Gino Rolseth ist ein guter Polizist, auch wenn er sich manchmal wie ein Trampel benimmt. Weniger Talent hat er, wenn es um Schneemann-Bauen geht. Sein Schneemann, den er auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung des MPD baut, sieht ziemlich armselig aus und Leo Magozzi, sein Partner, ist ihm auch keine rechte Hilfe.
So gibt Rolseth alles dafür, dass dieser Quälkram bald ein Ende hat. Kurz darauf wünscht er sich, er hätte sich so etwas nie gewünscht. Denn der nette Junge, der gerade noch neben ihm stand und sein Nicht-Meisterwerk begutachtete, fängt neben ihm an wie am Spieß zu schreien. Offenbar hat er an dem Nachbar-Schneemann noch viel weniger Gefallen gefunden.
In Minneapolis, wo der Winter heftig hereingebrochen war, waren schreiende Kinder keine Seltenheit, weiß Gott nicht. Aber wenn man einen Haufen aufmerksamer Eltern um sich herum hat, die beobachten, wie ein Mann ein Kind anfasst, welches nicht sein eigenes zu sein scheint und welches dann noch herumschreit, dann regt sich der Volkszorn. Natürlich hatte Rolseth einen guten Grund, für das was er tat, aber der erschloss sich den Eltern halt nicht. Was den Jungen zum Schreien brachte, war nicht der körperliche Kontakt zu dem Polizisten. Er hatte vielmehr gesehen, dass der Schneemann nebenan, gar kein 100-Prozent-Schneemann gewesen war und einen ganz und gar menschlichen Kern enthielt. Wenn auch tot.
Da stellte sich schnell die Frage: Wer tut sowas? Noch schneller stellte sich für Rolseth und Magozzi die Frage, der tut so etwas denn gleich zweimal? Denn nachdem sie die anderen Schneemänner begutachtet hatten, mussten sie feststellen, dass es noch einen »unechten« Schneemann gab. Was die Polizisten besonders antrieb war die Tatsache, dass es sich bei den beiden toten Nicht-Schneemännern um Polizisten handelte.
Die Medien, die eigentlich nur dabei gewesen waren, um den Schneemann-Wettbewerb zu begutachten, waren natürlich heilfroh, auf ein solches Fressen gestoßen zu sein. Denn erst konnten sie groß darüber berichten, die die Polizei von Minneapolis sich ein Vergnügen daraus machte, Schneemänner von Kindern zu zerstören. Als dann auch noch die Geschichte mit den toten Männern in zwei Schneemännern an das Tageslicht geriet, warfen sich die Medien mit Entzücken auf das psychopathischer Serienkiller. Denn für sie war klar: Nur ein Serienmörder konnte eine solche Untat begehen.
Für die beiden Ermittler Magozzi und Rolseth war die Sache nicht so klar. Serienmörder hin, Serienmörder her. Erst einmal mussten sie routinemäßig die Umgebung der beiden Polizisten untersuchen, denn das Motiv konnte auch in dessen Privatleben oder in der Tätigkeit der beiden Männer stecken. Bevor sie sich darauf richtig konzentrieren konnten, tauchte schon der nächste Schneemann auf. In der Provinz wurde an einem See ein Schneemann entdeckt, der sich als Bewährungshelfer herausstellte. Und der letzte Kontakt, den der Mann gehabt hatte, war zu einem auf Bewährung entlassenem Mann namens Kurt Weinbeck. Der hatte gesessen, weil er seine Frau schwer misshandelt hatte. Der einzige Mensch, den Weinbeck kannte, der wusste, wo seine Frau sein könnte, war Doyle, sein Bewährungshelfer, gewesen. Eben die Doyle, der als Weihnachtsmann tot an einem See lag, eben der Doyle, der eine Akte hatte, in dem der Aufenthaltsort stand, an dem Weinbeck seine Frau finden konnte. Klar, dass der See, an dem man den toten Bewährungshelfer gefunden hatte, nicht weit von dem Ort entfernt lag, an dem sich Weinbecks Frau versteckt aufhielt.
Rolseth und Magozzi machten sich auf den Weg in die Provinz, die sie irgendwie gar nicht mehr loslassen wollte. Sie versuchen mehrmals, den Ort zu verlassen, aber irgendwie treibt es sie immer wieder zurück. Eine sehr unangenehme Situation, nicht nur wegen der Toten, sondern auch, weil der Schnee das Land fest im Griff hat. Die beiden Polizisten hatten wohl das Gefühl, die einzigen Menschen zu sein, die sich überhaupt auf die Straße trauten und Gino Rolseth merkt an, dass der Straßenrand wie ein Autofriedhof aussehen würde.
Vor Ort haben es die beiden Polizisten mit einem Neuling zu tun, einem Sheriff, der seinen ersten Tag hat und zu allem Überfluss keine polizeiliche Vorbildung hatte. Gino Rolseth ist nicht sehr angetan, gerade in einem solchen Fall es mit einer Anfängerin zu tun zu haben.
Aber natürlich haben wir es mit einem typischen P.J. Tracy-Roman zu tun, und hier zwar alles ziemlich spannend, um es nicht atemberaubend zu nennen, aber trotzdem blitzt jede Menge Charme und Witz durch. Das Thema, dessen sich das Autoren-Duo diesmal angenommen hat, ist auch nicht von Pappe: Gewalt gegen Frauen. Was man von dem Gegenentwurf, der in diesem Buch aufgezeigt wird, auch nicht sagen kann. Dem Leser geht es wie den Protagonisten in diesem Buch, denn sie werden hin und her gerissen und wissen nicht zu sagen, was sie von diesem gesellschaftlichen Gegenentwurf halten sollen. Denn das was gut ist, kann eigentlich nicht böse sein. Außer in Ausnahmen. Und umgekehrt ist es halt auch so: Das was böse ist, kann auch gut sein. Nur: Kann man das tolerieren?