Ich hatte einen schönen Titel für diesen Artikel. Nun aber bin ich mir nicht sicher, ob ich ihn wirklich nehme. Ich dachte an: „Zwei Männer“.
Es ist nicht so, dass einem hier in Paris die Frauen nicht auffallen. Heute, ich war gerade am Telefon und schaute auf die Straße aus dem Büro, war ich einen Augenblick sprachlos, was französische Frauen durch ihren Habitus ausdrücken konnten. Noch nie habe ich gesehen, dass eine Frau so empört stehen kann. Wohlgemerkt, ich sah sie aus dem zweiten Stock eines Büros, nur von hinten. Aber das, was sich gerade ein Autofahrer an einem Zebrastreifen erlaubt hatte, war offenbar so dramatisch, dass man es der Frau von hinten ansah.
Aber zurück zu den Männern, deren mir zwei besonders auffielen. Da war zum einen der Monsieur, der wie ein Held lief. Er kam mir heute entgegen, von Laufen kann man nicht sprechen, es war ein sportliches Humpeln. Wäre ich des Französischen besser mächtig und hätte ich genügend Geld dabei gehabt, ich hätte mich auf die Straße geworfen, ein Taxi herangewunken, dem armen Mann zwanzig Euro in die Hand gedrückt und nach Hause geschickt. Das war nicht mit anzusehen. Normalerweise bleibe ich bei breiten Fußwegen stur und denke mir so, wenn der schon läuft, dann kann er auch einen Bogen um mich herum laufen. Bei dem wich ich freiwillig Meter vor ihm aus, damit er ja nicht einen Meter zu weit laufen muss. Er kam näher und ich musste feststellen, dass er nicht viel schneller war, als ich mit meinem Spaziergang. Der Mann musste richtig leiden!
Er lief an mir vorbei und ich wollte es nicht glauben: Der Mann roch, als käme er gerade aus einer Parfümerie. Unglaublich.
Der zweite Mann roch nicht nach Parfümerie, aber sein Duft ist mir auch nicht gegenwärtig. Aber er konnte nicht danach richen und dafür gab es schlicht und ergreifend einen Grund: Er war Müllmann. Allein das Metier macht es schon unmöglich besonders toll zu riechen, und hinzu kommt noch, dass diese Arbeit – das Heranziehen und Wegrollen von schweren Mülltonnen (nicht diese kleinen 120-Liter-Dinger, sondern die für Hochhäuser) nicht gerade zu den körperlich entspanntesten Tätigkeiten zählt. Die Rollen, die man darunter angebracht wurden, sind sicher eine Erleichterung, aber ich weiß, was das Herausbringen unserer 80-Liter-Tonne (die gern auch mal ein wenig voller ist und zu 50% mit Katzenstreu befüllt ist) für eine Wuchterei ist. Dieser Mann, in meinem Alter, vielleicht ein wenig jünger, hatte eine Kopftuch auch, wahrscheinlich besaß er auch einen Ohrring, das kann ich nicht mehr sagen, sah aus wie ein Pirat. Er stand neben mir, bereit eine Tonne über die Straße – heftig befahren, ist ja schließlich Paris – zu schieben und betrachtete den Autofahrer und kurz auch mich. Gleichgültig wohl, konzentriert auf seinen Müll und die Musik, die durch seinen MP3-Player spielte. Vielleicht täusche ich mich ja auch, und ihm war gar nichts gleichgültig und er hörte die gesammelten Werke von Satre. Aber ich stand nur da und dachte: wow! Dann kam allerdings sein Kollege und Realist, stellte sich auf die Straße, hob die Hand wie ein Polizist (Superman tut es übrigens auf die gleiche Art und Weise) und hielt den Verkehr an. Was will man eigentlich mehr? Einen Piraten und Superman an einem Tag.
Eine Wahrheit habe ich noch, bevor ich allzu philosophisch werde: Paris ist hässlich. Ich habe heute eine Exkursion zur Müllverbrennungsanlage von Paris gemacht, einige Neubauten aus der Ferne begutachtet und die Großbaustelle für eine neue Straßenbahnlinie begutachtet. Mein Plan war ein anderer, aber man kann sich das nicht immer aussuchen, vor allem, wenn man als Tourist der Meinung ist, dass alle Brücken über die Seine dazu da wären, sie auch als Fußgänger zu überqueren. Mitnichten! Man muss manchmal schon ein wenig laufen, und wenn man das tut (und nicht der vernünftigen Stimme zuhört, die da sagt: Hey, kehr doch mal um, ist sicher besser!), so sieht man sachen, die möchte man lieber gar nicht sehen.