Die ganze Woche war Regen für das Wochenende angesagt worden – die Wetterkarten verkündeten es und die Leute ebenso. Es gab keinen Zweifel – Sonnabend würde es regnen. Die Iren waren sowieso schon irritiert, ob des schönen Wetters. Es schien fast so, als würden sie den Regen herbeisehnen, um ihr Gemüt wieder in Gleichgewicht bringen zu können. Was muss das für eine Enttäuschung am Sonnabend gewesen sein?
Ich war wohlpräpariert mit wärmerem Sweatshirt und Regenjacke auf Fotojagd gegangen. Das Wetter war so, wie angekündigt. Ich machte mich auf den Weg zu den Klippen von Moher. Die lagen beeindruckend vor mir. Wolken hingen drüber und der Boden war nass. In der Nacht hatte richtig geregnet, das hatte mich wach werden lassen und kontrollieren lassen, ob das Fenster zu weit auf wäre.
Nachdem ich rundherum gegangen war und selbst den Turm bestiegen habe, der einem die besten Bilder liefern sollte (für ein Supplement von zwei Euro zu den obligatorischen sechs Euro), was ich jetzt so nicht bestätigen kann. Ich schaute mir die Ausstellung an, die außer beeindruckenden Bildern auch eine Simulation des Lebens an den Klippen gibt. Keine zwanzig Minuten später kam ich heraus und staunte: Da war die Sonne. Nun konnte ich noch einmal alles abrennen und das Ganze in schön fotografieren.
Da man an die Klippen selbst gar nicht mehr herankommt, dachte ich mir, vielleicht sollte man es mal mit dem Schiff probieren. Den Pfad, die Klippen entlang, gibt es noch. Aber Schilder warnen davon, diesen zu verwenden, und das nicht nur auf Englisch und Irisch, wie hier üblich, sondern auch auf Deutsch und Französisch. Das macht schon Eindruck. Psychologisch geschickt kann man es auch nennen, dass ein Gedenkstein für die Opfer der Klippen aufgestellt wurde und Schilder der Samariter fragen, ob man eventuell mit ihnen sprechen möchte. Hätte es in der Nacht nicht geregnet, hätte ich angerufen und gefragt, ob es denn wirklich so gefährlich ist…
Von Doolin aus werden Ausfahrten angeboten. Schon auf dem Weg zum Hafen, gibt es Lock-Angebote und Informationen zu den Fahrten. Ich hielt auch an und geriet in einen Wortwechsel zwischen der Dame in dem »Büro« und einem Kunden. (Büro ist ein wenig viel gesagt, denn es handelte sich um einen Tisch und einen Stuhl in einem Treppenaufgang eines Wohnhauses.) Der war böse am schimpfen und wollte den Namen der Angestellten und den des Chefs, um sich zu beschweren. Er war wohl davon ausgegangen, dass die Preise wirklich so günstig wären, und hat mitbekommen, dass die besten Preise am Hafen zu bekommen waren. Überraschung: Verließ man den Ort, war genau das angeschlagen – die besten Preise am Hafen. Ich wäre wohl auch sauer gewesen, aber ich bin nach der Info erst einmal weitergefahren.
Ich ließ mir eine Fahrt zu den Klippen und zu den kleinsten Aaran-Inseln verkaufen. Naja, »ließ« ist wohl ein wenig komisch ausgedrückt. Da es der Reiseführer empfohlen hatte, dachte ich mir, dass es vielleicht mal ganz nett ist, diese magischen Orte anzuschauen. Für zwanzig Euro kam ich zu der Überfahrt (einschließlich der Klippen). Man kann auch online buchen, allerdings habe ich kein Angebot gesehen, welches diesen entsprach. Man ist offenbar sehr flexibel, was die Preise angeht. Es gibt ja noch andere Gesellschaften, die fahren – Wettbewerb kann was schönes sein.
Die Tour zu den Klippen sollte man unbedingt machen, es lohnt sich. Je sonniger der Tag, desto lohnenswerter wird es sein. Ich hatte mit dem Wetter Glück.
Auf der Insel hatte ich nicht ganz so viel Glück, denn ich nahm wohl den falschen Weg und sah Steine, Steine und nochmals Steine. Das ist die ersten fünf Minuten beeindruckend, legt sich aber ziemlich bald. Es schien eine gute Entscheidung zu sein, umzukehren. Aber ich glaubte dann nicht mehr, dass ich es zu den anderen Attraktionen schaffen würde. Ein Trugschluss, denn hätte ich die genaue Abfahrtszeit gewusst und auch, dass die Fähre später fahren würde, hätte ich es locker schaffen können. Naja, das nächste Mal.
