Wir Menschen sind auf Perfektion aus und so wenig perfekt. Viele Entscheidungen, die wir treffen müssen, scheinen gut überlegt und stellen sich dann später als falsch heraus. Heute war von einem Mann zu lesen, der vor dreizehn Jahren hingerichtet wurde. Nun wurde ein posthumer DNA-Test vom Gouverneur angeordnet, der eventuell die Unschuld des Hingerichteten erweisen sollte. Fein, da hat der gute Mann aber viel von.
Eigentlich gibt es kein Aber: Die Todesstrafe ist eine grausame Bestrafung, bei der sich die Gewalten, die daran beteiligt sind, zu Mördern machen. Eigentlich solle man meinen, dass dies als Begründung für die Ablehnung der Todesstrafe genügen sollte. Aber nein, es wird immer ganz gern dagegen gehalten, dass die Verurteilten auch Monster wären.
Hier muss müsste man zum ersten Mal einschreiten: Wer kann von sich behaupten, dass er hundertprozentig Recht hat? In einem Fall, der häufig ganz viele Facetten beinhaltet. Ich würde für mich niemals die Hand ins Feuer halten, solch eine Entscheidung auch nie treffen wollen. Man kann das Pferd auch von einer anderen Seite aufzäumen: Was spricht dagegen, dass diejenigen, die das Todesurteil fällen, mit ihrem Leben für das des Verurteilten stehen? Sprich: Sollte sich herausstellen, dass es sich um einen Unschuldigen handelt oder um jemanden, der die Strafe nicht verdient hat – ich gebe zu, dass sind zwei verschiedene Paar Schuhe, so sind sie es, die hingerichtet werden – damit meine ich die ermittelnden Polizisten (sollten sie Beweise gefälscht haben), Laborpersonal (dito), Staatsanwälte, Richter und Jury. Also sagen wir mal 30 Leben gegen eines? Wenn man sich so sicher ist, dass man Recht hat, wäre das doch wohl ein Menschenleben wert, oder? [Der Vorschlag ist völlig abstrus, ich weiß, denn die Todesstrafe gegen die, die eine Todesstrafe verhängen, ist genauso grausam – aber für die Anhänger der Todesstrafe wäre es doch mal ein überdenkenswerter Vorschlag. Vielleicht auch mal ein Denkanstoß über Perfektion.]
Das zweite Zauberwort was man immer wieder hört ist DNA-Analyse. Ja, tut mir leid, das mitteilen zu müssen: Aber offenbar kann da auch eine Menge schieflaufen. Da werden Unterlagen mal verschlampt, mal weggeworfen, während das Verfahren noch läuft und ein andermal schlicht manipuliert. Was ist mit Verbrechen, bei denen es schlicht keine Möglichkeit der DNA-Analyse gibt? Hey, und was sagt die DNA-Analyse aus, wenn meine Frau umgebracht wird – höchstwahrscheinlich, dass ich der Mörder bin, weil ich derjenige war, der sie zum letzten Mal umarmt hatte. Oder war es der Briefträger, der ihr etwas überreichte oder die Nachbarin, die Brötchen brachte? Es gibt ganz sicher Fälle, in denen die DNA-Analyse hilft, den Täter zu fassen (beispielsweise, wenn der Mörder das erste Mal an diesem Ort war), aber ein Allheilmittel scheint es mir nicht zu sein.
Mord wird häufig mit Heimtücke verbunden: Das Opfer weiß nicht, dass es umgebracht werden könnte, es kommt völlig überraschend. Ich weiß immer noch nicht, was besser daran ist, wenn man es erwartet, aber das sei an dieser Stelle mal dahingestellt. Aber ist es so, wie es bei der Todesstrafe gemacht wird, viel besser? Man bekommt sein Urteil. Dann sitzt man in einer Zelle und wartet Tag für Tag darauf, was passiert. Eines Tages wird man vor Gericht bestellt und der Richter teilt einem mit, dass man in vier Monaten hingerichtet wird (vielleicht bekommt man auch nur einen Brief, in dem einen das mitgeteilt wird). Man wartet. Wird gefragt, was man zu essen haben möchte, die letzte Mahlzeit steht an, sieht einen Tag lang ein paar seiner Familienangehörig en und Freunde, wird irgendwann auf einer Liege festgeschnallt, von zig Leuten betrachtet und wird dann umgebracht. Man kann sich das aus der Perspektive eines Schuldigen durch den Kopf gehen lassen und aus der Perspektive eines Unschuldigen: Das Ergebnis wird sich nicht groß unterscheiden. Wichtig ist nur, man sollte es sich durch den Kopf gehen lassen und dabei Mensch sein. (Vielleicht ist es auch hilfreich, sich durch den Kopf gehen zu lassen, man wäre Jury-Mitglied gewesen und hätte einen Unschuldigen in den Tod geschickt, und es wäre herausgekommen, und nun liegt man da: Vorgestern war der Staatsanwalt dran, gestern der Richter. Bittere Ironie an der Geschichte wäre, wenn am Tag darauf sich herausstellt, der, den man verurteilt hat, wäre doch schuldig gewesen.)
Menschen können irren. Sie können schlechte Taten begehen, und die werden leider in allen Lebenssituationen begangen. Ein Mörder ist kein guter Mensch, ein Dieb nicht, und ein Sheriff, der Beweise fingiert auch nicht. Wir sind vor solchen Leuten nicht sicher. Bringt man Menschen um, dann ist es nicht rückgängig zu machen. Egal, ob ich das als Individuum tue oder ob durch staatliche Hand passiert.
Es ist auch völlig egal, ob es auf einer Liege in Texas, auf einem Platz in Saudi-Arabien durch das Schwert, irgendwo im Iran durch Erhängen oder in einem Stadium in China durch Erschießen passiert: Es gehört sich einfach nicht.
Womit wir bei dem alten Bekannten wären. Es handelt sich bei diesem um Mike Farrell (http://www.mikefarrell.org/ – Link funktioniert seit 2016 nicht, kommt ja aber vielleicht wieder), Hunnicut in meiner Lieblingsserie M*A*S*H, der auf einer Demonstration gegen eine Hinrichtung zu sehen ist. Sehr, sehr sympathisch.