Man möge mein Schwesterchen zu dem Thema »Oliver und in der Sonne liegen« befragen, und man bekommt keine befriedigende Antwort. Auch in heimischen Gefilden lockt mich die Sonne weniger zum Sonnen nach draußen. Heute und hier – Virginia Beach – bin ich freiwillig und allein zum Strand gegangen und habe mich der Sonne als Opfer geboten. Meine Alternative wäre nicht so prickelnd: Ich hätte eine Strandmeile entlang flanieren und Susann in Modeangelegenheiten beraten dürfen. Das hätte sie wohl selbst nicht gewollt.
Der Strand in Virginia Beach, an dem wir gestern nachmittag angelandet sind, ist fantastisch. Wir hatten zuerst überlegt, ob wir die Zeit nutzen, von hier Ausflüge in die nähere Umgebung zu machen, die irgendwie auch als Geburtsort der Vereinigten Staaten gilt, da hier die ersten Siedler landeten. Aber das Wetter (warm), die letzten beiden Wochen (viele, viele Kilometer) und der Strand stimmten uns um, und so verbringen wir hier drei Tage, die nur der Erholung gewidmet sind.
Das Hotel gibt uns Anlass zur Freude, wenn man von architektonischen Aspekten einmal absieht. Aber da nehmen sich die Klötze hier am Strand alle nichts, sie sind allesamt hässlich wie nichts. Das sieht man aber nicht, wenn man auf dem Balkon sitzt, da der Strand gerade ist; und man sieht es nicht, wenn man am Strand liegt, weil das Wasser viel interessanter ist.
Die Wassertemperaturen sind einem Ozean angemessen. Ist man erst einmal im Wasser, ist aber alles nur noch halb so schlimm. Es gibt keine langen Orgien, wie an der Ostsee, bis man sich nass gemacht hat. Man wird sofort befeuchtet, dafür sorgen die Wellen schon. Der Strand ist einfach nur Sand, kein einziger Stein trübt das Vergnügen. Heute vormittag gab es etwas Wind, da war die Sache mit dem feinen Strandsand nicht so erfreulich, weil man ständig angeweht wurde. Kam man aus dem Wasser, es folgt eine Luftbrise, war man schon wieder sandig am ganzen Körper.
Als ich vor sieben Jahren in Georgia war, hatten wir auch einige Zeit am Meer verbracht. Eigentlich sollten auch Delphine vorbeiziehen. Aber die hatten keine Lust und so sah ich keine Delphine, sondern nur diese Vögelchen mit den großen Schnäbeln, die ihre Beute im Fluge aus dem Wasser aufgabeln und auf deren Name ich im Augenblick nicht komme. Heute aber brach neben mir eine kleine Unruh aus und eine Frau, die sich ihre Tätowierung im Studio auch nicht auf gealterter Haut hat zeigen lassen, sie aber jetzt an sich selbst betrachten kann, griff zur Videokamera und wies ihren Nachwuchs darauf hin, dass Meeressäuger vorbeiziehen würden. Was diese aber wenig interessierte, interessiertes Publikum aber aufhorchen ließ. Ist schon putzig anzusehen und es ist wirklich keine Erfindung von den Medien, dass die Tierchen immer mal wieder aus dem Wasser springen und dann wieder eintauchen. Lustige Tänzchen à la Flipper machten sie aber nicht.
Solange Susann nicht da war, konnte ich mich immer rechtzeitig wegducken, das war nachher nicht mehr möglich. Hier tobten am Strand Jungs in blauen Badehosen entlang, mit Taschen um den Bauch, und ich vermutet, sie würden für einen guten Zweck sammeln, beispielsweise die Lifesaver oder UNICEF oder sowas. Nachdem wir ihnen dann in die Falle getappt waren, stellte sich heraus, dass sie ein Foto von uns machen und dieses Foto zu einem Schlüsselanhänger verwursten wollten. Natürlich nicht für die Allgemeinheit, nur für uns und sicher für einen absolut tollen Preis. Susann kam mit ihrem astrein formulierten »Wir sind Ausländer.« nicht durch, da sie sich nicht der deutschen Sprache behalf sondern der englischen, aber letztlich konnten wir den Angriff abwehren.
