Gestern hatte ich über die einsamen Helden von Paris geschrieben und dem humpelnden, dafür aber sehr gut duftenden Läufer, der sich so sehr gequält hat. Heute hatte ich ganz viele davon. Von gutem Duft kann allerdings nicht die Rede sein.
Ich war im Parc de Monceau und der Grund war recht banal, denn an einem 15. Dezember wurde in der Nähe des Parks ein Weinhändler erschossen. Natürlich nur fiktiv, aber die Umgebung stimmte einigermaßen. Mir wurde nicht nur schlagartig klar, dass meine Kenntnisse in Architektur etwas dürftig sind – um es einmal vornehm zu umschreiben – denn die angesprochene Jugenstil-Villa mochte durchaus existieren, aber ohne mich, da ich den Jugendstil nicht einmal mit einem dritten Blick erkannte. Hier ist noch room for improvement, wie meine Gattin zu sagen pflegt. (Sollte sie das lesen, hat sie wahrscheinlich schon vor der öffnenden Klammer auf den Amazon-Hotbutton geklickt und Jugenstil in die Suchleiste eingegeben.)
In diesem Park und um die Uhrzeit um 19 Uhr herum, muss man ziemlich aufpassen. Es sitzen werktags zwar ein paar Gestalten auf dem Rasen und leeren die eine oder andere Flasche, vermutlich Cola, aber auf den Gehwegen ist es noch viel gefährlicher. Denn es Rennen sicher an die hundert Jogger durch diesen Garten auf den Wegen und wirbeln bei so trockenem Wetter wie heute, ziemlich viel Staub auf, so dass man als touristischer Spaziergänger, als der ich unterwegs war, am besten den gleichen Mundschutz trägt, wie die verrückten Japaner, die die Schweinegrippe schon in Paris wähnen. Aber die verirren sich nicht in den Park.
Diese Läufer machten mir das Leben ziemlich schwer, denn ich hatte das ehrgeizige Ziel, Fotos von den herrschaftlichen Häusern von der Parkseite aufzunehmen, ohne dass mir ständig ein moderner Läufer mit seinen MP3-Playern im Ohr durch die Kamera läuft, die so schwer wegzuretuschieren sind, wenn man versucht zeitgenössische Aufnahmen hinzutürken.
Letztlich habe ich dann auch wieder Mitleid mit den armen Gestalten bekommen. Nicht, weil sie liefen und mir leider das Geheimnis von Sport in Kombination mit Glücksgefühlen nicht ganz geheuer ist, sondern weil ich bei meinem kleinen Spaziergang feststellen musste, dass mir der hechelnde und unglücklich atmende Läufer mehr als zweimal begegnete, genauso wie der Läufer der ein verlottertes und gar nicht zu Paris passende Pepsi-T-Shirt trug, ganz zu schweigen von dem Asiaten, der überhaupt nicht glücklich wirkte, von man doch im Kopf immer noch das Vorurteil mit sich herumträgt, dass die Artgenossen vom anderen Ende der Welt immer Lächeln würden. Ich hatte schlicht und ergreifend Mitleid mit den Sportskanonen, weil sie in diesem Park im Kreis liefen, nicht ganz unähnlich den eineMarkfünfzig-Gesellen aus der Tierhandlung, deren Namen Reichtum verspricht, von dem man aber normalerweise nichts hat, da sie nachtaktiv sind. In Paris zu leben ist halt kein Zuckerschlecken und so geht es auch den Sportlern unter den Pariser nicht so gut.
Soweit ich das sehen konnte, saßen auch mehr Pariser und Leute, die gerne Pariser sein möchten, vor den Fernsehern in der Kneipe und trieben gemeinsam mit den Fußballern von Chelsea und Barcelona Sport, denn dass sie selbst Sport trieben. Aber bei einem Bier ist Sport auch viel erträglicher – das muss ja auch mal gesagt werden.
Es war eine ziemlich dumme Idee, die ich da am letzten Sonntag hatte, als ich der Frau verkündete, wir würden dieser Woche uns dem Alkohol mal fernhalten. Und auch alkoholfreies Bier würde unter diese Regel fallen, was zu heftigen Protesten und Nachverhandlungen führte, aber Kraft meines Amtes als Haushaltsvorstand setzte ich das durch. So dürfte das erste alkoholische Getränk vielleicht am Sonntag getrunken werden. Das war vor allem deshalb eine blöde Idee, weil man nicht so eine Regel setzt und dann nach Frankreich verschwindet. Abends ist das überhaupt kein Problem. Aber gestern war es beispielsweise so, dass der Chef schon morgens fragte, ob ich mit zum Essen komme würde – nein, meinte ich, ich würde Mittags nichts essen. Ja, aber er hätte Geburtstag und es gäbe Wein. Ahh, ich trinke keine Wein diese Woche, was ich ihm noch nicht sagte, aber man will ja auch nicht unhöflich sein. So dackelte ich mit einem Haufen von Franzosen mit zu Nicolas, der normalerweise nur Weinhändler ist, hier in Bercy aber auch ein kleines Restaurant hat. Nicolas, wenn ich das anmerken darf, ist nicht mit dem Weinhändler zu verwechseln, der in dem Maigret erschossen wurde, denn der Maigretsche Weinhändler verkauft selbst zusammengemischten Wein. Bei Nicolas dagegen gibt es Wein von richtigen Weingütern und der Wein ist auch nicht zwingend günstig. Zu meinem großen Entsetzen begann die ganze Sache mit einen Weißwein, den ich sehr schätze. Als es um das Glasbefüllen ging und ich sagte: “Nein, für mich bitte nicht”, wurde ich mit großen Augen angeschaut. “Warum? Trinkst Du kein Wein?” “Doch, doch – aber nicht diese Woche.” “Du kannst Rotwein haben!” “Nein, es ist nicht, weil ich nicht mag, es ist, weil ich diese Woche nicht möchte.” “Warum?” “Es tut auch mal gut eine Woche ohne Alkohol.” “Das könnten wir Franzosen nie.” Das hatte ich mir schon gedacht, auch wenn es vermutlich mehr als Scherz gemeint war. Dann kam der Rotwein, und ich sagte wieder nein. Gott sei Dank waren Kollegen dabei, die wissen, dass ich dem edlen Tropfen nicht ganz abgeneigt bin. Selbst das Geburtstagskind, mit dem ich in Saint-Lô schon Essen & Trinken war, sollte das gewusst haben. Nun ja. Man wird ja auch nicht jünger mit seinen Geburtstagen.