Chicago ist schon wieder vorüber. Wir sitzen hier am Flughafen von Chicago und warten auf den Einstieg in das Flugzeug, welches uns nach Charlotte (NC) bringen soll. Nach drei Tagen Pause versteht es sich, dass es so Einiges zu berichten gibt.
Aus dem Aufenthalt in South Haven ergab sich auch eine relative Nähe zu Chicago. Am Freitag hatten wir nicht mehr so viel zu fahren und so fuhren wir nicht Autobahn, sondern nutzen Nebenstraßen, fuhren durch kleinere Städtchen und Dörfer. Sahen auch in Michigan den Weinanbau. Einen Riesling aus der Gegend hatten wir, wie berichtet, schon probiert.
Dank einer Vorwarnung waren wir gut mit Kleingeld ausgestattet, welches man für die zahlreichen Toll Routes nach und um Chicago benötigt. In Chicago waren wir bei unserem Freund Arnd untergebracht. Aber was heißt schon Chicago?
Nachdem wir zahlreiche Tankstellen und Geschäfte für Zigaretten sowie Feuerwerk absolviert hatten (also in Indiana waren), sahen wir alsbald die erste Toll Station und mit ihr riesige Industrieanlagen, viele Zuggleise und letztlich auch die Skyline von Chicago. Wir waren schon beim Vorbeifahren mehr als beeindruckt, die Hinschau-Freude wurde aber bald durch heftigen Verkehr getrübt.
Zeigte unser Navigationsgerät an, wir würden um 17:10 Uhr ankommen, war die Realität, dass wir um die Zeit noch in der Nähe von Downtown Chicago im Stau standen und noch vierzig Kilometer vor uns hatten. Als der Verkehr dann erst einmal floss, freuten wir uns wie die Schneekönige. Wir hatten uns mit Arnd bei der Firma verabredet (irgendwie der gleichen Firma, bei der ich auch arbeite, aber halt nur irgendwie). Als das Navigationssystem uns verkündete, wir hätten in dreihundert Metern das Ziel erreicht, meinte ich nur: »Das kann ich nicht glauben!« Eine gewisse Sparsamkeit kann man der Firma, bei der ich arbeite, ja nicht absprechen, aber wir standen mitten in der Wildnis und von einem Bürogebäude war weit und breit keine Spur.
Wir fuhren erst einmal weiter, in der Hoffnung, dass sich das Navigationssystem vielleicht nur ein wenig geirrt haben möge. Aber es gab nur ein großes Bürogebäude und in dem arbeitete eine Firma, die mit der Firma alfa überhaupt gar nichts zu tun hatte. Wir riefen, das erste Mal, bei Arnd an und meinten, wir würden in der Straße, im Ort stehen, aber von der Hausnummer wäre nicht viel zu sehen. Er meinte, er würde mal vor die Tür gehen und schauen, wo wir seien. Zurückrufen konnte er uns nicht, warum hatte ich ja neulich beschrieben, und so meldeten wir uns kurze Zeit wieder bei ihm. Trocken meinte er, von uns wäre nichts zu sehen, wir wären wohl ganz woanders. Die Golf Road, die wir gesucht hatten, ist eine ewig lange Straße, und wie sich herauskristallisierte befanden wir uns ganz woanders. Es kam die Frage auf, ob wir uns in der East Golf Road oder West Golf Road befinden würde. Eine gute Frage, die sich nicht so leicht beantworten ließ. Die Namen der Straßen einer Kreuzung in unmittelbarer Nähe führten uns in der Hinsicht auch nicht weiter. Wie sich herausstellte, kannte das Navigationssystem auch Ost- und Westseiten der Straße, aber nur, wenn man die Karte betrachtete und die Straßenname auf dem Touch-Display anklickte. Man konnte sie aber nicht suchen und auswählen. Fakt war aber, wir waren etwa dreißig Minuten von unserem Ziel entfernt. Wir verabredeten uns schließlich bei einer Shopping Mall in der Nähe unseres ursprünglichen Ziels.
