Manchmal haben meine Eltern ein kurzes Gedächtnis: Wir liegen uns immer wieder in den Haaren, was unsere Vergangenheit in der DDR anging. Beispielsweise sind sie felsenfest überzeugt, uns habe es an nichts gefehlt. Ja, kann ich da nur sagen, wir haben nicht gehungert, aber das es alles gegeben hätte, da würde so ja auch nicht stimmen.
Natürlich haben wir uns eine halbe Ewigkeit an einem Dienstag nachmittag anstellen müssen, damit die lieben Eltern ihren guten Kaffee, der nicht mit dem West-Kaffee vergleichbar war (sonst hätten sie ihn ja getauscht, was mir nicht im Gedächtnis hängen geblieben ist), bekamen. Man ist nicht einfach in die Kaufhalle (sprich Supermarkt) gegangen und kaufte ein. Zielgerichtet ist man dort aufgetaucht, da es an diesen Tagen dies und an anderen Tagen jenes gab. Abgesehen davon, dass es zumindest bei unserem Einkaufsparadies so war, dass man sich zwischen sechzehn und achtzehn Uhr erstmal nach einem Einkaufswagen anstellen durfte. Und was war los, wenn es so tolle Sachen wie Bananen, Orangen oder Negerküsse gab. Was gab’s da für Schlagen!
In der Schülerspeisung merkte man es auch. So gab es zum Beispiel eine zeitlang ganz viel Kanickelfleisch. Ich weiß nicht warum, aber Kaninchen gab es in allen Varianten, vorzugsweise als Gullasch (schreibt man das mit Doppel-L?). Auch zu Hause aßen wir häufiger Kaninchen. Entweder als Braten oder als Rolle (mit Innereien). Da dies vorher ein Buttermilch eingelegt wurde, war das ganz schmackhaft. Mal abgesehen von der Soße: Ich mochte die Kaninchen-Soße meiner Mutter über alles. Das Fleisch war mir fast egal. Kartoffeln, Rotkohl und Kaninchen-Buttermilch-Soße. Lecker!
Heute hatte ich auch Kaninchen. Ich bin mir fast hundertprozentig sicher, dass das, was ich heute abend gegessen habe, Kanickel war! Ich erkenne schließlich ein Kanickel, wenn ich es vor mir auf dem Teller habe. Auch wenn ich eigentlich Chicken-Mango bestellt hatte. Beim Inder. Tolle Soße, keine Frage. Sogar Mango war herauszuschmecken und einige Fruchtstücke gab es auch. Aber das Fleisch, war halt kein Hühnchen, sonderen es war Kaninchen. Da bin ich mir todsicher. Nun könnte ich morgen hingehen, und nochmal Hühnchen mit einer anderen Soße bestellen, nur damit ich mir sicher bin, dass es nicht speziell eingelegt war. So, dass Hühnchen nach Kanickelfleisch schmeckt. Aber andererseits: Ich esse soviel Huhnfleisch, dass ich mich eigentlich auskennen sollte. Und da habe ich das Gefühl, heute hat mich jemand ordentlich übers Ohr gehauen. Insofern werde ich mir morgen in Gießen etwas anderes zum Essen suchen und freue mich schon auf Regensburg im März – denn da gibt es einen guten Inder.