Vorgestern sah ich das fetteste Eichhörnchen in meinem Leben. Draußen herrschte strahlender Sonnenschein, es war schon ordentlich frisch, was uns aber nicht abhielt, zu einem kleinen Park am Lake St. Clair zu fahren und am Wasser ein wenig herum zu spazieren. Nach den langen Nächten in der Firma war das mal eine gelungene Abwechslung.
Gestern sah es dagegen ganz anders aus: Strahlender Sonnenschein, aber ich wollte mich nicht aus dem Bett bewegen. Gegen zwölf bin ich dann mal aufgestanden und habe mich langsam fertig gemacht. Ist natürlich alles relativ, wenn man bedenkt, dass ich an dem Tag auch erst gegen drei Uhr morgens in die Falle gekommen war. Wir sitzen nach Feierabend, gestern um zwei Uhr morgens, meist noch ein wenig zusammen, und gestern ging es dann in der Lounge noch ein wenig weiter mit der Arbeit, wobei ich bei dem Thema nur zusehender Dritter war.
Es ist auch kein Durchschlafen: Gegen sieben Uhr beginnt der normale Hotelbetrieb, um acht Uhr hört man die ersten Kinder den Flur entlang trampeln, so um neun Uhr klopfte zum ersten Mal der Hausservice und jedes Mal steht man im Bett. Heute war es sogar noch ein wenig ärger: Im Nachbarzimmer ist wohl eine Familie mit Kindern untergekommen und das plärrte von acht Uhr an. Gegen neun Uhr sind die dann zum Frühstück, da hatte ich schlafensmäßig aber auch nichts von, da ich schon unter der Dusche stand.
Gestern waren die Zimmermädchen also sicher ein paar Mal an meiner Tür vorbeigetigert und obwohl ich das Zimmer dann erst gegen ein Uhr verlassen hatte, war mein Zimmer bei der Rückkehr gemacht. Es ist auch nicht so, dass hier in der Nacht in dem Hotel wirklich Ruhe einkehrt. Wir sehen das ja, wenn wir von der Arbeit zurückkehren. Ich bin tief beeindruckt, wie viele Leute schon zu Gange sind und die Flure und allgemein zugänglichen Räume reinigen. Man muss sich wirklich wundern.
In Restaurants bin ich auch immer wieder baff erstaunt, was so an Personal unterwegs ist. Manchmal habe ich das Gefühl: Zwei Tische – eine Bedienung. Sie wuseln um einen herum, stehen ständig mit einer neuen Cola am Tisch, fragen ob man sich noch wohlfühlt und alles in Ordnung ist.
Bei P.F. Chang’s Bistro, einem Serien-Chinesen hier, der aber wirklich sehr gutes Essen hat und nicht mit einer Fast Food-Kette zu vergleichen ist, war es genauso. Bei Cheng gab es aber auch noch die Great Wall of Chocolate. Ich war schon von der Suppe und dem Hauptgericht satt gewesen, an eine Nachspeise war nicht zu denken. Wir speisten die Woche immer so gegen drei, vier Uhr nachmittags richtig, weil wir wussten, dass das nächste was wir bekommen würden, die Marzipankartoffeln sein würden. Zum Bier. Eine ungewöhnliche Konstellation, aber um zwei, drei Uhr nachts ist man auch nicht mehr so wählerisch. Arnd hat in dieser weisen Voraussicht noch ein Dessert ausgesucht und wurde dann mit einem Schokoladenkuchen konfrontiert, der alle Vorstellungen sprengt. Von einem allein war das einfach nicht zu schaffen. Da hatten die Augen wohl mehr gewollt als der Magen, denn die Hälfte schaffte er gut, aber ich nahm mir von der anderen Hälfte ein Drittel und bekam dafür noch zu hören, ich würde wie ein Mädchen essen. Manchmal ist es aber auch undankbar.
Woran ich mich auch gewöhnen muss, ist die Arbeitsweise in der Zeitung. Es dürfte kein Geheimnis sein, dass in vielen Redaktionen heute rein nach dem Copy & Paste-Verfahren gearbeitet wird. Es kommt eine Meldung von der Nachrichten-Agentur und diese wird dann in die Zeitung kopiert. Vieles wird auch aus Pressemitteilungen und anderem Krams kopiert und veröffentlicht. Was man vielen Zeitungen ja auch ansieht. Hier ist es sogar noch ein Zacken schärfer: Wir waren mit dem Problem konfrontiert, dass eine Seite umgebaut werden musste, da sich die Anzeigen geändert hatten. Anzeigen sind blattbestimmend und der redaktionelle Inhalt hat sich danach, was die Form angeht, zu richten. Resultat war gewesen, dass zu einem Artikel 90 Zeilen Übersatz existieren, also Text, der nicht mehr passte. Drei, vier Zeilen sind kein Problem, die bekommt man meistens irgendwie rein. Bei 90 Zeilen ist das schon nicht mehr so leicht. Der Redakteur nahm aber einen schlichten und genauso verblüffenden Weg: er löschte die 90 Zeilen einfach weg. Sollte die Pointe des Artikels also am Ende des ursprünglichen Artikels gezündet werden, der Leser würde davon nichts mitbekommen.