Hungrig geworden, aßen wir dann dort bei einem Chinesen namens P.F. Chang’s, bei dem man wirklich sehr schmackhaft essen konnte. Die Kette ist mit einigen Restaurants vertreten, aber nicht sonderlich gehäuft. In Chicago gab es dieser zwei. Eine in der Shopping Mall und einen anderen Downtown. Arnds Wohnung liegt von Downtown etwa 60 Kilometer entfernt in einem Ort namens West Dundee. Bei normalen Verkehrt ist man etwa 30 bis 40 Minuten in die Innenstadt von Chicago unterwegs. Allerdings ist normaler Verkehr in Chicago nicht die Normalität.
Wir kamen bei warmen und angenehmen Wetter in Chicago an. In der Nacht zog ein Gewitter auf, dass es in sich hatte. Der Samstag-Morgen, eigentlich mit annehmbaren Wetter angesagt, zeigte sich im besten Neuengland-Stil und es war trüb, nieselte, regnete oder goß. Man sollte nicht Erschrecken, wenn man nach Chicago hineinfährt. Man arbeitet hierzulande gern mit Park-Flatrates. Zwei Stunden Parken kostet dann in einem Innenstadt-Parkhaus 23 Dollar, für acht Stunden bezahlt man aber das Gleiche. Wenn man länger in einer Stadt unterwegs ist, stört es nicht mehr ganz so. Hat man nur kurz was zu erledigen und wagt sich in ein Parkhaus, ist es allerdings ein exorbitantes Vergnügen, mit dem Auto in die Stadt zu fahren.
Die Hochhäuser von Chicago sind höchst beeindruckend. Manche aufgrund ihrer Größe, manche aufgrund ihrer Architektur, manche allerdings auch aufgrund ihrer ausgemachten Hässlichkeit. Schön ist es, sagen zu können, dass es nicht nur »alte« Gebäude gab (alt ist halt relativ bei Wolkenkratzern), sondern auch sehr nett anzuschauende moderne Wolkenkratzer, die aus der Form eines simplen Quaders ausbrechen. Empfehlenswert ist ein Besuch im Millenium Park in der Innenstadt von Chicago.
An diesem verregneten Sonnabend hatten wir die Gelegenheit eine Parade zu beobachten. Es ist eine reine Vermutung, aber am heutigen Montag ist Memorial Day und wahrscheinlich war dies eine vorweggenommene Parade. Interessant, und ich sah es auch mit einem gewissen Zwiespalt, war die gewaltige Anzahl von Kindern (für mich sind 14 bis 16jährige in der Beziehung noch Kinder), die an der Parade teilnahmen. Es hatte ein wenig den Flair von Spielmannszug, allerdings traten die Gruppen als Vertreter ihrer Schulen auf und hatten komplette Uniformen an. Es mochten spezielle Schulen sein, da aber alle aus Illinois waren, schien mir die Anzahl der Trüppchen doch recht stattlich.
Wir sind dann später die Michigan Avenue rauf und runter marschiert, haben uns auf das John Hancock Center gewagt, obwohl die angesagte Sicht bei zwei Meilen lag. Es reicht allerdings um den Lake Michigan zu sehen und in die paradoxe Situation zu geraten, dass andere Wolkenkratzer niedlich aussehen. Aus dem 94. Stockwerk eines Gebäudes ist das ja auch verständlich. Was neben der Aussicht ziemolich erstaunlich war: An den Außenseiten der Fenster in diesem 94. Stockwerk (zur Erinnerung: hoch, kalt, windig) waren jede Menge Spinnen zu sehen. Ich habe mich wirklich gefragt: Wie kommen die dorthin? Wie können die hier leben? Und: Was haben die hier oben zu fressen? Fragen, die bisher nicht beantwortet werden konnten. Auch mit zwei Meilen Sicht, hat sich der Besuch auf dem Tower gelohnt (zehn Dollar etwa pro erwachsener Nase).