Offenbar hat hier in den Staaten noch kein Deutscher im Tourismus-Management eingegriffen, denn man muss an keinem Ort Kur-Taxe zahlen. Mir ist auch noch kein Strand untergekommen, an dem Leute entlang gelaufen wären, die die Leute abkassiert hätten. Da ist man zu Hause ja schon deutlich weiter…
Auch sind die Hotelmanager hier derart verblendet, dass sie nicht auf die Idee kommen, den Internetzugriff weitgehend kostenpflichtig zu machen. In den meisten Hotels gibt es Wireless LAN und man kann soviel wie man will ins Internet, wenn auch mit den unterschiedlichsten Lösungen. Nun, in den Bergen gab’s das nicht, da musste man für zwanzig Minuten Internet an einem PC, der wahrscheinlich über ein Modem angeschlossen war, zwei Dollar bezahlen und in Boston nahm das Hotel sechs Dollar pro Aufenthalt. Aber das ist ja nichts gegen die zwei Euro für fünfzehn Minuten, die man in Deutschland in der Regel abdrücken muss.
Was nicht geholfen hat, beim besten Willen nicht, war das Eincremen mit Sonnencreme. Susann, die später dazu kam, meinte, wir würden aussehen wie Krebse. Bei mir ist es der Bauch, bei Susann der Rücken, der sich rekordverdächtig gerötet hat. Trotz Sonnenschutzfaktor 30 und einer nicht allzu langen Verweildauer. Dafür haut es jetzt mit der Anschlussbräunung hin: Bisher war ich nur an den Unterarmen sonnengebräunt, durfte aber ein T-Shirt an den Ärmen nicht hochziehen, weil da alles wie Käsekuchen aussah. Das hat sich jetzt erfreulicherweise geändert.
Gibt es Punkte, die hier das Vergnügen trüben? Aber klar! Virginia Beach war mal einer der beliebtesten Badeorte. Das hat sich vielleicht deshalb etwas geändert, weil es sich in der direkten Einflugschneise der Flugzeuge der Navy-Basis von Norfolk befindet. Regelmäßig donnern hier Jagdflugzeuge über den Strand hinweg, in den aufregensten Formationen. Wer eine Luftfahrt-Show vom Strand aus mitmachen will, der ist hier bestens aufgehoben. Wer Ruhe sucht, hat hier keine Chance.
Ein wenig verwundert waren wir gestern in einem hiesigen Strandzubehör-Geschäft. Da gab es Käfige, in denen sich Krebs tummeln. Mit Käfig assoziert man ja auch immer Gitter und diese waren auch aus Gittern, und bilden damit ein Lebensumfeld, in dem sich Krebs recht mühsam fortbewegen. Aber das war noch nicht einmal das Schlimmste. Diese Krebse, Einsiedler-Krebse meinte Susann, suchen sich ihre Gehäuse, mit denen sie dann durch die Gegend ziehen. Die Gehäuse der Krebse in den Käfigen waren angemalt. Das sieht natürlich ziemlich schräg aus. Schleierhaft ist mir im Augenblick noch, ob zuerst die Krebse mit den Gehäusen gesucht werden, die dann angemalt werden und man die Krebse züchtet und dann auf angemalte Gehäuse loslässt. Was letztlich aber egal ist, weil schrägt ist es auf jeden Fall. Viel besser geht es den Minifröschen, die in Mini-Aquarien angeboten werden, aber auch nicht. Komische Urlaubsmitbringsel hat man hier.
Eben fuhr hier, und damit ist die Kritik-Phase auch schon wieder vorbei, ein Piratenschiff vorbei. Da man unser Ahoi vom neunten Stock aus nicht gehört hätte, sagten wir nur »Sieh doch mal!« und »Aha.« (was eine ziemlich typische Kommunikation unter Ehepaaren ist, nebenbei bemerkt). Kurze Zeit später donnerte es und Susann zuckte zusammen, kontrollierte mit gekonntem Blick die Fensterscheiben und die Wände (schließlich sitzen wir hier im neunten Stock), bevor wir merkten, dass es die Piraten waren, die auf die Seeseite etwas verfeuert hatten. Wen immer sie angegriffen haben, da war nichts.
Apropos Donner: Gestern abend, ziemlich bald nach unser Ankunft, zog hier ein Gewitter auf. Erst sah man eine einzelne Wolke, in der es Blitzte, später zog eine schwarze Front nach, verdunkelte den Himmel und wir bekamen von unserem Balkon aus ein prächtiges Naturschauspiel aus zu sehen. Meine sonst so vorsichtige Frau zog nicht einmal in Erwägung, sich in sicherere Gefilde zurückzuziehen, aber sie sollte mich in der Nacht noch mehr verwundern. Wir hatten die Balkon-Tür aufgelassen und ich hatte die Klimaanlage ausgeschaltet. Mitten in der Nacht macht sie sich an der Klimaanlage zu schaffen und meinte zu mir, es wäre zu warm. Wo war die Frau geblieben, die mit Händen und Füßen um jede Decke kämpft, die sie bekommen kann, und eigentlich immer noch den Titel »Bundesfrostbeule« innehält?