Terra Gallus

Johannesburg

Eine bessere Einleitung kann es gar nicht geben als eine Bemerkung von Susann: »So viele positive Überraschungen.«

Der Flieger war pünktlich in Frankfurt gestartet, dann hatte er auch noch Rückenwind, so dass er eine halbe Stunde eher in Johannesburg landete. Auf die Schlaftabletten hatte ich verzichtet, wieder einmal und somit hatte ich wieder einmal einen Fehler gemacht. Wenn ich eine Stunde geschlafen habe, dann war es viel. Man macht die Augen zu, ich habe es sogar mit der Maske versucht, aber irgendwann fängt man an unter dieser Maske zu schwitzen, die Beinposition ist irgendwie nicht optimal und überhaupt. Ich verstehe nicht, warum ich in Zügen prächtig schlafen kann und in Flugzeugen und Autos nicht. Muss irgendwas mit Kontrollreflexen zu tun haben.

Aprops Kontrolle: Die Sicherheitsfilmchen von South African Airways verdienen besondere Beachtung. Selten fühlte ich mich bei einer Präsentation so gut unterhalten. Ein Rätsel sind mir ja immer noch die Leuchtstreifen am Boden, die ich noch nie entdecken konnte. Vielleicht ja auch gut so.

Das Essen war recht delikat: Zur Auswahl standen Hühnchen- und Rind-Gerichte. Begleitet von einem leckeren Salat davor und einem gar köstlichen Dessert. Na ja, wenn ich ehrlich bin, gibt es ja immer Hühnchen- oder Rind-Gerichte, wenn man sich nicht gerade als Vegetarier einstufen lässt. Die Wahrscheinlichkeit, dann aber eine Variation von Spinat zu bekommen, ist ungefähr so hoch, wie die, ausgerechnet vor dem ersten Rendez-vous einen Pickel auf der Nase zu bekommen – und von daher zumindest für mich ein zu hohes Risiko. So hatte ich Hühnchen auf Nudeln in einer Soße, deren Zusammensetzung auf ewig das Geheimnis der Skychefs bleiben wird. Um das Positive zu betonen: Britische Flugköche sind allesamt Sadisten, da haben wir noch mal richtig Glück gehabt.

Das Filmprogramm war erbauend gut für einen Flug in der Touristenklasse, das kann man von dem Abstand, den man zum Vordermann hat, nicht unbedingt sagen. Aber man kann es ja auch besser haben, das ist ja nur eine Kostenfrage.

Unausgeschlafen landeten wir in Johannesburg, der Kapitän legte eine butterweiche Landung hin. Keiner klatschte, ich bin ja mittlerweile schon für Kleinigkeiten dankbar. Da wir das Glück hatten, in der letzten Reihe zu sitzen, waren wir auch als Letzte aus dem Flieger ausgestiegen (wir hatten als mithin am meisten von dem Flug, weil wir ja auch zu erst einsteigen durften) und waren auch die letzen an der Passkontrolle. Das zog sich hin. Wie alle Passbeamten der Welt sind auch die südafrikanischen Passbeamten ausgesprochen freundliche und nette Zeitgenossen, die das aber gekonnt zu verstecken wissen. Man weiß ja auch von Flugbegleitern und Flugbegleiterinnen, dass das ständige Lächeln nur Stress macht und man es eigentlich lassen sollte. (Ehemänner, die regelmäßig mit ihren Angetrauten frühstücken, haben das übrigens schon viel früher entdeckt als die Wissenschaft.)

Im Terminal wurden wir von einer netten Dame empfangen, die uns die kompletten Reiseunterlagen übergab – wir hatten ja immer das Gefühl, dass sie ein wenig unvollständig waren, trauten uns das aber nicht zu fragen – und die uns dann auch zur Autovermietung begleitete.

Dort haben wir unsere gesamten Besitztümer verpfändet, um einen Wagen zu mieten, der von der Länge an eine Staatskarosse herankommt, dessen Höhe es erforderlich macht, das Krabbeln wieder zu erlernen und dessen Laderaum zwei Drittel des Wagens ausmacht – so dass die Fahrgastkabine nicht ganz so wohnlich ist, wie wir uns es vorgestellt haben. Das Auto ist für eindeutig für Eheleute ohne Kinder mit Katzen und Hunden (die man halt räumlich trennen muss, wenn man mit ihnen gemeinsam einen Ausflug macht) gebaut worden.