Wir haben bei einem Italiener in Downtown gegessen, offenbar auch Teil einer Restaurant-Kette, die erstaunlich leckere Pizza anbot. Da es immer etwas zu nölen gibt, mag ich auch diesmal an mich halten. Ich hatte eine Pizza mit Pilzen und Tomaten bestellt und in der Karte stand, dass dies gut für eine Person wäre. Nun, daran gab es kein Zweifel. Es war so reichlich, dass ich nicht einmal ein Drittel dessen gegessen habe, was mir angeboten wurde. Ärgerlicherweise konnten wir den Rest nicht mitnehmen, da dann die Pizza im Auto vor sich selbst weggelaufen wäre. Mit der Pizza, die Arnd und Susann zusammen genommen haben, war es das Gleiche. Knapp über die Hälfte hatten sie geschafft, bevor sie kapitulierten. Die Pizza kam gegen halb fünf auf den Tisch, ich habe an dem Tag nichts mehr gegessen, so satt war ich.
Aus unsere Überlegung, vielleicht ins IMAX an der Navy Pier zu gehen und Spiderman zu sehen, wurde nichts, da der Film schon lief, bis zum nächsten Film allzuviel Zeit verging und wir die Qualität der Plätze, die für die Abend-Vorstellung zur Verfügung standen, nicht einschätzen konnten. Es waren nur noch Plätze in den ersten drei Reihen frei. So liefen wir die Navy Pier im Regen bis zu seiner Spitze und gingen dann in das Innere dieser recht alten Gebäude. Dort stießen wir auf ein Glasmalerei-Museum, welches man umsonst besuchen konnte. Wahrscheinlich bekommen sie Geld von den Parkgebühren ab, die auch an der Navy Pier recht beachtlich waren.
Der Sonntag ging recht beschaulich los. Für unsere Verhältnisse schliefen wir aus. Wir fuhren zum Frühstücken zu einem Restaurant, dass von seinem Namen her an den iPod erinnert (aber letztlich ihop hieß). Das Versprechen, dass gegeben wird, dass keiner mehr als fünfzehn Minuten auf einen Platz warten muss. Obwohl recht viele Leute warteten, bekamen wir etwas in die Richtung zu hören, dass es nur fünfzehn Minuten werden würden. Draußen standen aber schon Leute, die fünfundzwanzig Minuten warteten. Da der Sonntag aber das ganze Gegenteil zum Sonnabend war, konnten wir bei strahlendem Sonnenschein draußen vor der Türe warten udn wurden nach ungefähr fünfundzwanzig Minuten hereingerufen. Das Frühstück war sehr gut und der Pampelmusensaft weckte meine Lebensgeister (andere nehmen dafür ja Kaffee).
Nachmittags machten wir uns wieder auf den Weg nach Chicago. Ziel war der Lincoln Park am Ufer des Lake Michigan. Später am Abend ging es dann in die Blues Bar Blue Chicago. Meine Englischkenntnisse sind ja immer noch nicht zum Besten, aber es tröstete mich, dass nicht nur ich den Türsteher nicht verstand. Auch Arnd, eigentlich fast Einheimischer, hatte seine großen Schwierigkeiten, den Herren, der jeglicher Küche nicht abgeneigt schien, zu verstehen. Sein Bild ist übrigens auf einem der T-Shirt, die von der Blues-Bar angeboten wurden, zu sehen. Als wir gegen neun Uhr dort ankamen, war die Bar fast leer. Nach einer dreiviertel Stunde, die Band hatte schon einige Zeit gespielt, war der Laden rammelvoll. Die meiste Zeit spielte die Begleitband. Die Dame, die der Band ihren Namen verlieh, war eine Diva und tauchte nur hin und wieder auf der Bühne auf. Sie hatte eine großartige Stimme und eine vollwollende Interpretation ihrer Zaghaftigkeit ist die, dass sie ihre Stimme schonen musste.
Das war’s dann mit Chicago gewesen. Der Umweg hatte sich auf jeden Fall gelohnt…