Ein alter Luftschutz-Bunker in Hamburg. Ich hatte ihn mir etwas anders vorgestellt, irgendwie mehr wie ein alter, verfallener Kaufhallen-Block. Nein, dieser Bunker ist nicht zu sehen und scheint sich nicht in die Tiefe zu orientieren, sondern in die Höhe. Ist man oben, hat man einen guten Blick auf das Veranstaltungsfeld des Hamburger Doms und auf das Millerntor-Stadium. Wir waren aber gar nicht zum Gucken gekommen, sondern zum Hören, und Natalie Merchant war nicht übel und gefährlich, so hieß der Veranstaltungsort.
Vielleicht war es gut, dass ich ein wenig Abstand zum Konzert gewonnen habe. Hätte man mich unmittelbar danach gefragt, hätte ich vom Leder gezogen ohne Ende. Was mir überhaupt nicht gefiel, war der Veranstaltungsort. Allerdings trifft es nicht dies nicht ganz genau: Es ist die Organisation in dem Club, die mich hätte aufregte. Wie kann man Reihen mit Sitzen aufstellen, auf der die Leute platziert werden und zu diesen Sitzen dirigiert werden, um dann, wenn es ein wenig voller wird, alles sich selbst zu überlassen und in Kauf zu nehmen, dass diejenigen der Gäste, die zeitig gekommen sind, nichts mehr sehen können, da sich die Zuspätgekommenen einfach auf die freien Flächen stellen und so den Blick versperren. Darauf, dass die stehenden Herrschaften, Einsicht walten lassen, der Gedanke ist mir nicht eine Sekunde gekommen und ich habe es auch nicht erwartet – die Gleichgültigkeit der Veranstalter brachte mich zum Kochen. Mann, wofür haben die denn ihre tollen Hör- und Funkgeräte, kahlen Köpfe und Tätowierungen, um nicht Ordnung zu schaffen?
Man kann sich natürlich darauf zurückziehen und sagen, ist ja ein Konzert, bei dem es ums Hören geht. Ja, blöd, dass Natalie Merchant vorne noch einen kleinen Dia-Vortrag veranstaltete, von dem ich nur die Hälfte sah und die kleine zierliche Person vor mir sicher gar nichts. Dumm auch, dass die Sängerin eine auf der Bühne sehr präsente Person ist. Die Woche vorher, hätte man ein sichtbehinderter Platz überhaupt nichts ausgemacht, denn der Sänger Matt Berninger ist eher introvertiert zu singen, der vorn in sein Mikrofon singt und ein wenig mit ihm herumschmust. Bei Natalie Merchant war es ein wenig mehr. Sehr, sehr schade.
Ich habe nach dem Konzert einige Stimmen gehört, die sagten: Hätten sie doch mal das aus dem zweiten Teil des Programms, auch im ersten gemacht. Die Erwartung habe ich nicht. Sie hat gerade eine CD mit Kindern- und Schlafliedern veröffentlicht. Ist es nicht natürlich, dass diese ihr Programm bestimmen. Zumal sie zu jedem Lied und der Entstehung in ihrem Dia-Vortrag etwas zu erzählen hatte (was interessant war, auch wenn man es nur als Hörspiel mitbekommen hatte – ja, ihr Uebel & Gefaehrlich-Veranstaltungsdeppen, die Frau hatte was zu erzählen und zu zeigen!) Da ich die CD schon bemerkenswert schön fand, und es mich nicht wunderte, dass diese Lieder etwas ruhiger daherkommen, war ich voll angetan. Ich muss natürlich zugeben, dass vielleicht diejenigen, die sich die Karten recht früh gekauft hatten, nicht ahnen konnten, was im April für ein Album heraus gebracht wird. Pech halt. Der zweite Teil fing dann nach etwa siebzig, achtzig Minuten an und in diesem spielte sie ihre alte Stücke – das fetzte dann mehr und das Publikum ging mehr mit. Aber ist das nicht immer so, dass bei den alten Sachen mehr mitgeschunkelt und gesungen wird?
An einer Stelle des Konzerts meinte Natalie Merchant, dass sie hier (sprich im Konzertsaal, ohh, wie schwer mir dieses Wort über die Lippen kommt!) wäre, um uns zu unterhalten. Das machte sie sehr gut. Man bewunderte ihr Haar aus dem Publikum und daraus entspann sich ein Dialog mit einem ihrer Gitarristen und wohl auch Gedankengänge bei der Künstlerin, die das Programm etwas zum Stocken brachten, und jede Menge Lacher aus dem Publikum gab. Überhaupt merkte man, dass sie zum einen sehr viel Spaß an dem Konzert hatte, an der Interaktion und sich selbst nicht sehr ernst nimmt. Wenn sie aus dem Takt kam, dann wahrscheinlich weil sie mit ihren Gedanken noch bei den Gesprächen und Deutschkursen während des Konzertes war, sammelte sich dann aber erstaunlich fix und mit Hilfe ihrer Gefährten.
Natalie Merchants Konzerttermine werde ich auch in Zukunft auf den Kieker haben und ich kenne jetzt eine Konzert-Location, die ich Zukunft meiden werde.