Die eine war blond und die andere, ja ich weiß nicht. Das hat nichts zu sagen, denn es geht nicht um »das« blond, sondern darum, dass man sich ein Bild machen kann, wie sie aussehen, die Damen. Es wäre nicht charmant, wenn ich sagen würde, sie fallen nichts ins Auge. Die eine Dame ist blond, langhaarig und im besten Fall Mitte zwanzig – aber man kann sich auch verschätzen. Die andere Dame, an deren Haarfarbe ich mich nicht erinnern kann (was mich zu einem verdammt schlechten Zeugen macht), war doppelt so alt, hatte eher kurze Haare und war in Begleitung eines älteren Herren. Die beiden Damen, man kann es sich denken, hatten miteinander nichts zu tun – bis auf die Tatsache, dass sie mich heute überraschten.
Die jüngere der beiden kann ich als Kundin bezeichnen und lief für mich unter der Kategorie »ganz schön ruhig«, was sich aber ändert, wenn man ein Zwiegespräch mit ihr führt, da zeigt sie eine Lebendigkeit und ein Engagement, welches plötzlich überrascht. In der Gruppe ist sie also ganz ruhig und wird wohl unterschätzt. Selbige Dame betrachtete mit mir eine Web-Oberfläche, die ich nicht als schön bezeichnen möchte, funktional trifft es eher. Geschmückt, ein falsches wie doch auch treffendes Wort, wurde diese Oberfläche von ein paar Icons, von denen eines ganz klar eine Tastatur darstellen sollte. Die jüngere Dame platzte heraus: »Was macht denn die Kassette da?« Ich guckte auf die Oberfläche, guckte sie an, guckte auf die Oberfläche: »Die was?« »Die Kassette.« Ich glaube mich zu verhören und fragte: »Die Kassette?« Das mit dem bayerischen Akzent ist aber auch wirklich nicht einfach. »Ja.« Ich guckte zurück auf den Bildschirm, sah beim besten Willen keine Kassette sondern nur ein Tastatur-Logo-Verschnitt und meinte: »Ich bin nun wahrlich Teil der Kassetten-Generation. Aber ich kann da keine Kassette erkennen.« und zeichnete auf dem Papier vor mir ein Kassetten-Logo.
Was kam, war überraschend.
»Ich doch auch.«
Kurz kamen mir Zweifel. Sie saß gerade eine Ellenbogen-Breite entfernt von mir. Nein! Sie war vieles, aber zur Kassetten-Generation konnte sie nicht gehören. Vielleicht zur CD-Generation, wenn nicht vielleicht sogar schon zur MP3-Player-Generation. Aber zur Kassetten-Generation, da fehlten ihr doch ein paar Jahre.
»Nee! Sie nicht.« »Doch, im Kindergarten hatten wir noch Kassetten.« Ich merkte, sie hat es nicht verstanden. Die Kassetten-Generation saß vor dem Radio und hatte ein oder zwei Finger, je nach Gerät, auf den Tasten und hoffte, das die doofen Radio-Moderatoren nicht dazwischen quatschten. Das ist die Kassetten-Generation.
Die Geschichte mit der anderen Dame ist viel kürzer. Ich saß in dem netten Restaurant des Augustlhofs in Altdorf (Kurzbewertung Restaurant: Vorspeise Fois Gras – excellent, Hauptspeise Steinpilz-Risotto – mir ein wenig zu salzig, aber nicht salzig genug, dass ich hätte zurückgehen lassen, zumal Pilze und Pinienkerne mich ablenkten; Nachspeise Augustl-Variation – ich bin mir nicht sicher, ob das oder die Vorspeise der Höhepunkt waren; die Bedienungen waren sehr nett und aufmerksam, wobei die Ältere der beiden professioneller war und der Jüngeren zwei Ausrutscher unterliefen, die man nicht ignorieren konnte – leider), da kam die Dame in Begleitung des älteren Herren an meinem Tisch vorbei. Ich war wie immer unpassend gekleidet, T-Shirt und Jeans, zeitungslesend; also keinesfalls jemand, der positiv Aufmerksamkeit erregt, aber natürlich gegen Jedermann freundlich. Wenn jemand an meinem Tisch vorbeigeht, ich gerade aufblicke und dabei angeblickt werde, grüße ich. In der Dame muss das irgendetwas ausgelöst haben, sie kam an meinen Tisch, gab mir die Hand und sagte (Achtung, schlechter Zeuge, deshalb Dialog nachgestellt!): »Hallo.« Höflich wie ich bin, schlage ich die Hand nicht aus, muss aber verwirrt geschaut haben. »Beate Busch.« »Ja, hallo, aber ich glaube, wir haben uns noch nie gesehen«, war meine Antwort und lächelte. Meinen Namen hat sie nicht erfahren, aber da wir uns nicht kannten und sie an meinem eher preußischen Tonfall erkannte, dass sie mich nicht kannte, lächelte sie auch und ging ihrem älteren Herren nach, ohne sich mit zusätzlichem und unnötigen Wissen belastet zu haben.
Sie hat dann das gleiche Dessert gewählt wie ich, aber das hat nun wirklich überhaupt nichts zu sagen.