Eigentlich hatte ich gestern überlegt, so wie Ludger einen gewöhnlichen Tag zu beschreiben. Daraus wurde nichts, denn der Tag wurde absolut ungewöhnlich. Man könnte zusammenfassend sagen: Ich wurde Zeuge eines Verbrechens. Auf solche Realität kann man gern verzichten.
Die Geschichte passierte im Büro. Schlag 12.30 Uhr verlassen wir die Büros, um die Kantine oder umliegende Lebensmittelläden zu stürmen. Das ist schon immer so gewesen. Die Kollegen gingen in die Kantine, ich in ein benachtbartes Einkaufszentrum. Kurz vor ein Uhr war ich wieder im Büro und machte mich daran, das Mitgebrachte zu vernichten. Dabei las ich, und bekam nur mit einem Ohr mit, dass die Tür ging. Unsere Tür lässt sich nur über einen Schlüssel öffnen oder der Einlasswillige klingelt, um Hereingelassen zu werden. Wenn geklingelt wird, steht einer von uns auf – wenn ich allein bin, mache ich das – und schaut nach, wer Einlass begehrte. Ich dachte, es wären die Kollegen. Es war ruhig, aber auch das musste mich nicht beunruhigen. Kurze Zeit später hörte ich aber ein Knistern, und das machte mich irgendwie skeptisch. »Guck mal nach«, dachte ich mir. Ich kam um die Ecke aus meinem Zimmer, da stürmte ein Mann an mir vorbei. Auch erstmal nichts verwunderliches, denn manchmal bekommen Kollegen Besuch und Verwandte oder Freunde holen sich was ab. Ein Blick in den Raum machte aber deutlich, dass der große schlanke Mann (schwarzes Haar mit langem Pferdeschwanz) niemand besucht hatte. Also ich ihm nach: Üblicherweise halten sich die Leute vor dem Fahrstuhl auf. Er nicht. Ich kurz zurück, meinen Schlüssel geschnappt und hinter ihm hinterher. Auf der Straße war von ihm nichts mehr zu sehen. Es stieg ein Mann aus dem Fahrstuhl, der den Typ auch gesehen hatte, als er im zweiten Stock vor dem Fahrstuhl gestanden hatte.
Zurück im Büro geschaut, was fehlte und dann ging mir auf, was der Typ so eilig wegschleppte. Den fast noch neuen Laptop meines Kollegen. Der er ihm privat gehörte. Grauen! Kurz überlegt, hatte er ihn wirklich dabei oder war es nur eine Täuschung. Nein, ich hatte früher am Vormittag noch einen Scherz über den Laptop gemacht. Also die Polizei gerufen und die war nach zwanzig Minuten vor Ort. Damit war sie noch vor dem Kollegen da. Geschildert, Laptop geklaut und so weiter und so fort. Als der Kollege kam und die Polizei an seinem Arbeitsplatz sah, lag ihm noch ein Scherz auf den Lippen, Sekunden später war es damit vorbei.
Später sahen wir auch, wie der böse Mann bei uns hineingekommen ist: Die Tür schnappte beim Schließen nicht zu und offenbar hatte der Verbrecher sein Glück einfach bei uns versucht und wurde auch noch reichlich fündig.
Als ich heute nach Hause kam, lag da ein Schreiben von der Staatsanwaltschaft Berlin. Man hätte die Ermittlungen bezüglich eines besonders schweren Falls von Diebstahl, sprich eines Autos, eingestellt, da man den Täter nicht ermitteln konnte. Man kann davon ausgehen, dass der Kollege demnächst ein ähnliches Schreiben bekommt. Dieses aus Berlin kam nach fünf Monaten. Also sagen wir mal: Juli.