Mich schreckt ein wenig die Zahl, aber so ist es nun mal: Früher, so vor zwanzig Jahren, träumte ich davon, in Frankreich zu arbeiten. Die wenigen Male, die ich in den letzten Jahren Gelegenheit dazu hatte, konnten diesen Sonnenschein-Blick nicht trüben. Das hat sich mit dem Projekt, an dem ich gerade beteiligt bin, etwas geändert.
Der Träumer in mir hat entdeckt, wie das Leben hier wirklich ist.
Natürlich gibt es Sachen, die faszinieren mich immer noch: Beispielsweise, dass es die Masse der Franzosen schafft, nicht wie ein Hefekloß aufzugehen, obwohl sie gern zwei warme Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen. Eine Vorspeise, so hörte ich, muss nicht sein, aber ein Dessert wäre schon wünschenswert. Zumindest aber ein Kaffee und ein Keks.
Auch sehr nett ist die ewige Stipperei anzusehen. Kaum steht der Kaffee und das Croissant vor den Kollegen, fangen sie auch schon an, das arme Gebäck zu ertränken und das in der Konsistenz nicht fester gewordene Backwerk zu verzerren. Das man auch ein Pain au Raisin stippen kann, hätte ich jetzt aber nicht gedacht, und halt es – ganz ehrlich gesagt – auch für Frevel.
Das jahrelange Lesen von Simenon-Romanen hätte es mich lehren sollen: Jeder Menschenschlag, der in Deutschland rumläuft, existiert so auch in Frankreich – nur Französisch sprechend. Nun sagt Susann immer, sie könnte einem Franzosen auch beim Telefonbuch-Vorlesen zuhören, und unumwunden muss man auch zugeben, dass das Wort Mülleimer in französischer Sprache von sich gegeben, mehr Charme hat; aber wenn man einem Franzosen zuschaut, wie er sein Büro aufräumt, und zum Schluss, als finaler Akt des Tages, das Mauspad in einer Schublade verschwindet, klappt einem Franzosen-Fan wie mir auch eine Lade herunter, allerdings nur die Kinnlade. Natürlich klingt beauf recht charmant für einen, man könnte es fast für ein Lob halten, aber im Französischen heißt es nichts anderes als Spießer.