Nein, keine Abhandlung über das Gestern und das Heute, denn gestern war ich ja nicht hier, sondern erst heute. Es geht um das gestrige Gestern, an dem ich nicht dazu kam, eine Zeile zu verfassen, was heute nachgeholt werden muss.
Auf der Tagesordnung stand die Fahrt zum Addo-Nationalpark, ein großer Tierpark, der Elefanten gewidmet ist. Nun waren wir schon im Krüger gewesen und da schien es mir, als ob eine Übernachtung ein Witz wäre und irgendwie überflüssig. Was konnte man da schon sehen? Elefanten gab es im Krüger ja auch.
Wir sind aus dem Cock Inn nicht so zeitig los und wurden ganz lieb von der Hausherrin verabschiedet. Wir sollten in die Welt tragen, wie toll es dort wäre: »Es ist toll!« Gegen 14:37 Uhr kamen wir im Addo an. Groß mit der Zeit rumgeplempert hatten wir nicht, außer, dass wir einen Zwischenstopp in Grahamstown gemacht hatten und ein kleines Häppchen in einem Laden unterwegs eingenommen hatten. Die Bedienung in dem Laden war »total« nett und fröhlich und freute sich so sehr darüber, dass wir das genommen hatten, was sie uns empfohlen hatte, dass sie die ganze Zeit strahlte, vor sich hin sang und tänzelte. Man hat so was noch nicht gesehen. Das Trinkgeld fiel aufgrund dieser Nettigkeit ansehnlich aus, und das dem folgende Strahlegesicht übertraf alles. Sie hatte unseren Tag gemacht, wir wahrscheinlich den ihren. Dazu kam noch zwei kleine Kinder, deren schwarzen Gesichter mit Vanilleeis verschmiert waren – eigentlich war der gestrige Tag damit schon perfekt.
Ich erinnere mich an die exakte Ankunftszeit deshalb, weil wir kurz eincheckten und dann fragten, ob wir denn noch eine Safari machten könnten. Ja, hieß es, um 15:00 Uhr. Wir brachten das Gepäck gar nicht mehr weg. Die unterschiedlichen Geschäfte, die zu erledigen waren, mussten in fremden Gefilden – öffentlich, aber überdacht – erledigt werden und dann starteten wir auch zur Safari. Mit dabei unsere Ulmer Reisekollegen, die jetzt fast jeden Tag seit Dundee gesehen hatten, und eine holländische Familie mit zwei so angenehmen wie vorwitzigen Kindern.
Der Guide gab die üblichen Bemerkungen zum Anfang von sich, was man tun und lassen sollte und nicht sollte. Er bemerkte unter anderem an, dass er Aufenthalte außerhalb des Wagens nicht empfehlen würde, und würde irgendjemand in Schwulitäten kommen, weil er sich plötzlich Löwen gegenübersieht, sollte er nicht auf Rettung durch ihn hoffen, er wäre der erste, der wegrennt. Sehr sympathisch und ehrlich.
Wir trafen ein Warzenschwein als ersten Tier (so ich mich recht erinnere) und er stieg ab, und meinte »So, hier hätten wir ein Tier.« Will heißen, er schien nicht nur sympathisch und ehrlich zu sein, er hatte auch noch eine Menge Humor. So ging es weiter, denn der gute Mann – dessen Namen ich mir wirklich nicht merken konnte, da es eine wilde Mischung von aneinander gereihten Konsonanten war, wie sie im Deutschen nicht so häufig vorkommen – erwies sich auch als lebende Tier-Enzyklopädie, der über jedes Tier, was uns über den Weg lief, erzählen, erzählen und nochmals erzählen konnte. Wir waren positiv überrascht, das war mehr, als wir im Krüger mit dem Thompson-Fahrer erlebt hatten.
Er dürfte allerdings auch überrascht werden, denn eines der kleinen Mädchen fragte, ob Elefanten auch Diabetes bekommen könnte. Ich vermute mal ganz stark, dass diese Frage vorher nie gekommen war. Die Antwort war übrigens eine Verneinung, mit einem kleinen aber interessanten Exkurs in Richtung Selbstheilung.War ich also am Morgen noch der Meinung, dass dieser Nationalpark auf unserer Tour irgendwie überflüssig wäre, so musste ich diese Meinung an gestern Nachmittag komplett revidieren. Schade, dass wir nur die eine Nacht hatten. Wir gingen noch zu dem Beobachtungspunkt im Camp und beobachteten während des Sonnenuntergangs die Tiere, die an die Tränke kamen. Nur mit der Kamera bewaffnet, mussten die Tiere sich vor uns nicht fürchten. Wir waren für die Tiere »unsichtbar«, zumindest taten wir so, und uns konnte auch nichts passieren, da vor dem Unsichtbarmach-Ding ein Elektrozaun verlief, der jedem Tier die Lust am Menschenfressen genommen hätte. Aber solche Tierchen fanden sich auch gar nicht erst ein, und so beobachten wir »mal wieder« Elefanten und Kudos.
Bei einem »normalen« Urlaub wird man für komplett verrückt erklärt, wenn man um kurz nach fünf Uhr aufsteht. Wir kamen uns auch verrückt vor, als wir das heute morgen taten. Aber wir wollten den gestern gefassten Entschluss umsetzen, und eine morgendliche Selbst-Safari starten. Um sechs Uhr standen wir mit unserem immer noch recht dreckigen Auto, welches unser Erkennungszeichen geworden ist, vor dem Gate und begehrten Einlass. Es hatte sich gelohnt: Es gab eine Menge Elefanten – darunter viele Junioren, sahen Schakale, einen Fuchs, der sich gut zu verstecken wusste, Strauße, Kudos und, und, und. Nur die Löwen, die blieben uns verborgen. Da wir die ganze Tour über diese Miezekatzen nicht gesehen haben (ich sehe mal das aus der Ferne im Krüger nicht), kommen wir wohl nicht umhin, noch mal nach Südafrika fahren zu müssen. Es ist aber auch ein Kreuz!
Am Krüger ließ unser Guide übrigens nicht viele gute Haare. Da ist sicher auch ein wenig Konkurrenz mit dabei, aber erzählte auch, dass im Krüger Nationalpark mittlerweile Elefanten abgeschossen würden, weil sie ihrer nicht mehr Herr werden würden – in seinen Augen ein Konzeptionsfehler im Park. In Addo wäre das nicht der Fall. (Aber was nicht ist, kann ja noch werden.)
Zugefüttert wird auf keinen Fall, der Mensch überlässt alles sich selbst – wenn man mal davon absieht, dass Straßen gebaut werden, Menschen mit Autos herumfahren und über ein Pumpensystem die Wasserstellen mit Wasser versorgt werden. »Etwas sich zu überlassen« ist halt auch eine relative Angelegenheit.
Nach einem kleine Frühstück im Restaurant des Parks und einem kleinen Anruf in Deutschland, um den Daheimgebliebenen Südafrika schmackhaft zu machen, machten wir uns auf den Weg nach Knysna. Ein sehr, sehr beliebter Ferienort an der Garden Route. Traumhaft gelegen am Wasser. Die Strände, die wir unterwegs sahen, waren einfach herrlich.
Aber (dass muss jetzt einfach sein): Es ist touristisch, es ist irgendwie europäisch, es wird ganz anders.