Manche Bücher hat man immer wieder in der Hand und lässt sie dann doch liegen. Chuck Klostermans Geschichte reizte mich schon, zugreifen wollte ich aber so einfach nicht. Die Zeit musste reif sein. Im Angesicht der eigenen Vorbereitungen einer USA-Reise dachte ich mir, zu lesen, wie einer durch die Staaten fährt, könnte inspirierend sein. War es nicht, was das Buch allerdings nicht zu einem Versager macht.
Ganz im Gegenteil, aber die Idee Klostermans, sich auf die Spuren toter Rockstars zu begeben, würde als Urlaubsidee unsererseits nicht funktionieren. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie bei Klosterman funktioniert hat. Er ist an die Orte gefahren, hat sich die Lokalitäten angeschaut und musste feststellen, dass es nichts zu sehen gibt. Es war so ein wenig, wie sich auf die Spuren von Simenons Figuren zu begeben.
Man sieht was, aber das, was man sieht, ist nicht so sensationell, wie man es sich immer vorgestellt hat. Die Erwartungen sind einfach zu hoch. Klosterman kam an Orte, die er nicht besuchen durfte (Stichwort: giftige Schlangen), die er nicht besuchen sollte (Stichwort: nicht begeisterter Hotelbesitzer) und die schwer zu finden waren, weil sich kaum einer an den Rockhelden erinnern konnte. Trotz dieser widrigen Umstände hat er darüber ein Buch von 300 Seiten schreiben können und ich habe es atemlos gelesen.
ABER EGAL – es geht schließlich geht es in dem Buch nur zum Teil um die Toten. Spannender sind die Geschichten, die Klosterman über die verschiedensten Künstler, zum großen Teil noch lebend, zu erzählen weiß. Viele sagte mir überhaupt gar nichts, bei einigen Namen kam ich später dahinter, dass ich mir die Namen nichts sagten, die Musik erheblich mehr. Und wenn Klosterman erzählt, dass er von diesem oder jenem Musiker die Musik auf Kassetten hatte, dann muss ich sagen, ja ich auch. Natürlich war auch ich so blöde und habe mir die Musik, an der mir liegt, noch einmal auf CDs gehört und wahrscheinlich, wenn der Tag kommt, an dem ein neues properitäres Format auf den Markt kommt und man an der dazugehörigen Maschine nicht vorbeikommt, dann heißt es noch einmal Geld hinlegen. Das scheint einfach so zu sein.
Mehr noch als Musik macht das Leben das Buch von Klosterman aus. Er beschreibt Menschen, seinen Weg zum Schriftsteller (also ist es ein Buch mit stark autobiographischen Zügen) und seinen Weg zu den Frauen, bei denen er immer noch zwischen den Stühlen sitzt (zumindest während der Zeit des Schreibens des Buches). Überhaupt sind die Frauen fast noch wichtiger als das Buch. Und wem er wirklich zugeneigt ist, da kann sich der Leser genauso wenig entscheiden, wie Klosterman es tat.
Nebenbei habe ich noch etwas über Drogen gelernt, mit denen ich noch nie in Kontakt gekommen bin. (Manchmal frage ich mich, was für ein behütetes Leben ich geführt habe.) Nachdem ich »Eine zu 85% wahre Geschichte« gelesen habe, weiß ich aber auch ziemlich genau, ich muss es nicht probieren. Mein Wein reicht mir, und in dem soll ja die Wahrheit liegen. Aber auch ohne in den Wein geblickt habe, bin ich mir sicher (zumindest zu 85%), dass man Chuck Klosterman wenn man sich für Amerika, Musik und eine gut erzählte Geschichte interessiert, nicht falsch liegen kann.