Da meine Eltern mit von der Partie sind und man ja nicht so weiß, wie es so laufen wird, ergeben sich daraus aber ganz interessante disziplinarische Möglichkeiten.

Die Südafrikaner fahren bekanntermaßen ja auf der falschen Seite. Sie versuchen sich ein wenig bei den „normalen“ Europäern einzuschleimen, in dem sie zumindest auf die Meilen verzichtet haben und mit dem metrischen System arbeiten. Aber das macht nicht alles gut: Ich hatte in meiner grenzenlosen Naivität zumindest vermutet, dass sie die fremden Fahrer zumindest damit bei Laune halten, dass sie die Gerätschaften im Auto einigermaßen in der Symmetrie halten – wohl ahnend, dass das schon mit dem Schaltknüppel nicht so hinhauen wird.

Wenn man dann aber erst einmal losfährt und sich über das komische Blinkergeräusch wundert, wird einem das ganze Ungemach erst richtig bewusst. Es braucht eine Weile, bis man nicht mehr den Scheibenwischer betätigt, wenn man nach rechts abbiegen will. Die Verkehrsteilnehmer dürften in der Nähe des Flughafens immer ein wenig irritiert über die Fahrkünste sein, aber sich an blitzblanken Scheiben dieser Autos erfreuen.

Auch im Hotel hatten wir Glück: Wir kamen recht zeitig dort an und hätten regulär mindestens fünf Stunden auf unsere Zimmer warten müssen. Der Geruch, den wir mittlerweile ausströmten, motivierte aber das Personal, uns schneller Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Der Blick aus dem Hotelzimmer gab den Blick auf den Flughafen frei und wir konnten erst dann unser Glück richtig fassen. Wo hat man es denn, dass man aus dem Flughafen-Hotelzimmer direkt auf Teile eines verunglückten Jets gucken kann?

Gleichzeitig fanden wir noch die Kraft, uns einen Führer (nicht, wie ihr jetzt denkt!) für eine Tour durch Soweto und Johannesburg zu besorgen.

Nach einer kleinen Dusche und etwas Ruhe ging es kurz nach dem nicht eingenommenen Mittagessen los: Wir fuhren in Richtung Soweto und fahren ein weiteres Mal überrascht. Das war ganz anders, als wir uns es vorgestellt hatten. Zuerst einmal bekamen wir die Luxus-Siedlung von Soweto zu sehen. Ja, Luxus. So diese Sache, die reiche Leute zu genießen pflegen. Gibt es auch in Soweto. Gewiss, ist dass nicht die Masse. Schaut man dann ein wenig weiter, stellt man fest, dass die Hütten, die dort stehen größtenteils recht robuster Natur sind. Als Problem mag man dann eher ansehen, dass es zwischen den Häusern nicht recht wohnlich aussieht. Änderungen hat es gewiss auch dadurch gegeben, dass die Regierung Südafrikas massiv in den sozialen Wohnungsbau investiert hat und die Viertel mittlerweile auch an Strom und Wasser angeschlossen sind oder werden. Sully, unser Guide, erzählte uns auch, dass die Umgebung von Johannesburg im letzten Jahr einen massiven Zustrom von Asylanten aus Simbabwe zu verkraften hat. Wenn es einen selbst nicht besonders gut ist, ist man auf Fremde, die einem das Wenige, was zu verteilen ist, vielleicht noch streitig machen, weniger gut zu sprechen. Das erklärt auch die Unruhen, die es im letzten Jahr gab.

Wir waren in der einzige Straße der Welt, in der zwei Nobelpreisträger lebten – Tutu und Mandela und besuchten das Mandela-Museum und noch ein zweites, welches sich mit der Schüler-Revolte in Soweto beschäftigte.

