr fertig und wusste nicht mit sich anzufangen. Also stand ich auch auf und wir fuhren den langen weiten Weg zum Flughafen, damit sie zeitig da war. Um vier Uhr fünfzehn waren wir da.
Sie war so müde, dass sie nicht bekam, dass der Mann, der sie vom Schalter wegschickte, sie deshalb wegschickte, weil sie bei der falschen Fluggesellschaft gestanden hatte. Unsere Kommunikation ist seit halb fünf Uhr morgens unterbrochen. Ich hoffe aber einmal, dass der Rest der Reise gut verlaufen ist. In den Nachrichten war bisher nichts…
Um halb neun Uhr machte sich der Rest der Truppe auf und die Herrschaften wollten zuerst frühstücken wollten. Daraus wurde nichts. Die Adresse, die uns für ein gutes Frühstücks-Restaurant genannt wurde, existierte noch. Leider war dort nun ein Friseur untergebracht und eine Nachfrage in die Runde ergab, dass Hair styling an diesem Morgen nicht angesagt war. »Kaffee!« schallte es mir entgegen und der Herr Papa meinte, wir sollten einfach losfahren und uns ein Frühstücks-Restaurant suchen. (Ende der Geschichte: Zweieinhalb Stunden später hatten wir unser Frühstück schon. Die letzte halbe Stunde war es aber schon sehr unruhig auf den billigen Plätzen im Auto.)
Wir gelangten auf den 17-Mile-Drive und fuhren den auch hochkonzentriert ab. (Das ist auch die Erklärung, für den Satz in Klammern im Absatz zuvor.) Sprich: Ich hielt an jedem (ja, jedem) View Point an und machte meine Fotos, erfreute mich an der großartigen Landschaft und an den vielen Tieren, die ich zu sehen bekam. Frau Mama spendierte eine Tafel Schokolade, die sehr lecker war, aber keine Ablenkung im Kampf gegen die Kaffeesucht war.
Es gab da diese einsame Zypresse. Ging man den Felsen etwas herunter (Treppen, also ganz einfach), konnte man schöne Aussichten auf die Küste genießen. Unangenehme Töne einer Alarm-Anlage tönten zu mir. Nun ist es so, dass wenn Susann bei uns (bzw. mir) ist und sie eine Alarmanlage hört, fragt sie jedes Mal, ob es unsere Alarmanlage wäre. Das Interessante an der Frage ist, dass wir noch nie ein Auto mit einer Alarmanlage hatten. Selbst mein kleiner Peugeot steht, sobald eines dieser lästigen Geräusche ertönt, in dem Verdacht, Ursache des Lärms zu sein. Kann er aber gar nicht. Er hat keine Klimaanlage, keine Sitzheizung, nichts hat dieses Auto, aber es könnte ja eine Alarmanlage haben. Susann war nun nicht bei uns und ich hörte eine Alarmanlage. Mich beschlich aber sofort das dumme Gefühl: Das könnte unser Auto sein. Nein, wir hatten ja noch nie ein Auto mit Alarmanlage. Trotzdem. Meine Schwiegermama schaute mich schon komisch an und der Herr Papa schaute auch konsterniert. Von der Frau Mama war nichts zu sehen. Aha! Ich wollte gerade, neben dem Auto angekommen, fragen, wer denn den Lärm gemacht hatte, da ging die Alarmanlage des Wagens, unseres Wagens, los und alle Blicke waren auf mich gerichtet. Ich sah, wie die Frau Mama panisch mit den Armen rudernd im Auto saß (was machte sie denn da?) und ich nestelte an der Fernbedienung, den Knopf suchend, der dem Ungemach ein Ende machen konnte.
