Der heutige Tag stand ganz im Zeichen der Überraschungen und Irrtümer. Gestern abend hatte ich festgelegt, dass es eine gute Idee wäre, um kurz vor sieben Uhr aufzustehen. Wir wollten ja schließlich was sehen an diesem heutigen Tag. Die Tour verlief von Annecy über Grenoble nach Bramans.
Von Annecy nach Bramans kann man es locker in zwei Stunden schaffen. Da man von Annecy aber auch gut zwei Stunden (so wie wir gefahren sind, drei Stunden) nach Grenoble benötigt, wurde daraus eine Tagestour.
Das erste Stück verlief auf der Fahrt nach Grenoble verlief recht zivilisiert, anders kann man es nicht sagen. Allerdings gibt es dann ein traumhaftes Stück Fahrt zwischen Chambéry und Grenoble, welches nicht nur von Autofahrern geliebt wird, sondern auch von Fahrradfahrern. Zu beiden Spezies muss mal etwas gesagt werden.
Die Strecken, die wir die letzten Tagen gefahren sind, führten meist durchs Gebirge sprich man fuhr Serpentinen. Das ist schön und die Ausblicke, die man genießen kann sind absolut traumhaft. Nun ist man in Frankreich scheinbar der Ansicht, dass aber einer bestimmten Höhe Leitplanken nicht mehr nötig sind. Dabei ist es völlig egal, ob es zwanzig Meter hinab geht, oder ob es sich um eine Schlucht handelt. Der Autofahrer handelt auf eigene Verantwortung. Mit der Geschwindigkeit verhält es sich so, dass der geneigte Fahrer aus deutschen Landen, zur Kenntnis nimmt, dass er die Freiheit besitzt 90 km/h zu fahren, aber es völliger Wahnsinn ist, schneller als 40 km/h zu fahren. Trotzdem kann er es immer wieder erleben, dass vor der Kurve sich ein Fahrzeug von hinten nähert und man noch vor den unmöglichsten Stellen überholt wird.
Fahrradfahrer wissen um die Vorlieben ihrer autofahrenden Landsleute, aber ihnen macht das alles nichts aus. Sie müssen auch in den Bergen fahren. Nun könnte man meinen, dass sie besonders vorsichtig sind, aber das ist weit gefehlt. Anders ist es nicht zu erklären, dass sie gern zu dritt nebeneinander fahren, was besonders im Bauch prickeln muss, wenn man es auf Straßen macht, wo zwei Autos schon mal gar nicht nebeneinander passen. Ein besonderer Reiz scheint auch darin zu bestehen, den Autofahrern zu demonstrieren, wie schwierig es ist, einen Berg von 1200 Metern Höhe heraufzufahren. Mir muss man das nicht besonders klarmachen, ich kann mir das gut vorstellen, wie das ist, da hat ja unser Sharan schon mit zu kämpfen, aber muss man deshalb unbedingt auf der Mitte der Straße fahren oder gar auf der völlig falschen Straßenseite?
Egal: Die Strecke von Chambéry nach Grenoble wurde heute von beiden verrückten Verkehrsteilnehmer-Klassen bevölkert. Meine Empfehlung aufgrund einer Vermutung ist, dass es clever ist, die Fahrt an einem Werktag vorzunehmen. Da dürften wenigstens die Radfahrer in der Unterzahl sein.
Grenoble ist, auf den ersten Blick, hässlich. So ist es aber mit den meisten Städten, die man von oben betrachtet. Mit Ausnahme von Paris. Manchmal wünschte ich mir, bevor Architekten ein Hochhaus bauen, dass sie ein Modell an die Stelle in der gleichen Höhe stellen und das Ganze mal von oben betrachten. Grenoble hätte das gewiss geholfen.
Auf den zweiten Blick hat die Stadt eine interessante Altstadt und ein absolutes Highlight ist es für etwa sieben Euro an einer Kugel hoch zu Bastille zu schweben, über die Stadt zu schauen, die Hochhäuser zu verdammen und dann wieder zurück zu fahren. Wenn man in der Nähe ist, so wie wir, kann man die Stadt mal mitnehmen. Ich würde jetzt allerdings nicht sagen: Fahrt nach Grenoble! Nein, dann würde ich sagen: Fahrt nach Annecy.