Übrigens einen Aspekt finde ich ganz interessant: Stolz. Obwohl es ihnen nicht so prächtig geht, sind die Südafrikaner, die wir kennengelernt haben, sehr stolz auf ihre Mitbürger und auf das, was geschaffen wird. Sie lieben ihre berühmten Landsleute. Sie sind stolz auf das Geschaffene, wie zum Beispiel die noch nicht ganz fertigen Stadien. (Sully: »Ja klar wird das Stadium bis zum Beginn der Weltmeisterschaft fertig. In ihm wird ja schließlich die Eröffnung gefeiert.« und er besorgte uns auch gleich das dazu passende Infomaterial.)

Und ein zweiter Aspekt sei auch noch erwähnt: Sully ist in einem Alter, in dem er die Apartheid bewusst wahrgenommen hat. Heißt beispielsweise: Straßenseite wechseln, wenn ein Weißer kam. Bei dieser Tour, die wir machten, hat er diese Erlebnisse kein einziges Mal erwähnt und das ist mir auch beim letzten Mal in Südafrika schon aufgefallen: Spricht man Schwarze, die es erlebt haben können darauf an, dann erzählen sie davon. Von sich aus allerdings nicht.

Gegen Ende der Tour wurde es dann etwas ruhiger, wenn man von dem gleichmäßigen Schnarchen des Herrn Papa einmal absieht. So war die Tour durch Johannesburg etwas kürzer. Es fehlte die nötige Aufmerksamkeit.

Ein kleines Mahl vor dem Abendbrot konnten wir noch gebrauchen, und da gibt es einen kleinen Shop im Hotel. Dort stand auch ein Mann mit seiner Frau und seiner Tochter. „Woher wir denn kämen.“ Aus Deutschland. Sehr interessant, da ist er nächste Woche. „Ich komme aus Saudi-Arabien.“ Aha, die Frau war nicht verschleiert und guckte uns in Gesicht, als täte sie das den lieben langen Tag, gab uns die Hand zur Begrüßung. Der nette, interessierte Mann aus Saudi-Arabien grüßte auch Susann und die Frau Mama ohne die geringste Scheu. Was ist eigentlich mit der Welt los, dass man sämtliche Gewissheiten ständig auf ihre Gültigkeit überprüfen muss? Die Frau fragte mich, während ihr Mann sich mit dem Erscheinungsbild der Euros beschäftigte (Ob wir denn nicht auch einen Fünfziger dabei hätten? Ähh, nein, gerade heute vormittag getauscht ind Rand und er war ein wenig entsetzt, dass es Einhunderter- und Zweihunderter gab, wir diese aber nicht dabei hatten. Also entsetzt war er darüber, dass wir sie nicht zeigen konnten… ein wenig schnöselig ist das schon), wie denn das Wetter in Deutschland wäre. Kalt, musste ich ihr antworten, ihre jetzige Kleidung wäre in Deutschland nicht angemessen und auch dem Kinde sollte man etwas Warmes zum Anziehen geben. Geld, man hat es schon herausgehört, war nicht so das Problem, da die Frau gleich Dollars in Euro wechseln wollte. Wir mussten passen, da wir den Hundert-Dollar-Schein – kleiner hatten sie‘s nicht – nicht so schnell kleinbekommen hätten.

Abendessen gab es in einer Mall, die zum Hotel gehörte und ziemlich abgefahren war. Sie war in einem Gebäude untergebracht und um den perfekten Eindruck einer Plaza zu erzeugen, hat man einen wunderschönen Himmel auf die gewölbte Decke gebaut. Der Wein, aus Südafrika, war natürlich – wie uns der Kellner bestätigte – hervorragend, auch wenn er uns einen anderen als den von uns gewählten empfohlen hatte (was preislich nicht relevant war), weil der Wein von einer Winzer-Familie erzeugt worden wäre, während der andere auf einem Weingut mit Business-Leuten kreiert worden war.

Also: Johannesburg, Stinken wie ein Iltis, Links-Verkehr, Soweto, Saudi-Arabier und eine nachgebaute Plaza mit selbstkreiertem Himmel – Susann kommentierte es so: »Das war schön heute. Wir haben schon eine Menge erlebt!« Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Die mobile Version verlassen