Ich hatte den Mitfahrern erklärt, wie sich die Türen öffnen ließen, wenn die Automatik zugeschlagen hat. Das funktioniert wohl auch dann, wenn der Schlüssel steckt. Entfernt sich der Schlüssel vom Auto und man tut das, geht die Alarmanlage los. Die Frau Mama, erschrockener als die Umherstehenden, hatte das wohl ausprobiert, nachdem sie ins Auto zurückgegangen war, die Tür zugeschlagen hatte, worauf hin sich das Auto ganz allein abschloss und dann aber die Automatik aushebeln wollte, als der Herr Papa und die Frau Schwiegermama zum Auto zurückkamen. Diese waren ihrerseits wieder sehr erschrocken, da sie durch die getönten Scheiben nicht sehen konnten, dass die Frau Mama schon im Auto saß. Fassen wir es zusammen: Da schlägt die Alarmanlage ein Mal richtig an, und Susann ist hunderte von Kilometern entfernt. Ist das gerecht?
An der Ausfahrt des 17-Mile-Drive hatte ich noch den Wunsch zu befriedigen, zusätzliches Karten-Material zu besorgen. Außerdem wollte ich gern wissen, ob es denn möglich wäre, mit dem Ticket noch einmal einzufahren. Ich fragte dieses bei der Dame höflich an und bekam zur Antwort: »Ja, woher kommst Du denn?« Eine Deutsche. Sie wollte natürlich nicht wissen, dass ich aus Deutschland käme. Das sagte sie mir aus dem Kopf zu. Etwas genauer sollte es schon sein, bevor sie mir eine Kostprobe ihres (wohl perfekten) Pfälzischen gab.
So ein Erlebnis hatten wir am Vortag im Museum schon gehabt, in dem einer der Betreuer aus Deutschland kam und gut alles erklären konnte und im Hotel hatte ich ein solches Erlebnis ebenso. Die geschätzten Eltern kamen nicht mehr ins Zimmer. Beide Karten verweigerten den Dienst. Ich bin also zur Rezeption und schilderte in kurzen, knappen und hoffentlich mit wenig Fehlern durchsetzten englischen Sätzen mein Anliegen. Also Antwort kam auf englisch: »Aha. Ich bräuchte Ihre ID.« Zu ihrem Kollegen meinte die Dame, dass dies das Standard-Vorgehen wäre, denn es könne ja nicht jeder mit einer solchen Zimmer-Karte kommen und sagen, das diese nicht funktionieren würde. Das diene der Sicherheit. Ich war natürlich begeistert, was den Sicherheits-Aspekt anging. Was meinen Faulheits-Aspekt anging, war ich weniger begeistert, hatte ich doch keinen Ausweis bei mir. Ich gab das kund, und sie meinte in lupenreinem Deutsch zu mir: »Wie heißen denn die beiden Bewohner? Das müssten sie mir ja sagen können.« Konnte ich, und zu ihrem Zögling meinte sie: »Die ID wäre Pflicht, es sei denn man hätte eine andere Möglichkeit zweifelsfrei festzustellen, dass der Ankömmling berechtig wäre.« Das würde ich jetzt noch tolerieren bei Russisch, Chinesisch und Kongolesisch. Bei Spanisch hätte ich schon meine Zweifel.
Nach einem ausführlichen Frühstück, welches aber schon mehr Lunch war, fuhren wir weiter in Richtung Big Sur, machten noch mehr Fotos, noch mehr Videos und versuchten uns sogar an einer Wanderung zu den Pfeiffer-Wasserfällen. Allerdings machte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Durch den Regen der vergangenen Tage war der Weg so glitschig, dass wir den Aufstieg abbrechen mussten. Schade eigentlich, denn so mein Faible für Wasserfälle noch nicht befriedigt worden. Glück war es wohl auch, denn kurze Zeit später begann es richtig zu regnen.
Dafür gab es heute als Nachtisch Erdbeer-Cheesecake und das brachte mich (und vermutlich auch den Herrn Papa, der auch ein Stück hatte) wieder ins Lot mit der Welt und ließ mich den Wasserfall vergessen.