Die Fahrt nach Brahams, einem kleinen Bergdörfchen an der französischen Grenze zu Italien, begann in Grenoble mit einer deftigen Überraschung: Unser TomTom wollte nicht starten. Ich hatte mir zwar kurz angeschaut, wie die Route aussehen würde, aber mich dabei mehr für die Zeit und die Kilometer interessiert, als für die Routenführung selbst. Die würde sich aus meiner Standardeinstellung »Autobahnen vermeiden« von selbst interessant gestalten. Ohne den TomTom würde das aber mehr als interessant werden, das war mir klar. Nun hatte Susann aber Gott sei Dank aus einem der Hotels ein Näh-Set mitgenommen und in diesem war eine Sicherheitsnadel enthalten, mit der sich unser TomTom zurücksetzen ließ. Die Sicherheitsnadel haben wir zum offiziellen Equipment des Autos erkoren und an sicherer Stelle verwahrt – wer weiß, wann uns das mal wieder passiert. Die nächste Viertelstunde ließ uns TomTom noch ein wenig zweifeln, weil er nicht bereit war, einen einzigen Satelliten zu finden – aber schließlich klappt es dann aber doch.
Die Fahrt nach Brahams unterschied sich nicht von der Fahrt nach Grenoble, nur dass alles ein wenig höher, einsamer und gefährlicher war. Unser Auto hat heute wohl das erste Mal die 2000-Meter-Marke gepackt. Ein beeindruckender Moment. Danach ging es steil hinab und ich hatte nicht ganz so viel von der Landschaft (und den Wasserfällen), da es an den Seiten ohne irgendeine Begrenzung steil hinab ging und unser Leben doch ein wenig mehr wert war.
Susann war recht angespannt und als es dann etwas flacher wurde, legte sie einen Viertel-Stunden-Schlaf hin, um danach wieder angespannt zu sein, denn plötzlich wurde die Frage interessant, wo es denn hingehen würde: Dass es nach Brahams gehen würde, wusste sie ja nicht und wenn sie es gewusst hätte, hätte es ihr auch nicht geholfen, denn der Karte war in unserer Frankreich-Karte auch nicht eingezeichnet. Ein Grund, warum ein Total-Ausfall des TomTom so fatal auch für mich gewesen wäre.
Ihre Vermutung war Italien, aber das war natürlich falsch geraten. Kurz vor unserem Ziel, gab es eine Umleitung, die uns durch zwei Dörfer lotste, den Wege nicht für Minivans ausgelegt waren, aber wir haben es trotzdem geschafft und da das Gebirge, wenn ich das mit meinem einen Ohr, das ich für Susann hatte, richtig gehört habe, war das Gebirge der Liebenden, was sie ja total süß fand und vermutlich glaubte, das wäre der Grund, warum ich diese Strecke gewählt hatte. Nein, der Grund war weniger romantisch: Unsere eigentliche Strecke war gesperrt. Irgendwie bitter.
Da es ja schon so viele Überraschungen gab, gab es dann auch noch eine im Hotel. Wir begrüßten die Hotelier freundlich, nannten unseren Namen und ernteten nur einen verständnislosen Blick. Während ich schon am überlegen war, ob wir vielleicht das falsche Hotel gewählt hätten, was ein dummer Gedanke war, denn dieses Dorf kannte nur dieses eine Hotel, schaute er in seinen Unterlagen nach, und offenbarte uns, dass wir für morgen und übermorgen gemeldet waren. Oh, dachte ich, ganz schlecht! In der Umgebung gab es nichts anderes. Aber wir hatten Glück. Ein Mitglied einer Reisegruppe hatte abgesagt, und so bekamen wir noch ein Zimmer für diese Nacht. Das hört sich jetzt spektakulär an, aber da er nur zehn Zimmer in seinem Hotel hat, war das schon großes Glück.
Wir waren dann auch im Hotel essen – es ist vermutlich auch die einzige gastronomische Einrichtung hier vor Ort, soweit wir das gesehen haben. Morgen wollen wir den Ort mal näher untersuchen. Länger als fünfzehn Minuten werden wir nicht benötigen, dafür bietet die Umgebung aber einiges.
Das Wappen dieses Landstriches (näheres übrigens hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Savoyen) erinnert sehr an die schweizerische Flagge, wie auch das Essen. Es ist viel von Raclette die Rede und Fondue ist in jedem Restaurant an der Tagesordnung. Heute abend gab es recht rustikales zu essen. Sowohl Susann wie auch meine Wenigkeit hatten Gerichte gewählt, die wir nicht zu deuten wussten. Bei mir, das war zu erahnen, war Schwein im Spiel. Susanns Wahl war für uns, die wir dieses mal überhaupt gar kein Wörterbuch dabei hatten, gar nicht zu deuten, dass ich schon meinte, vielleicht wäre es ja Murmeltier. Aber nein, es war eine Schinkenwurst, so würde ich es mal sagen, und sie hat diese nicht nur für lecker erklärt, sondern auch komplett aufgegessen. Aber allein der Vorspeisenteller hätte schon gereicht.
Hatte ich schon erwähnt, dass wir begeistert sind?