Heute war ich in Detroit. Das hätte ich mir auch sparen können. Ich gab im Navigations-System Stadtzentrum ein, und er führte mich dort auch hin. Von Clinton Township aus geht es immer über die Gratiot in Richtung Detroit. Was sieht man links und rechts? Meist einstöckige Gebäude, in denen sich entweder ein Autohändler, ein Gebrauchtwarenhändler, ein Bestatter oder ein Supermarkt befindet. Manchmal sind die Gebäude zurückgesetzt, manchmal direkt an der sechsspurigen Straße. Den Eindruck, den das vermittelt, kann ich gar nicht richtig beschreiben: Langweilig ist sicher ein Wort, was es recht gut beschreibt. Ein Hauch von Zerfall ein anderer.
Ich war gegen elf Uhr vormittags in Downtown und konnte für 4 Dollar parken. Hey, das fand ich günstig. Da waren wir aus anderen Städten in den USA ganz Anderes gewöhnt. Hätte ich die Hände frei gehabt, hätte ich mir die Hände gerieben. In dem Parkhaus standen drei Autos. Es schien, als wäre in Downtown Detroit nicht so viel los. Ich ging von dem Parkhaus auf die Straße. Ein Schuhhändler stürzte auf die Straße und begrüßte mich, als ob ich der erste Kunde wäre. An der nächsten Kreuzung wusste ich dann auch warum: Es schien, als wäre ich der einzige Mensch in der Gegend. Hin und wieder fuhr ein Auto vorbei. Aber es war einfach nichts los im Zentrum von Detroit. Geschäfte gab es kaum, die wenigen, die es gab hatten zu. Am Gebäude von General Motors, hübsch am St. Clair River gelegen, ein imposantes Gebäude, hatte sich eine handvoll von Leuten versammelt.
Ich trödelte ein wenig durch die Straßen, aber die Unlust wuchs zunehmend. An vielen Parkhäusern vorbei, den Preislisten entnehmend, dass vier Dollar für einen Tag zwar ein recht guter Preis waren, aber für anderthalb Stunden eher nicht, ging ich zu dem meinen und beschloss durch die Gegend zu fahren. Fährt man in Richtung Grosse Point Blank, ein Name, der mich an einen Film erinnerte, und mich deshalb anzog, und der Straße, die parallel zum Fluss verläuft, folgt, wird einem immer übler. Da mochte man am liebsten einfach nur die Augen schließen, so hässlich war, das was man war. Gebäude, die hässlich sind, kennen wir aus Deutschland auch. Aber hier war es extrem mit Verfall gepaart. Und hier kann man nur den industriellen Niedergang die Schuld geben, hier gab es keinen Krieg.
In einer Seitenstraße am Rande von Detroit hatte ich den Eindruck, dass von den gar nicht mal üblen Einfamilienhäusern jedes zweite zum Verkauf stand. Meistens standen sie schon leer.
Ein paar Meilen weiter in Grosse Point war das schon ganz anders: Hier schaute man direkt auf den Lake St. Clair und erfreute sich des Lebens. Man sah plötzlich nur noch Villen und konnte sich gute vorstellen, wo die Auto-Manager abends nach Hause fuhren. Hier hin. Wirklich eine feine Gegend. Was sie wohl denken, wenn sie jeden Abend durch die schäbigen Gegenden von Detroit nach Hause fahren?
Vielleicht sieht es in ein paar Jahren anders aus in Detroit. Die Hochglanz-Prospekte, die hier im Hotel liegen, sprühen ja vor Optimismus. Was ich gesehen habe, war eine Innenstadt, die leer war, in der deshalb auch nicht, wie beispielsweise in Chicago, die Hochhäuser beeindruckend wirkten, weil um sie herum jede Menge Leben wimmelte, und ich habe eine Menge Verfall gesehen. Es mag sein, dass die Stimmung an einem Wochentag besser ist.
Nachher geht es noch für ein paar Stunden in die Firma. Heute Nacht, deshalb auch der Titel, wird dann auf die Winterzeit umgeschaltet. Sowas hatte ich ja nun auch noch nicht, dass ich zweimal in einem Jahr die Sommerzeit zurückstellen darf.