Terra Gallus

Alle viere von sich gestreckt

»Da müssen wir nicht noch mal hin!« Mit dieser simplen Zusammenfassung beendete Susann das Thema Kokstad. Das sehen Frau Mama und Herr Papa wahrscheinlich genauso, denn bis auf das Hotel war Kokstad nicht der Rede wert.

Unsere kundigen Führer in Sachen »Geschichte, Natur, Wissenswertes & Trivia« hatten beim Thema »Kokstad« übrigens vollständig versagt: Dieser hohe Backstein-Turm, den wir in Kokstad gesucht haben, ist ein Phantom gewesen. Denn wir standen vor diesem Gebäude mit den hohen Türmen, aber es war nicht das Gebäude, was die Reiseführer in unser Tages-Hightlight-Beschreibung gemeint hatten – die meinten die City Mall in Pietermaritzburg. Da waren wir allerdings nicht gewesen.

Die Dame im Hotel dürfte unsere Begierigkeit, die Kirche mit den hohen Türmen zu sehen, ziemlich verwundert haben. Als wir dann an der Kirche standen, und sie auch fotografierten, kamen wir schon zu dem Schluss, dass sie uns wohl zu der falschen Kirche geschickt hat. Nein, hatte sie aber nicht. Sie hatte uns zu der Kirche mit den höchsten Türmen geschickt, die Kokstad aufweisen konnte.

Gestern morgen sprühte das volle Leben in Kokstad, ich hatte mal die Gelegenheit, die Hupe an unserem Auto auszuprobieren und konnte so meinen Unmut über die Verkehrsteilnehmer um mich herum ausdrücken. Verglichen mit anderen Ländern wird die Hupe von den Südafrikanern aber wenig eingesetzt.

Wer ein paar PS unter der Haube hat (und auch die, die das nicht haben), nutzen ihre Lebenszeit lieber, diese durch gewagte Überholmanöver auf den Straßen zu verkürzen. Da können zwei durchgezogene Linien die Straße zieren und es kann in eine unübersichtliche Kurve gehen – es wird trotzdem überholt. Der Überholte reagiert aber nicht mit Unverständnis, sondern unterstützt dieses Ansinnen, in dem er sich etwas zur Seite auf den oft vorhandenen Standstreifen bewegt und so Durchlass gewährt. (Kann man sich das bitte mal auf deutschen Straßen vorstellen. Nein? Danke. Mir gelingt das auch nicht.) Das ist recht angenehm, gerade wenn man mal wieder auf langsame Autos trifft.

Treffen tut man, ich hatte es schon erwähnt, auch auf viel Viehzeug. Mit Vorliebe halt Rinder und Ziegen. Die stehen fast immer am Wegesrand und gestern, auf dem Weg hier her, sah ich ein Schild, das uns Kühe ankündigte und darunter stand »180 km«. So war es dann auch.

Am Wegesrand war dann auch so allerlei nicht mehr lebendes Viehzeug, bevorzugt Ziegen, zu sehen, welche alle Viere von sich gestreckt ihrer natürlichen Auflösung entgegenstrebten. Noch relativ frisch war ein Pferd, welches am Straßenrand lag, während das zweite Pferd in diesem Zustand nur noch anhand des Kopfes zu erkennen gewesen war – an dem Rest hatten sich wohl die Hunde gütlich getan.

Kamen wir durch Städte, konnten wir immer ein reges Treiben beobachten. In der Innenstadt ist immer Markt. Die Leute marschieren an allen Stellen über die Straße, kümmern sich dabei durchaus um die Autos, allerdings weniger um rote Ampeln. In Ruhe einkaufen ist in diesen Städten nicht möglich, denn überall tönt Musik aus Lautsprechern, teilweise auch von Ansagen überlagert, in denen Waren und ihre Preise angepriesen werden.

Auf unserem Weg zur Wild Coast tat das Wetter sein Bestes, um uns in schlechte Stimmung zu versetzen. Es war bewölkt und die Ankündigungen Susanns, »Da hinten lockert es schon auf.« und »Schaut mal, da hinten wird es heller!«, waren deutlich mehr von Wunschdenken durchsetzt denn durch Tatsachen unterfüttert. Ganz im Gegenteil: In der bergigen, bei schönem Wetter wohl sehr reizvollen Tour die N2 entlang, wurde es schlussendlich wieder neblig, so dass man kaum seine Hand vor den Scheibenwischern sehen konnte.

Gegen zwei Uhr kamen wir im »Cock Inn« an und fühlten uns plötzlich in eine ganz andere Zeit versetzt. Begrüßt wurden wir durch ein Rudel Jack-Russel-Terrier, die begeistert waren uns zu sehen, uns umtanzten und sich auch gleich streicheln ließen. Diejenigen, die sich nicht gleich herunterbeugten, wurden angesprungen und so zum Ausdruck gebracht: »Entweder streicheln oder spielen – am Besten beides!«

Wir traten in das Haus und standen in einem Museum. Die Suche nach der Hausherrin oder dem Hausherren schlug fehl und so machten wir einen Rundgang und waren begeistert über die Gartenanlage. Beim zweiten Versuch, jemanden zu finden, der uns entgegennahm, trafen wir dann die Hausherrin, die von einem ähnlich lebhaften Temperament besessen ist, wie ihre Hunde; uns herzlich und warm begrüßte. Sie zeigte uns die Zimmer mit den Themen »Lavendel«, »Afrika« und »Hahn«. Susann wollte Letzteres haben, die Eltern entschieden sich für das lavendelfarbene, für Hochzeitsreisen sicher reizende, ansonsten für jeden normalen Mann eine Reizüberflutung darstellende, Zimmer.  In dem Zimmer war alles lila. Bis ins letzte Detail.

Anschließend nahmen wir eine heiße Schokolade im Garten, dazu wurde ein Stückchen Kuchen gereicht. Wir waren und wir sind begeistert.

Das Wetter hatte sich das mittlerweile auch überlegt und es war warm geworden, die Sonne kam hervor. Mir machten uns auf den Weg zur Küste und betrachteten den Indischen Ozean. Susann steckte ihren Zeigefinger ins Wasser und befand, dass das Wasser schön warm wäre. Ich zog mir mal die Schuhe und Strümpfe (in der Reihenfolge!) aus und ging mit den Füßen ins Wasser und konnte das nicht mehr unumwunden bestätigen. Ein Grund dafür, dass man kaum jemanden sah, der im Meer badete. Der andere Grund war aber sicher auch, dass der Wellengang recht hoch war und kaum ein Mensch am Wasser war.

Das Abendessen wurde im »Cock Inn« gereicht und man kann es nur in den höchsten Tönen loben. Es gab eine Suppe, einen Zwischengang, ein Hauptgericht und eine Nachspeise – dazu auch noch Salat. Mit den Worten »lecker und schmackhaft« ist das Menü gewiss nur vage beschrieben. Ich hatte schon die Befürchtung, dass ich die heutige Tour allein mit dem Herrn Papa bestreiten muss, da sich die Damen der Herren mit der Hausherrin in die Küche verkrümeln würden.

Nun liegen wir hier, alle viere von uns gestreckt, nicht ganz so tot wie die Unglücklichen am Wegesrand und schauen auf einen blauen Himmel. Alles lädt zum Aufstehen ein, aber Susann will mal wieder nicht. Sie prüft die Immobilienpreise in Südafrika.

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