Sonnengebrannt kam ich zurück und machte mich auf den Weg zum Hotel. Ich hatte ein Zimmer im »Shamrock Inn« gebucht. Sehr nett, und ich weiß nicht zu sagen, ob es sehr britisch oder sehr irisch ist. Auf alle Fälle, hat es den Charme alter Tage, so dass ich große Lust habe, da noch einmal hinzufahren. Als ich das Zimmer online buchte, war mir eigentlich klar, warum das Zimmer am Sonnabend teurer ist. Jetzt, nachdem ich dort war, eigentlich nicht mehr. Es müsste günstiger sein…
… ja!, wirklich. Aber der Reihe nach. Ich ging zu acht Uhr zum Essen und traf eine Entscheidung die genauso gut, wie falsch war – ein Steak-Sandwich mit Pommes. Das war nicht nur lecker und viel sondern in seiner Kombination aus Zwiebeln und Champignons auch ziemlich bewegend. Ich fragte irgendwann mal nach, wann denn die Musik beginnen würde. Auf die hatte ich mich ja gefreut. Gegen halb elf Uhr. Naja, das würde ja auszuhalten sein. War es nicht! Denn in der Zwischenzeit meldete sich der Kopf und meinte, sich erkundigen zu müssen, warum ich ihm neben einem Sonnenbrand auch noch einen randalierenden Magen aufbürden müsse – er müsse das alles verwalten, und er können nicht mehr. Das machte sich durch Kopfschmerzen deutlich. Ich zog mich zurück und lag noch nicht ganz, da begann die Musi.
Als ich von Musik sprach, dachte ich, dass die Herrschaften solch schöne irische Musik spielen würden, wie in dem Pub am Mittwoch. Nein, es war mehr Karaoke. Man spielte erst einmal Country-Musik, die ich eigentlich eher selten vertrage (es gibt Ausnahmen, aber die spielten nicht im Erdgeschoss). Mein Zimmer lag direkt über der Bühne und ich bekam das ganze Programm mit. Eine Stunde später war die Stimmung unten auf dem Höhepunkt und ich war schon am Überlegen, wieder nach unten zu gehen, denn man war begeistert bei dem Besten der 80er, 90er und von heute angekommen und es wurde ordentlich mitgesungen. Mir schien es dann aber keinen Unterschied zu machen, ob ich liegen blieb (und hin und wieder auf Toilette ging) und mitsang, oder ob ich mich nach unten beging, hin und wieder mitsang und dann auf Toilette eilen müsse. Gegen ein Uhr war die Musik zu Ende – ich lag noch eine Weile schlaflos im Bett und summte »Summer of 69« vor mich hin.
Heute morgen war ich dann nicht ganz so früh auf den Beinen. Es war ein trüber Tag – so einer, an dem man eigentlich liegen bleibt und einfach alles gerade sein lässt, auch wenn es 2, 4, 6 usw. ist. Es half aber nichts – ich musste raus. So fuhr ich noch ein wenig durch die Gegend und lernte dabei einiges über irische Straßen. So lang man sich nämlich auf den Hauptstraßen bewegt, kann man gut von Punkt A nach B kommen. Geht es auf Nebenstraßen hat man mit zwei Problemen zu kämpfen: Der Breite der Straße und der fehlenden Beschilderung. Was am Anfang einer Straße noch ausgeschildert wurde, findet nie wieder Erwähnung. Das ist besonders dann hilfreich, wenn sich Straßen gabeln. Noch schöner ist es, wenn man plötzlich eine Umleitung hat. »Straße geschlossen« mit einem Pfeil nach links. Danach wurde nie wieder die Umleitung erwähnt. Kein Wunder, dass ich letztlich wieder an der Straße herauskam, von der aus ich abgebogen war.
Mir war’s ja egal – denn ich bin ja so nur herumgefahren und habe im Hinterland Luft geschnuppert. Das lohnt sich in jedem Fall, wenn man keine Angst um das gemietete Auto hat und sich damit abfinden kann, auch längere Strecken mal wieder rückwärts zu fahren, weil man an dem anderen Wagen nicht vorbei kommt. Autofahren in Irland ist so ein Spaß für sich. Ich hoffe mal, das die Lacke hier gehärtet genug sind, die ganzen Feindkontakte mit dornigen Pflanzen auszuhalten.
Ich fuhr dann zum Shannon, weil ich den ja schon immer mal bereisen wollte – das war die Gelegenheit sich einen Eindruck verschaffen. Eindruck Nummer 1: nett. Dann Weiterfahrt. Eindruck Nummer 2: Fantastisch. Ich wurde an einem einsamen Platz, an dem kein anderer Mensch war, von einem nassen Hund begrüßt, der sich freute mich zu sehen und mit mir herumrannte. Immer wieder streckte er seinen Kopf dem Wind entgegen und wirkte absolut zufrieden. Keine Ahnung, wie alt der Hund gewesen ist, wo er hingehörte – aber ich schwöre, mir ist heute der glücklichste Hund auf Erden begegnet. Man hätte ihn knuddeln können (wenn er nicht so total nass gewesen wären) und einpacken und mitnehmen können. Dann wäre er aber nicht mehr der glücklichste Hund auf Erden gewesen.
Zu Hause erwartete mich dann Gulasch mit Kartoffelbrei.