Wären wir in New York könnte ich darüber gar nicht schreiben, aber ist man mit einem Mietwagen unterwegs, kann man so einiges erleben. Das beginnt schon mit dem Mietwagen.
Unserer hat diesmal keine Malfunction der Engine, sondern die rechte Vordertür verweigert sich dem allgemeinen Befehl der Zentralverriegelung. Vermutlich will die Tür die Macht über die Welt übernehmen, denn betätigt man den Schalter an der Tür, für das Schließen aller Türen, so tut sie das. Ist genauso wie vorher ein Sonata, der den Ärger macht. Aber es wäre ein wenig albern, deswegen den Wagen von Hertz wieder tauschen zu lassen.
Wenn jemand sagt, man fährt hierzulande entspannt, so heißt das bei weitem nicht, man fährt langsam. Hier gibt es jede Menge von Tempolimits, die aber – wie wohl überall – nur Empfehlungscharakter zu haben scheinen. Mein Freund meinte zur Erklärung, das es völlig o.k. ist, wenn man zehn Meilen pro Stunde über dem Limit liegt. An diese Empfehlung halte ich mich natürlich gewissenhaft. Trotzdem werde ich noch überholt. Zu meinem besonderen Erstaunen auch immer wieder von Trucks und Bussen. Allerdings nicht von Schulbussen.
Überholt wird rechts wie links. Hat man sich daran erst einmal gewöhnt, lernt man es lieben. Genauso wie die Regel, an fast allen Ampeln bei Rot nach rechts abbiegen zu dürfen. Da wo es nicht erlaubt ist, wird es drangeschrieben. Warum geht das nicht in Deutschland, fragt man sich unwillkürlich.
Das fahren ist insofern entspannend, da man mit allerlei technischem Schnickschnack ausgestattet ist (Cruise Control, Automatik) und diesen zum Fahren auch einsetzt, und die Amerikaner keine agressiven Fahrer sind. Wenn man von dem Verbrecher an unserem ersten Tag mal absieht. Es fährt keiner zu dicht auf, es hupt keiner, nur weil man nicht die Spur wechseln möchte (oder kann). Ich habe noch keinen gesehen, der mich mit einer Lichthupe bedrängt hat. Das hat schon Stil.
Unsereiner hat immer gedacht, ein Highway wäre irgendetwas besonderes. Ist es aber gar nicht. Auch ein Parkway oder ein Freeway sind einfach irgendwelche Straßen, die von A nach B führen, wobei die Straßenwarte es mit dem amerikanischen Abenteuersinn halten und es größtenteils unterlassen, Schilder anzubringen, die darauf verweisen, wohin die Straße führt. Jeder Amerikaner weiß, dass die 181 South nach XYZ führt und die paar, die es nicht wissen, haben gestochen scharfe Augen, dass sie die kleinen Schilder, die direkt an der Kreuzung postiert sind, erkennen.
Während in Deutschland der Autofahrer seine Meinung zum Autofahren kundtut (»Benzin muss günstiger werden«), seine Liebe zu irgendwelchen Wesen oder Orten bekundet (erinnert sei an die Sylt-Aufkleber oder »Ein Herz für Kinder«), geht es hier viel politischer zu. Es sind immer noch Aufkleber an den Autos zu finden, die sich für Bush und Cheney einsetzen, die (in Schleifenform) sich die eigenen Truppen stark machen oder (das hat uns wirklich sehr gewundert), die sich für Abtreibung stark machen. (Dass die Meinungsäußerung dieses einen Autofahrers in Atlanta nicht unbedingt mehrheitsfähig ist, sieht man an dem Bild unter »Jesus« – wir habe nicht mitbekommen, wo gegen der gute Mann gewettert hat, aber er hat für und mit Gott gewettert.)
Fährt man auf diesen Straßen, die sich High-, Free- oder Parkway nennen, kann man Entdeckungen machen, auf die man nicht gefasst ist. Zum Beispiel Städte, die wirklich sehr nett sind. Oder Sehenswuerdigkeiten, die man nicht erwartet: auf dem Coastal Highway (die 17, in Richtung Süden von Savannah aus gesehen) kann man die kleinste Kirche Amerikas betrachten. Und das ist doch wohl wirklich doll.