Das Fluglinien so manche Besonderheit bieten, habe ich schon mitbekommen. EAE, die ich so beflissen, EAX genannt habe, hatte wirtschaftliche Gründe vorgeschoben, um die Piloten vor dem stressigen Anflug auf Kiel zu schützen. Nun lernte ich am Montag die HLX kennen, die zwischen Hamburg und Köln fliegt.
Ja, ist schon eine geniale Idee, sich einfach die Sitzplatznummerierung zu sparen und die Kämpfe um Sitzplätze von den Passagieren ausfechten zu lassen. Besser wäre aber noch, eine Reservierung kostenpflichtig zu machen, wie es die Deutsche Bahn gemacht hat, und dann hin und wieder zu vergessen, die Schildchen anzubringen oder die Elektronik ausfallen zu lassen. Ich kann mir gut vorstellen, dass das in einem Flugzeug sehr gut kommt.
Nun, ich wusste, was mich auf dem Rückflug erwartet und war gefasst. Auf wen (oder vielleicht auch was) ich nicht gefasst war, war der MAX-Mann, wie ich ihn spontan nannte. Er kam zum Gate, pflanzte sich auf einen Sitz und musste wieder aufstehen, weil just dieser schon besetzt war. So machte er es sich mit seinem RTL-Bag mir gegenüber bequem und fing an … zu telefonieren. Nun, dass machen alle. Aber der MAX-Mann war eine besondere Erscheinung. Unter seinem edlen Zirn trug er ein laberiges T-Shirt, welches sicher vom Designer war, aber das konnte man nicht erkennen. Man will auch nicht starren, selbst wenn man es mit einem vermeintlichen D-Promi zu tun hat. Er erzählte seinem Gegenüber war von Hamburg und Cannes und Gott und der Welt, was man gar nicht mitbekommen will, aber sich trotzdem anhören muss, denn die Lautstärke der Telefonierenden erinnert einen immer an die eigenen Oma, und er war ja nur einer von vielen, die den üblichen Geräusch-Smog an einem Flughafen erzeugte. Nichts unterschied ihn von der Masse, die man am Flughafen bewundern kann, bis zu dem Augenblick wo der MAX-Mann hörte, dass der Flug einsteigebereit wäre. Da flitzte er an allen vorbei und stand plötzlich da, wo er hätte gar nicht stehen dürfen. Nämlich vorne… Denn andere warteten vor ihm. Egal.
So schaffte er, der sich nicht einreihte, es als erster in den Bus zum Flugzeug, den er mit gewisser Kennerschaft inspizierte um sich vorne links in die Ecke zu setzen. Der Mann wusste, der Bus würde mit den linken Türen zur Flugzeug-Front vorfahren, was ihn einen Startvorteil unschätzbarer Güte geben würde. Wenn man es sich recht überlegt, hätte er aber viel eher, nach hinten gehen müssen – aber das sollte mir erst später aufgehen. Mit dem Augenblick, wo sich der MAX-Mann nach vorne drängelte, konnte er meinem scharfen Brillenauge nicht mehr entweichen und wurde zu meinem Lieblingshassobjekt des Tages.
Den Titel hatte er sich verdient. Aber MAX-Mann war nicht dumm. Seine Planungen trieben ihn so um, dass er sich zum Busfahrer begab – wozu er den Bus nochmals verlassen musste – und diesen fragte, wie er denn gedenke, vorzufahren. Mit den Türen in Fahrtrichtung links, war wohl die Antwort, denn MAX-Mann sah sehr zufrieden aus.
Der MAX-Mann, der locker die Zweimeter-Marke riss, setzte sich auf den vordersten Platz, die Beine zur Tür. So hatte jeder die Gelegenheit, über seine Füße zu stolpern. Die Beine hätte er, so wie es sich die Designer gedacht hatten, in Richtung Businneres verpflanzen können, aber nein, dass hätte ihn den Startvorteil kosten können, den er sich mit seiner Dreistigkeit erkämpft hatte. Er las in Ruhe in seiner … MAX … und warf ungnädige Blicke denen zu, die in Konflikt mit seinen Beinen gerieten. Einfach herrlich anzuschauen.
Ich war natürlich auch auf einen guten Platz aus, dachte mir aber, wer weiß, was passiert: Vielleicht fährt der Bus ja von einer ganz anderen Seite an das Fluggefährt heran. Man weiß ja nie, schließlich hatten wir auch schon Verspätung, da konnte sich noch einiges tun. Tat sich auch. Der Bus war voll und sollte seine Position räumen. Zum Flieger konnte er noch nicht, also fuhr er in eine Art Parkbucht. Für eine Positionsänderung war es zu spät, und was ich mir schon mal so gedacht hatte, stellte sich als wahr heraus. Links war eine ziemlich blöde Situation für eine Pool-Position. Wer mich nicht enttäuschte, war MAX-Mann. Nicht, dass er die Dreistigkeit besessen hätte, sich zur anderen Seite durchzudrängeln, das wäre zu sehr aufgefallen. Nein. Es begann mit einem Trommeln auf der Plastikverkleidung des Sitzes, zunehmend nervös, und endete in leisen Selbstgesprächen. Er schien sein »Ich-bin-nicht-günstig-aufgestellt«-Mantra zu murmeln.
Ich kann hier gar nicht schildern, was für einen Gefallen mir der Busfahrer und HLX mit seinen Verspätungen geleistet hat. Beste Unterhaltung.
Es half aber nichts. MAX-Mann konnte sich mit einer Niederlage nicht abfinden. Es trieb ihn so sehr, dass er erfolgreich die gleiche Taktik anwendete, wie im Gate. Er stürmte, kaum im Freien, an allen vorbei und sicherte sich eine noch rechte gute Sitzposition. Wenn er auf eine gute Position aufgrund seiner Größe angewiesen ist, soll er nicht HLX fliegen, sondern das Geld – das er offenbar hat – für einen etwas teureren Flug ausgeben. Aber Geiz ist geil.
Am Gepäckband wunderte ich mich schon, wo MAX-Mann blieb. Aber es war möglich, dass er nur mit Handgepäck geflogen war, denn MAX-Mann hatte mit viel Kraft und unter den kritischen Augen der Mitreisenden es im Flugzeug geschafft, seine Tasche noch in die Ablage zu stopfen, die voll aussah. Wenn jemand etwas Zerbrechliches oder Zerquetschbares in der Ablage untergebracht hätte, seine Schuld, MAX-Mann hat Vorrang. Aber MAX-Mann erschien ein letztes Mal und dämpfte so meine Trauer, mein Hassobjekt des Tages zu verlieren. Er stellte sich gleich an die Öffnung. Ich hätte mir ja so sehr gewünscht, dass er einen Moment abgelenkt ist, und sein Gepäckstück an ihm vorbeifährt. Aber man kann wirklich nicht alles haben.