Wer reist, der kann was erleben. Auch auf Reisen, die man nur macht, weil man dafür bezahlt wird. So zum Beispiel am Mittwoch im Zug von Kiel Richtung Stutgart. Ich kann mich nicht erinnern, dass auf die Verspätung hingewiesen wurden, die der Zug hatte, das wurde erst kurz vor Frankfurt gemacht. Aber zwischen Fulda und Frankfurt kam plötzlich eine Ansage, die meine Kinnlade nach unten fallen ließ: »Hallo, hier ist der Zugchef. Ich möchte Ihnen gern ein Gedicht vortragen. Ein Liebesgedicht.«
Ich bin kein großer Lyrik-Fan, wirklich nicht. Wird einem dann noch im Zug ein Gedicht vorgetragen, dazu in hessischer Mundart, dann kann ich gar nicht anders, als schnell die Musik des Zen lauter zu stellen, bevor ich laut loslache. Das ist, ich weiß, fürchterlich ungerecht, aber es liegt in meiner Natur, mich so zu verhalten. Meine Beunruhigung, dass dies nach der Englisch-Attacke des Zugpersonals nun die nächste Direktive von Mehdorn ist, hat sich nicht bewahrheitet. Bei der gestrigen Rückreise hätte ich mir den Lyrik-Zugchef zurückgewünscht, denn was der Zugchef über die Speisewagen-Angebote parlierte, lässt mich immer noch ratlos zurück: Wie kann ich von einer Linsensuppe profitieren? Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, selbst wenn ich Linsensuppe mögen tät – was ich nicht tue.
Ein kleines Drama dann in Neumünster. Der Zug aus Stuttgart hatte Verspätung. Das machte aber nichts, da mein Zug aus Flensburg, der die Strecke wieder zurückfährt, auch Verspätung hatte. Daraus ergab sich aber, dass der Zug von Kiel nach Hamburg nicht von dem Gleis abfahren konnte, von dem er üblicherweise abfuhr. Ein Mädel, siebzehn bis zwanzig Jahre alt, hatte das wohl nicht bekommen, starrte auf Gleis 5 während der Zug nach Hamburg auf dem gleichen Bahnsteig, nur auf dem anderen Gleis, in Richtung Hamburg abfuhr. Die Zugbegleiterin konnte ihr nur sagen, dass es schon ratsam ist, auf die Ansagen zu achten. Gegenüber einer Tauben wäre das eine gefühllose Bemerkung gewesen, Menschen ohne die Einschränkung sollte man dies aber sagen dürfen. Mir wurde ja ganz anders, als das Mädel anfing in Tränen auszubrechen.
Mit Taxis in Mannheim kann man auch was erleben. Das erste Taxi klapperte verdächtig, der Gurt ließ sich nicht wirklich im Verschluss unterbringen und das Fenster ließ sich auch nicht mehr öffnen. Nachlass gibt es natürlich keinen. Der gestrige Taxifahrer war mit meinem Fünfzig-Euro-Schein schlicht überfordert und hatte sich wohl schon damit abgefunden, ohne den ganzen Lohn abziehen zu müssen. Ich gab ihm aber den Zehn-Euro-Schein, den ich hatte und sagte ihm, er möge mich um kurz nach zwölf Uhr abholen und zum Bahnhof fahren, dann könnten wir sicher den Fünfziger wechseln. Auf der Rückfahrt vergaß er die Taxiuhr einzuschalten. Das war ein wirklich netter Taxifahrer, dessen Taxi funktionierte und sauber war.