Ist sicher schon zehn Jahre her, da hatte ich eine verschärfte Dashiell-Hammett-Phase, die unmittelbar nach meiner Chandler-Phase kam und kurz vor meiner Woolrich-Phase lag. In Praxis hieß das, dass ich mir alle Bücher besorgte, derer ich habhaft werden konnte und sie verschlang.
Ein damals hochgeschätzter Roman war »Rote Ernte«, der mich damals aufgrund seiner drastischen Sprache überraschte. Gegen das, was man heute so liest, beispielsweise von Lee Child, wirkt Dashiell Hammett zwar harmlos, aber ein Vergleich hatte sich über die Jahre nicht ergeben, denn leichtsinnigerweise hatte ich das Buch verliehen und dann nie wieder gesehen. So ist die Neuauflage des Romans bei Diogenes eine gute Gelegenheit gewesen, sich des Romanes noch einmal anzunehmen.
Es hat sich nichts geändert: Meine damalige Begeisterung für den Roman hat sich bestätigt. Ich halte ihn für einen der besten Romane des Schriftstellers.
Normalerweise geht mir Selbstjustiz in Geschichten gehörig auf den Senkel: Bei Lee Child wird sie beispielsweise regelmäßig praktiziert. Sie ist ungehörig, wenn es ein funktionierendes Polizei- und Justizsystem gibt – der Held von Lee Child, Jack Reacher, hat keinen Grund Richter und Henker zu spielen. In dem Städtchen Peaceville sieht es ein wenig anders aus.
Willsson hat sich ein wenig spekuliert. Die Gewerkschaften hatten ihm Ärger gemacht, und er behalf sich, indem er ein paar Pistolenjungs engagierte. Die sprengten den Streik, aber danach war es nicht mehr so in Peaceville, wie es vorher gewesen war. Die Pistolenjungs gingen nicht mehr weg, machten es sich in der Stadt behilflich. Die verschiedenen Parts der Unterwelt wurden unter den Gangstern aufgeteilt und ein Gangster schaffte es, den anderen den Rücken freizuhalten, indem er sich zum Polizeichef ernennen ließ.
Elihu Willsson war nicht glücklich mit der Situation, aber er war alt und solange seine Macht nicht ganz verschwand und er seinen Reichtum noch mehren konnte, war es ihm egal. Dummerweise war er auf die Idee verfallen, seinen Sohn Donald mit der Leitung der Zeitung zu betrauen. In dieser Position konnte dieser seine Idee einer sauberen Stadt verfechten. Er ließ sich einen Privatdetektiv kommen, der für ihn in der Stadt »aufräumen« sollte. Selbiger konnte sich mit der Aufgabe anfreunden, berichtet aber in diesem Roman aus der Perspektive eines Ich-Erzählers, dass er nicht mehr die Gelegenheit bekam, Donald Willsson kennezulernen, denn der Verleger wurde kurz nach seiner Ankunft erschossen.
Der Vater ist darüber einigermaßen erbost und gibt dem Detektiv die Aufgabe, in der Stadt aufzuräumen. Der lässt sich noch zwei weitere Männer von seiner Agentur in San Francisco schicken und macht sich dann mit großer Freude daran, in der Stadt aufzuräumen. Dazu kontaktiert er jeden der Gangster und spielt dann einen nach dem anderen gegeneinander aus. Die Kaltblütigkeit, mit der das geschieht, muss selbst den Übervater der Stadt erschrecken und Donald Willsson versucht, seinen rollenden Stein anzuhalten. Vergeblich. Der hatte sich diebisch gefreut, dass er einen Finanzier für das Aufräumen hatte und da der Check nun einmal bestätigt war, dachte er gar nicht mehr daran, die notwendige Aufgabe aufzugeben.
Peaceville lernt der Leser nicht friedvoll kennen. »Rote Ernte« ist ein gewalttätiger Roman, in dem es weder von den Taten noch von der Sprache zimperlich zugeht. Ein typischer Roman der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, den ich jedem interessiertem Krimi-Leser ans Herz legen möchte.