Terra Gallus

Nach dem Streik

In einem der Restaurants in Saint-Lô hat der Patron das Gesicht eines Schauspielers. Ich komme nur nicht drauf, welcher Schauspieler es ist, in welchem Film er mitgespielt hat und ob es nicht vielleicht auch das Gesicht eines Kunden oder Schulungsteilnehmers sein könnte, vielleicht auch jemand, den ich früher im Bus gesehen habe – aber mir scheint das unwahrscheinlich. Solche Vergleiche stellt man dann an, wenn man einem Tisch sitzt, an dem sehr schnell französisch gesprochen wird. Als ich mich, sinnierend, wer denn der Schauspieler sein könnte oder ob es vielleicht die gealterte Version eines Schauspielers wäre, meinem Tisch zu wandte, stellte ich fest, dass der engste Kollege für mich aus dem Kreis der Franzosen eine frappierende Ähnlichkeit mit Jean Reno hat. Die Stirn war vielleicht etwas zu flach, aber ansonsten – von der Seite gesehen könnte er glattweg als Jean Reno durchgehen. Dazu müsste er nur eine Lederjacke anziehen und sich von der bräunlichen Kleidung trennen.

Interessante Gesichter ist auch ein Thema, dass einem in Paris immer mal wieder unterkommt. Ich habe heute einen kleinen Spaziergang durch Paris unternommen und habe das Gepäckproblem auch recht elegant und kostenneutral gelöst (Computertasche in die Reisetasche, womit man dann an die zwanzig Kilo hinter sich herschleppt, was aber besser ist, als es die ganze Zeit auf dem Rücken zu haben und zusätzlich noch eine Tasche hinter sich herzuschleppen). Dabei führte mich der Weg vom Gare St. Lazare wenig direkt die Rue d’Amsterdam zu Place de Clichy und vor dort aus die Rue Caulaincourt in Richtung Sacré-Cœur. (Aber es lockte so sehr: Man sieht SC wenn man am Gare du Nord ankommt und man sieht es, wenn man am Gare St. Lazare ankommt.) Wer mich jetzt für verrückt erklärt, dies mit schwerem Gepäck zu absolvieren, denn schließlich geht es da Berg auf und Berg ab, der hat durchaus recht. Muss ich jetzt aber auch nicht nochmal machen. Schließlich habe ich es ja gerade erst hinter mir. Aber ich habe schon mal das Hotel betrachtet, in welchem wir im September absteigen wollen. Hinter Sacré-Cœur (von unten gesehen) liegt eine nette Ecke von Paris. Nicht ganz direkt dahinter, die ist eher von Massentourismus geprägt und ähnelt ein wenig den Menschenaufläufen am Eiffelturm, aber noch mal dahinter. Was aber nicht heißt, dass man dort nicht Touristenfängern begegnen würde. Einer sprach mich an und meinte ich hätte ein interessantes Gesicht, um es zu malen. Klar, dass er dies nicht umsonst machen würde. Nachdem ich einem Porträt nicht zustimmte, versuchte er es noch mit einer Karikatur. Das ist ja wohl das letzte, was ich von meinem Gesicht brauche. Dort oben in dieser Ecke gibt es nur ganz wenige Fachgeschäfte, aber es in einer kleinen Seitengasse, die direkt zur Kirche führt, einen Laden für Malereibedarf. Wenn das mal nicht eine Überraschung ist.

Überhaut Künstler: Fährt man mit der RER von Charle de Gaulles Richtung Paris und umgekehrt, wird man unweigerlich mit Musik beehrt. Das Engagement der Interpreten ist höchst unterschiedlich, wie auch die Qualität. Letztes Mal hatte ich ein Pärchen, bei dem er die Musik machte, sie ein paar Geräusche mit einem Instrument dazu machte und auf ihn einsprach. Dabei machte sie kein zufriedenes Gesicht und vom Tonfall hörte es wie rumnölen an, was sich aber in einer Fremdsprache immer schwer beurteilen lässt – aber irgendwie der lebende Vorwurf. Da hatte ich keine Lust, etwas in das Töpfchen zu werfen. Bei denen kam mir auch der Gedanke, warum man denn für vier Minuten Musik soviel bezahlen soll, wie bei iTunes für einen Song. Der Vergleich hinkt ein wenig, ist ungerecht, trotzdem: Bei schlechten Darbietern stellt man solche Vergleiche an. Das Paar heute hatte aber unweigerlich etwas verdient, schon allein dafür, dass er seinen Bass durch die Gegend schleppt.

Am Gare du Nord kann man auf dem Bahnsteig schon die verschiedenen Grüppchen begutachten. Ich weiß nicht, ob es da eine Zuteilung gibt, denn mir ist es noch nie untergekommen, das man zweimal im Zug bespaßt wurde.

Apropos CDG: Vorletzte Woche war ich bei der Rückfahrt etwas konsterniert. Stellte ich doch fest, dass es zwei Haltestellen mit dem Namen CDG gibt – CDG1 und CDG2. Aha, von wo war ich denn abgefahren? Ich tippte mal auf CDG1, denn mein Ankunftsbereich sah altbacken aus. Ist aber nicht so schlimm, wenn man sich vertut und wie ich heute in der Bahn zum Flughafen sah, denn in dieser wird man schon getröstet, dass es ja einen Shuttle gibt, der einen zwischen den verschiedenen Terminals hin und her fährt. Was auch ein netter Zeitvertreib sein könnte, denn der Lufthansa-Abflugsbereich in Paris ist nicht so unterhaltsam.

Gestern war Generalstreik in Frankreich und ich habe davon nichts mitbekommen. So ist das in Saint-Lô. Da ging das Leben ganz normal weiter. Gut, mir wurde empfohlen, zu schauen, ob mein Zug heute gehen würde. Aber der Streik war heute morgen schon vorbei. Das Hotel hat eine Fluss- und eine Bahn-Seite. Auf der Bahn-Seite dürfte es so gestern etwas ruhiger zugegangen sein. Ansonsten war von dem Streik nichts zu spüren.

Meine französischen Kollegen hat es dagegen eher getroffen. Einer kam gleich mit dem Auto und der andere reiste am Vorabend an. Die Rückfahrt gestern tätigten sie dann gemeinsam.

Nachdem nun klar ist, dass ich kein Weinunwissender bin, wurde mir gestern das Privileg zuteil, den Wein aussuchen zu dürfen. Das Essen war wieder Klasse und der Wein war auch ziemlich nett. Wir sind mittlerweile in dem Restaurant gut angesehen und durften gestern Abend einen Likör aus dem Jura testen, der aus einer wilden Mischung von Nüssen und Früchten bestand, aber die Patronin konnte das nicht genau sagen. Wir sind schon gespannt, was nächste geboten wird.

Die mobile Version verlassen